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Autor Thema: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen  (Gelesen 42963 mal)

tomwr

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #80 am: 28. August 2012, 17:52:26 »

Ggf. käme auch das Ausüben einer "anderen" selbständigen Tätigkeit in Betracht. So liegt der Fall z.B. bei mir. Dafür spricht, dass der frühere Betrieb "baden" ging, was nicht selten auch auf strukturelle Probleme am lokalen Markt zurückzuführen ist oder auf mangelndes Kapital. Viele Schuldner haben gerade als Selbständige mit Erfahrung auch diverse Optionen (bisher ausgeübte Selbständigkeiten), also das Tätigkeitsfeld zt wechseln aber die Selbständigkeit beizubehalten. Ist ja heutzutage so, dass man nicht mehr nur eine Tätigkeit von der Berufsausbildung bis zur Rente ausübt.  :wink:
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tomwr

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #81 am: 19. Oktober 2013, 01:07:53 »

So, Teil I Insolvenzverfahren ist gelaufen, habe vor einigen Tagen die Ankündigung der RSB erhalten. Jetzt fehlt noch die offizielle Beendigung des Verfahrens und dann kann Teil II losgehen.  :wink:

Der Schlusstermin wurde schriftlich abgehalten und der IV hat sich in seinem Abschlussbericht darüber "beschwert", dass ich die von ihm geforderten Ausgleichszahlungen wegen Selbständigkeit nicht in immer in vollständiger Höhe erbracht habe. Genauer gesagt hat er in seinem Abschlussbericht diesen Punkt unter seiner Stellungnahme zur RSB thematisiert als möglichen Versagungsgrund. Insgesamt habe ich in Summe etwa 25% weniger gezahlt als gefordert.

Da der Schlusstermin schriftlich abgehalten wurde, habe ich im Wesentlichen entgegnet, dass ich mindestens den pfändbaren Anteil meines Einkommens an ihn überwiesen habe, bei jährlicher Betrachtung was an Einkommen pfändbar gewesen wäre, wenn die selbständige Tätigkeit nicht freigegeben wäre. Denn schließlich gibt es derzeit im laufenden Verfahren keine Verpflichtung einer (ggf. besser bezahlten) Erwerbstätigkeit nachzugehen, im Unterschied zur WVP. Wenn es sich daher im laufenden Verfahren um eine Zahlungsverpflichtung handelt (was mittlerweile auch der BGH bestätigt hat, muss mal ein recht interessantes Urteil von Juli 2013 raussuchen), dann müssen auch die Pfändungsfreibeträge gelten.

Leider konnte ich nicht feststellen, inwieweit das Insolvenzgericht hier meiner Argumentation gefolgt ist oder wäre, da offenbar keine Versagungsanträge gestellt wurden.

Und dann gabs da auch noch ein interessantes Urteil vom Brandenburgischen OLG, wo ein Insolvenzverwalter mit der Klage auf Zahlung der Ausgleichszahlungen gescheitert ist. Fand ich ganz witzig - wobei ich mir nicht sicher bin ob diese Ansicht beim BGH tatsächlich geteilt würde.

Gibt mal wieder ein paar interessante Urteile zum Thema Selbständigkeit, die ich die nächsten Tage mal raussuchen werde.
« Letzte Änderung: 19. Oktober 2013, 01:10:02 von tomwr »
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tomwr

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #82 am: 20. Oktober 2013, 00:24:04 »

Wie bereits gesagt, am 13.06.2013 kam es zu einem Urteil bei dem der BGH konkret Stellung bezogen hat zu den Pflichten und Rechten bei Ausübung einer freigegebenen selbständigen Tätigkeit im Rahmen des §35 II InsO.

BGH, Beschluss vom 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - LG Stade, AG Tostedt
http://dejure.org/dienste/internet2?juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=64877&pos=0&anz=1

Im Rahmen des Urteils ist das Gericht zu 2 Leitsätzen gekommen:

Zitat
a) Der eine Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner ist bei mangelndem wirtschaftlichem Erfolg seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.

b) Der Schuldner hat umfassend über seine Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit Auskunft zu geben, wenn er geltend macht, im Hinblick auf mangelnde Erträge keine oder wesentlich niedrigere Beträge, wie nach dem fiktiven Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO geboten ist, an die Insolvenzmasse abführen zu können.

Das gibt dem Selbständigen bei Ausübung seiner Tätigkeiten im Insolvenzverfahren mehr Freiraum als in der WVP. Bei mangelndem wirtschaftlichem Erfolg ist er nicht verpflichtet sich um eine besser bezahlte abhängige Beschäftigung zu bemühen.

Weiterhin hat der BGH nochmals betont, dass der Selbständige nicht verpflichtet ist Angaben über den wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit zu machen, sofern er die Ausgleichszahlungen nach dem Maßstab der fiktiven Einkünfte einer ihm möglichen abhängigen Beschäftigung leistet.

Wobei das im Rahmen des Insolvenzverfahrens vermutlich eher theoretisch ist, da in aller Regel der Insolvenzverwalter Einblick in die Konten des Selbständigen bekommt. Inwiefern man das im Rahmen eines freigegebenen, ausschließlich geschäftlich genutzten Konto durchziehen kann erscheint fraglich und ist sicherlich auch vom Insolvenzverwalter selbst abhängig.

Im Umkehrschluss ist er verpflichtet genaue Angaben zu machen, wenn ihm das Ausbleiben des wirtschaftlichen Erfolgs nicht die regelmäßige Ausgleichszahlung bzw. nicht in voller Höhe ermöglicht.

Hierzu hat das Gericht folgende recht konkrete Aussagen im Urteil getroffen:


Zitat
(2) Liegt der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit unterhalb des pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit, besteht keine Abführungspflicht. Der Schuldner hat aber im Rahmen seiner Auskunftspflicht umfassend über seine Einnahmen Mitteilung zu geben. Insbesondere ist er gehalten, gegenüber dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht überprüfbare Angaben zur Gewinnermittlung aus seiner selbständigen Tätigkeit zu machen, damit festgestellt werden kann, ob der Schuldner tatsächlich nicht in der Lage ist, ganz oder teilweise hieraus abführungspflichtige Beträge nach § 295 Abs. 2 InsO aufzubringen.

(3) Liegt das Einkommen des Schuldners aus selbständiger Tätigkeit über dem pfändbaren Betrag aus dem von ihm erzielbaren Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit, hat er den pfändbaren Betrag aus dieser Tätigkeit an den Insolvenzverwalter abzuführen. Auskunft über etwaige Gewinne aus seiner selbständigen Tätigkeit muss er, wenn er seiner Abführungspflicht genügt, nicht erteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013, aaO Rn. 8).

Den Satz unter (3) musste ich mehrmals lesen weil er ein bischen uneindeutig formuliert ist. In der ersten Satzhälfte ist sowohl von selbständiger als auch unselbständiger Tätigkeit die Rede und in der zweiten Satzhälfte bezieht sich das Gericht auf "diese Tätigkeit" ohne genau zu spezifizieren ob sie damit den pfändbaren Betrag aus der selbständigen oder unselbständigen Tätigkeit meint.

Wenn man das Urteil als Ganzes betrachtet kommt man aber zu dem Schluss, dass hier der pfändbare Betrag aus der selbständigen Tätigkeit gemeint sein muss. Anders herum macht es wenig Sinn. Auch ist besonders, dass das Gericht sich unter (2) auf den Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit und unter (3) auf das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit bezieht.

Offensichtlich differenziert das Gericht hier nach Einkünften aus selbständiger Tätigkeit nach §850 II als Vergütung für Dienstleistung, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen und für die eben auch Pfändungsschutz nach §§850 ff gilt und dem Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit, die nicht unter §850 II fällt (z.B. eine reine Handelstätigkeit). Sorum wird dann wieder ein Schuh draus, wenn der BGH sich auf den pfändbaren Betrag aus "dieser Tätigkeit" (in dem Fall aus Selbständigkeit) bezieht.



Das Urteil bietet Selbständigen in der Insolvenz eine Möglichkeit neu durchzustarten und von vorne zu beginnen und beseitigt das Damoklesschwert der ausbleibenden Ausgleichszahlungen wenn die Selbständigkeit nicht gleich am Anfang entsprechende Gewinne abwirft. Zumindest in der Phase des Insolvenzverfahrens ist man je nach Gestaltung des Business geschützt und natürlich auch wenn der Insolvenzverwalter das mögliche pfändbare Einkommen aus einem möglichen abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu hoch bewertet.

Auf der anderen Seite kann der Selbständige durchaus auch während des Insolvenzverfahrens von höheren Einkünften profitieren, da ein übersteigendes Einkommen beim Schuldner verbleiben kann. Diese Auffassung war bisher umstritten, wurde in dem obigen Urteil durch den BGH aber letztlich so bestätigt.
« Letzte Änderung: 20. Oktober 2013, 00:27:25 von tomwr »
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tomwr

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #83 am: 20. Oktober 2013, 00:57:17 »

Der Vollständigkeit halber hier noch das Urteil vom Brandenburgischen OLG.

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 17.04.2013; 7 U 77/12
http://openjur.de/u/632856.html

Ein IV hat einen Schuldner auf Zahlung der Ausgleichsbeträge nach §35 II InsO verklagt, hilfsweise zur Nachzahlung am Ende der WVP. Das Berufungsgericht hat die Klage zurückgewiesen und keinen einklagbaren Zahlungsanspruch des IV anerkannt und lediglich die Sanktionsmöglichkeiten in Form der Versagung der RSB als mögliche Rechtsfolge bei Nichtzahlung der Beträge anerkannt.

Zitat
...
§ 295 Abs. 2 InsO begründet keinen Anspruch gegen den Schuldner, sondern nach seinem Wortlaut eine Obliegenheit des Schuldners. Die entsprechende Anwendung dieser Bestimmung im Rahmen des Insolvenzverfahrens führt nicht zur Umwandlung der Obliegenheit in einen Anspruch der Insolvenzgläubiger. Sie erstreckt lediglich die Obliegenheit zur Abführung von Zahlungen auf der Grundlage eines Einkommens aus angemessenem Dienstverhältnis gegenüber dem Treuhänder im Rahmen des Verfahrens zur Restschuldbefreiung auf eine entsprechende Obliegenheit gegenüber dem Insolvenzverwalter bei fortdauerndem Insolvenzverfahren. Die auf diese Weise gegenüber dem Insolvenzverwalter vom Schuldner zu erfüllende Obliegenheit führt daher nicht zu einem einklagbaren Zahlungsanspruch des Insolvenzverwalters.
...

Die Revision gegen das Urteil wurde zugelassen, ob der BGH das genauso sieht bleibt wohl ggf. noch abzuwarten. Sofern die Zahlungen aufgrund mangelnder Erträge ausbleiben dürfte die Klage auf Zahlung ebenso nicht erfolgversprechend sein. Sollten entsprechende Erträge erwirtschaftet worden sein, ist der Verlust der RSB allerdings Anlass genug den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Insofern mutet der Rechtsstreit eher akademisch an.

« Letzte Änderung: 20. Oktober 2013, 00:59:00 von tomwr »
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Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #84 am: 20. Oktober 2013, 12:06:51 »


1.
Nein, das ist nicht akademisch. Erst einmal kann nur ein Gläubiger einen Versagungsantrag stellen, nicht der IV. Die Gläubiger sind auch nicht verpflichtet, Versagungsanträge zu stellen. Hingegen muss andererseits der Schuldner an die Masse zahlen, was zur Masse gehört.

Folgendes noch zu dem OLG:
Das OLG-Urteil ist zeitlich vor dem BGH-Beschluss ergangen. Das OLG war noch der Meinung, dass wegen der Nichtzahlung der nach §§ 35, 295 InsO abzuführenden Beträge die RSB nach § 296 zu versagen wäre. Das ist falsch, weil § 296 im lfd. Verfahren keine Anwendung finden kann. Dementsprechend hat der BGH die Versagung der RSB nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO geprüft. Dies wird auch zukünftig der Ansatzpunkt sein.

Zitat aus dem BGH-Beschluss:
Hierbei handelt es sich im Gegensatz zur Wohlverhaltensphase nicht um Obliegenheiten, sondern um im Insolvenzverfahren zu beachtende Mitwirkungspflichten des Schuldners, deren grobfahrlässige oder vorsätzliche Verletzung unmittelbar den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO eröffnen (vgl. Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO Rn. 163; FK-InsO/Bornemann, 7. Aufl., § 35 Rn. 24a; D. Fischer in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO, § 290 Rn. 62; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 35 Rn. 105; HmbKomm- InsO/Lüdtke, aaO). Eine entsprechende Anwendung des andersartigen Versagungsverfahrens nach § 296 InsO scheidet daher bereits aus systematischen Gründen aus (Ahrens, NJW-Spezial 2013, 85, 86; aA Grote, ZInsO 2011, 1489, 1493 f). Zu den vom Schuldner nach § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO zu beachtenden Pflichten gehört insbesondere, die nach § 295 Abs. 2 InsO maßgeblichen Beträge an den Insolvenzverwalter abzuführen. Hierbei handelt es sich um eine eigenständige Abführungspflicht, auf deren Einhaltung der Insolvenzverwalter einen unmittelbaren Anspruch hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011, aaO Rn. 9) und die im Regelfall eine jährliche Zahlung gebietet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012, aaO Rn. 14). Im Zusammenhang mit der Abführungspflicht aus § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO ist der Schuldner gegenüber dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht auch auskunftspflichtig. Insbesondere hat der Schuldner die für die Ermittlung des fiktiven Maßstabs notwendigen Angaben gegenüber dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter zu machen, aus denen sich die ihm mögliche abhängige Tätigkeit und das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ableiten lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2009 - IX ZB 116/08, ZInsO 2009, 1268 Rn. 9; vom 26. Februar 2013, aaO Rn. 9).

Ergebnis:
Es macht keinen Sinn, dem IV einen Anspruch zuzuweisen, wenn er nicht gegen den Schuldner vollstreckt werden kann.


2.
Zitat
Wenn man das Urteil als Ganzes betrachtet kommt man aber zu dem Schluss, dass hier der pfändbare Betrag aus der selbständigen Tätigkeit gemeint sein muss. Anders herum macht es wenig Sinn. Auch ist besonders, dass das Gericht sich unter (2) auf den Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit und unter (3) auf das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit bezieht.

Eben nicht! Das kann nur falsch sein. Sowohl aus rechtlicher wie auch aus grammatikalischer Sicht. Es geht hier um die Abführungspflicht aus § 295 Abs. 2 bei freigegebener selbständiger Tätigkeit. Damit kann sich „diese Tätigkeit“ natürlich nur auf das fiktive Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit beziehen. Auf eine andere Idee kann man eigentlich nicht kommen, weil es aus der Systematik heraus nicht anders sein kann. So steht es deutlich in § 295 Abs. 2 InsO.

Liest man den Beschluss gänzlich aufmerksam durch, wird das nachvollziehbar. Denn der BGH hat an anderen Stellen erklärt:
Maßstab ist aber das nach § 295 Abs. 2 InsO zu bestimmende fiktive Nettoeinkommen.
Daher bilden die Einkünfte einer unselbständigen und nicht der tatsächlich ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit die Bemessungsgrundlage für die nach § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO zugunsten der Masse abzuführenden Zahlungen (BGH, Urteil vom 18. April 2013, aaO).

Der BGH hätte sich sonst die seitenlangen Ausführungen dazu sparen können und es wäre widersprüchlich.




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Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #85 am: 20. Oktober 2013, 14:55:13 »

Leitsatz a) des BGH-Beschlusses...

Der eine Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner ist bei mangelndem wirtschaftlichem Erfolg seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.

...wird sich wohl schnell erledigt haben, wenn im kommenden Jahr nach neuem Insolvenzrecht die Erwerbsobliegenheit bereits ab Verfahrenseröffnung gilt.
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tomwr

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #86 am: 20. Oktober 2013, 18:36:37 »


Liest man den Beschluss gänzlich aufmerksam durch, wird das nachvollziehbar. Denn der BGH hat an anderen Stellen erklärt:
Maßstab ist aber das nach § 295 Abs. 2 InsO zu bestimmende fiktive Nettoeinkommen.
Daher bilden die Einkünfte einer unselbständigen und nicht der tatsächlich ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit die Bemessungsgrundlage für die nach § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO zugunsten der Masse abzuführenden Zahlungen (BGH, Urteil vom 18. April 2013, aaO).

Das ist zwar der Maßstab, der kann aber nur gelten, wenn der Schuldner entsprechende Einkünfte hat. Denn wo soll denn das Geld herkommen ? Letztlich muss man hier auch die Pfändungsrichtlinien einhalten, die auch für Selbständige gelten. Je nach Gestaltung sind teilweise spezielle Anträge notwendig bei nicht wiederkehrenden Einkünften (§850i ZPO), wiederkehrende Einkünfte aus persönlichen Dienstleistungen sind bereits durch §850 II geschützt. Dann ist zum Einen keine schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflichten des Schuldners festzustellen und selbstverständlich kann der Insolvenzverwalter in die pfändungsfreien Einkünfte nicht vollstrecken.

Man darf halt auch nicht vergessen, dass der IV die Freigabe nach eigenem Ermessen wählt um die Insolvenzmasse zu schützen, nicht um sie zu mehren. Das mag vielleicht ein Nebeneffekt durch die Ausgleichszahlungen sein, ist aber nicht der gesetzliche Grund für die Freigabe und kann nicht das Leitmotiv des IV sein.
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tomwr

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #87 am: 20. Oktober 2013, 18:38:13 »

...wird sich wohl schnell erledigt haben, wenn im kommenden Jahr nach neuem Insolvenzrecht die Erwerbsobliegenheit bereits ab Verfahrenseröffnung gilt.

Ja aber auch nur für neue Verfahren, die ab dem neuen Insolvenzrecht eröffnet werden. Für alte Verfahren gilt nach wie vor das alte Recht, so dass diese These die Schuldner noch mehrere Jahre begleiten bzw. die Klarstellung in diesem Punkt wichtig sein wird. Bei mir hat das Insolvenzverfahren immerhin 3 Jahre gedauert.
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tomwr

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #88 am: 20. Oktober 2013, 19:29:38 »

Ergebnis:
Es macht keinen Sinn, dem IV einen Anspruch zuzuweisen, wenn er nicht gegen den Schuldner vollstreckt werden kann.

Das würde ich so nicht sagen. Im Wesentlichen hat der BGH festgelegt, dass es hier zunächst um Mitwirkungspflichten nach §290 Abs.1 Nr.5 handelt, der Schuldner zunächst mal seine RSB riskiert. Natürlich auch nur wenn er die Mitwirkungspflichten schuldhaft verletzt.

Der BGH hat in dem genannten Urteil aber genauso festgestellt, dass nur etwas abgeführt werden muss, wenn auch ein entsprechender Gewinn vorhanden ist. Also weder die Freigabe noch die Ausübung der Tätigkeit an sich führen automatisch zu einem Zahlungsanspruch:

Zitat
Rz 11)
c) Zutreffend ist eine vermittelnde Ansicht. Der Schuldner muss nur dann etwas abführen, wenn er tatsächlich Gewinn aus seiner selbständigen Tätigkeit erzielt hat. Die Abführungspflicht ist aber der Höhe nach beschränkt gemäß dem Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO.

Rz 16)
cc) Im Hinblick auf die fehlende Erwerbsverpflichtung kann zwar die Grundlage der nach § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO abzuführenden Beträge nur der von dem Schuldner aus der selbständigen Tätigkeit erzielte Gewinn sein; Maßstab ist aber das nach § 295 Abs. 2 InsO zu bestimmende fiktive Nettoeinkommen.

Hier hat der BGH auch nochmal differenziert zwischen der Grundlage einer solchen Zahlung (der erzielte Gewinn) und dem Maßstab der Zahlung (das fiktive Nettoeinkommen). Insofern liegt klar auf der Hand, ohne Grundlage kann der Maßstab nicht angewendet werden. Das heißt im Umkehrschluss, es besteht nur ein (ggf. einklagbarer) Zahlungsanspruch wenn der Schuldner aus seiner Tätigkeit Gewinn erzielt hat.

Besondere Problematik sehe ich aber bei den Ausführungen unter Rz. 21:

Zitat
(2) Liegt der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit unterhalb des pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit, besteht keine Abführungspflicht.

Warum nicht und was will uns der Gesetzgeber damit genau sagen ? Also keine Abführungspflicht heißt auch keine teilweise Abführungspflicht. Je höher die Ausgleichszahlung festgelegt wird, umso größer ist die Chance für den Schuldner auch ganz ohne Zahlung davon zu kommen.

Angenommen die Ausgleichszahlung würde auf EUR 300,00 im Monat festgesetzt, müsste der Schuldner bei einem monatlichen Gewinn unter EUR 300,00 nichts abführen. Angenommen der IV käme auf ein mögliches oder wahrscheinliches fiktives Einkommen von EUR 2.500 netto so könnte der Schuldner einen monatlichen Gewinn bis etwa EUR 1.000 im Monat behalten ohne Etwas abführen zu müssen.

Auch wurde bisher überhaupt nichts über Zusammenrechnung zwischen Ausgleichszahlung und tatsächlichen Pfändungsbeträgen bei z.B. nebenberuflicher Selbständigkeit vom BGH festgestellt. Was zum Beispiel, wenn der Schuldner zunächst eine selbständige Tätigkeit ausübt, dann den Umfang der Tätigkeit einschränkt bis zur Höhe der vorher festgelegten Ausgleichszahlung und noch eine TZ Beschäftigung eingeht, aus der er gerade mal ein unpfändbares Einkommen bezieht ? So kann der Schuldner locker auf EUR 2.000 netto als Single kommen ohne etwas abführen zu müssen.

Und die Höhe der Ausgleichszahlung soll auf Angaben des Schuldners zu einer ihm möglichen Beschäftigung beruhen - was wenn der Schuldner glaubhaft macht, er könne ein Dienstverhältnis als Geschäftsführer eingehen (weil er z.B. früher mal Geschäftsführer war) und nur keine Lust hat ein solches Dienstverhältnis einzugehen weil er nicht muss. Müsste dann die Höhe der Ausgleichszahlung nicht auf Basis der Angaben des Schuldners festgelegt werden ?

Meiner Meinung nach ist das Urteil in einigen Punkten unpräzise bis widersprüchlich bzw. läßt zu viel Interpretationsspielraum zu und wird sicher noch in den nächsten sechs bis zwölf Monaten durch weitere Urteile präziser abgefasst. Genügend Verfahren in dieser Richtung dürften wohl noch anhängig sein. Neue Gesetzgebung hin oder her.

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Insokalle

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #89 am: 21. Oktober 2013, 18:49:18 »

Es ist nicht Aufgabe des BGH, Patentlösungen für alle erdenklichen Fallvarianten zu präsentieren. Sicherlich kann es daher in anderen Fällen zu rechtlichen Streitigkeiten kommen. Nur wird davon beim BGH nicht viel ankommen und die Entscheidungen der unteren Instanzen werden längst nicht alle veröffentlicht.
Außerdem bin ich sicher, dass einige der Entscheidungen anders ausfallen werden als einige der geäußerten Vermutungen.

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tomwr

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #90 am: 23. Oktober 2013, 15:10:33 »

Es ist nicht Aufgabe des BGH, Patentlösungen für alle erdenklichen Fallvarianten zu präsentieren.

Es müssen gar nicht alle erdenklichen Fallvarianten durchdacht werden sondern eher mal die wichtigsten.
Im Grunde gibt es 2 Standardfälle bei Ausübung der selbständigen Tätigkeit:

Die erzielten Einnahme/Gewinne übersteigen das fiktive Einkommen - hier wurde ja eine plausible Lösung festgelegt, nämlich dass nur die Pfändungsbeträge aus dem fiktiven Einkommen abzuführen sind und (oh Wunder) in diesem Fall noch nicht einmal Rechenschaft über die selbständige Tätigkeit abgelegt werden muss. Wenngleich das mit der Rechenschaft in der Praxis aufgrund der Rechte des IV schwierig zu handhaben sein dürfte. Nur sollte man nicht vergessen, dass diese Lösung keineswegs selbstverständlich sondern eine höchst umstrittene Fragestellung unter Insolvenzexperten war. Aus diesem Grund hat das Gericht ja auch zum Ausdruck gebracht, dass weder die eine noch die andere Rechtsposition gänzlich richtig oder falsch ist und eine "vermittelnde Ansicht" formuliert.

Der andere Fall, das Einkommen aus der Selbständigkeit liegt unter dem fiktiven Einkommen wurde etwas kryptisch beantwortet. Meiner Meinung nach war da in den Köpfen der Richter mehr als dann tatsächlich ins Urteil geflossen ist. Dass die Richter die Pfändungsrichtlinien bei der Urteilsfindung im Kopf hatten, findet sich in einem Satz unter Rz. 17 des Urteils:

Zitat
Rz. 17
(1) Die Vorschrift des § 295 Abs. 2 InsO löst die zu berücksichtigenden Erträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit des Schuldners. Das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ist dabei aus ei-nem angemessenen Dienstverhältnis zu berechnen. Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 5. April 2006 - IX ZB 50/05, NZI 2006, 413 Rn. 13; vom 19. Mai 2011, aaO Rn. 6; vom 17. Januar 2013 - IX ZB 98/11, WM 2013, 380 Rn. 10; vom 26. Februar 2013 - IX ZB 165/11, WM 2013, 579 Rn. 7; vgl. auch Urteil vom 18. April 2013 - IX ZR 165/12, WM 2013, 1129 Rn. 14). Zur inhaltlichen Bestimmung der vom Gesetzgeber ausdrücklich als Abführungspflicht (BT-Drucks. 16/3227 S. 17; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011 - IX ZB 175/10, ZVI 2011, 448 Rn. 9) be-zeichneten Zahlungsverbindlichkeit des Schuldners während des vorausgehen-den Insolvenzverfahrens kann deshalb auch nicht auf dessen tatsächlich erzieltes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit abgestellt werden. Müsste der Schuldner das gesamte pfändbare Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit an den Insolvenzverwalter abführen, könnten die mit der Freigaberegelung des § 35 Abs. 2 InsO verbundenen Ziele nicht wirksam erreicht werden.

Im letzten Satz wird ausdrücklich auf das "pfändbare Einkommen" aus der selbständigen Tätigkeit Bezug genommen. Insofern lehne ich mich sicher nicht zu weit aus dem Fenster wenn ich behaupte, dass bei den Abführungspflichten die Pfändungsfreigrenzen zu berücksichtigen sind auch wenn das in den Leitsätzen nicht so detailliert zum Ausdruck gekommen ist.

Warten wir daher mal weitere Urteile ab, im Übrigen gibt es dazu sicherlich genügend anhängige Verfahren. Man darf halt nicht vergessen, dass §35 II erst Mitte 2007 Rechtskraft erlangt hat und typische Insolvenzverfahren von Selbständigen aufgrund komplexer Vermögenssituationen in der Regel länger laufen (zwei, drei oder auch mehr Jahre) und es auch um die 2 bis 3 Jahre dauert, bis ein entsprechendes Verfahren beim BGH verhandelt wird. Somit sind wir hier in 2013 meiner Meinung nach noch ziemlich am Anfang der Rechtsprechung zu §35 II InsO. Sicherlich ist es schwieriger nach Abschaffung der "allgemeinen Rechtsbeschwerde nach §7 InsO" die Zulassung beim BGH künftig zu erreichen, auf der anderen Seite kann natürlich jeder Richter die Rechtsbeschwerde in seinem Urteil zulassen. Und nicht alle Richter sind auf der "Mollath"-Spur und durchaus bereit entsprechende Fragen ggf. auch höchstrichterlich klären zu lassen.

Also abwarten - ich sage da kommt noch was.



Bei der Gelegenheit hier noch eine einigermaßen aktuelle Zusammenfassung der Rechtslage zu §290 InsO (Versagung der RSB im Insolvenzverfahren) mit Anführung von Referenzurteilen für Interessierte:

Vortrag am 18.04.2012, Institut für Insolvenzrecht e.V.
RA/ FA InsR Jens Wilhelm, Hannover
http://www.institut-insolvenzrecht.de/pdf/20120418.pdf
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tomwr

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #91 am: 26. April 2014, 01:39:24 »

Eben nicht! Das kann nur falsch sein. Sowohl aus rechtlicher wie auch aus grammatikalischer Sicht. Es geht hier um die Abführungspflicht aus § 295 Abs. 2 bei freigegebener selbständiger Tätigkeit. Damit kann sich „diese Tätigkeit“ natürlich nur auf das fiktive Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit beziehen. Auf eine andere Idee kann man eigentlich nicht kommen, weil es aus der Systematik heraus nicht anders sein kann. So steht es deutlich in § 295 Abs. 2 InsO.

Liest man den Beschluss gänzlich aufmerksam durch, wird das nachvollziehbar. Denn der BGH hat an anderen Stellen erklärt:
Maßstab ist aber das nach § 295 Abs. 2 InsO zu bestimmende fiktive Nettoeinkommen.
Daher bilden die Einkünfte einer unselbständigen und nicht der tatsächlich ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit die Bemessungsgrundlage für die nach § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO zugunsten der Masse abzuführenden Zahlungen (BGH, Urteil vom 18. April 2013, aaO).

Der BGH hätte sich sonst die seitenlangen Ausführungen dazu sparen können und es wäre widersprüchlich.

Ich habe ja im Posting oben angedeutet, dass da noch was kommt.  :whistle:

Na habe ich doch Recht behalten mit der Ansicht, dass bei Freigabe der selbständigen Tätigkeit zwar im Rahmen des fiktiven Einkommens nach §295 Abs.2 abzuführen ist, jedoch nur wenn auch ein tatsächlicher Gewinn erzielt worden ist. Liegt der Gewinn unterhalb der Pfändungsfreigrenzen einer möglichen abhängigen Beschäftigung des Schuldners, braucht dieser nichts abzuführen. Die Pfändungsfreigrenzen gelten also freilich und nochmals vom BGH klargestellt auch für selbständige Schuldner !

Also de facto gilt:

Wurde die selbständige Tätigkeit nach §35 Abs.2 InsO freigegeben gibt es 2 Fallunterscheidungen.

I - Führt der Schuldner die geforderten Ausgleichszahlungen an den IV ab, ist die Abführung der Höhe nach auf diese Summe begrenzt. Ein etwaiger höherer Gewinn kann der Schuldner behalten und er ist aufgrund der Freigabe weder verpflichtet den Überschuss an die Insolvenzmasse abzuführen noch Auskünfte über die Höhe des Gewinns zu erteilen.

II - Erzielt der Schuldner einen geringeren Gewinn, so ist die Abführung auch bei einem höher festgelegten fiktiven Einkommen auf den tatsächlichen Gewinn unter Einhaltung des Pfändungsfreibetrages laut Pfändungstabelle begrenzt. Denn natürlich kann sich der Schuldner das Geld weder schnitzen noch können aus der "Abführungspflicht" Zahlungsverpflichtungen unter Umgehung der Pfändungsschutzregeln entstehen. Freilich ist in diesen Fällen der Schuldner Auskunfts- und Darlegungspflichtig.

III - Besteht Streit über die Höhe des fiktiven Nettoeinkommens so hat der IV das ordentlich Prozessgericht anzurufen. Das Insolvenzgericht ist in diesen Fällen nicht zuständig.



BGH, Urteil vom 13. März 2014 - IX ZR 43/12 - OLG Koblenz - LG Koblenz
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=67427

Zitat
Auszug:
Rz 21
1. Der Schuldner ist nur dann verpflichtet, nach § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO etwas an die Insolvenzmasse abzuführen, wenn er tatsächlich ei-nen Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit erzielt hat, der den unpfändbaren Betrag bei unselbständiger Tätigkeit übersteigt. Die Abführungspflicht ist zudem nach dem Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO der Höhe nach beschränkt auf den pfändbaren Betrag, den er bei unselbständiger Tätigkeit erzielen würde.
...
Rz 25
3. Liegt der tatsächliche Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit im frag-lichen Zeitraum unterhalb des pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit, besteht, wie dargelegt, keine Abführungspflicht. Außerhalb des Rechtsstreits ist der Schuldner in diesem Falle hinsichtlich seiner Gewinnermittlung dem Verwal-ter umfassend auskunftspflichtig (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2013, aaO Rn. 21). Im Streitverfahren trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast, dass sein Gewinn unterhalb des ermittelten pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit bleibt und er deshalb von der Abführungspflicht entsprechend § 295 Abs. 2 In-sO befreit ist.
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eidechse

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #92 am: 29. April 2014, 12:07:57 »

Ein kleiner Hinweis zur zukünftigen Rechtslage. Da für ab dem 01.07.2014 beantragte Insolvenzverfahren (nachfolgend Neufälle) auch im Insolvenzverfahren die Verpflichtung zur Ausübung einer angemessenen Erwerbsttägtigkeit gelten wird, dürfte fraglich sein, ob der BGH für Neufälle, diese Rechtsprechung aufrecht erhält.
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tomwr

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #93 am: 29. April 2014, 21:41:07 »

Ja das ist schon richtig, dass ab 01.07.2014 die Erwerbsobliegenheit auch schon im Insolvenzverfahren gilt. Aber nur für neue Insolvenzen und da Insolvenzverfahren mitunter recht lange laufen, werden durchaus noch viele Schuldner lange Zeit nach altem Recht ihr Verfahren bestreiten - mitunter laufen Regelinsolvenzverfahren in Einzelfällen auch länger als 6 Jahre so dass der Schuldner gezwungen ist, die vorzeitige Erteilung der RSB zu beantragen nach Ablauf der Abtretungserklärung.

Das ändert aber zunächst mal nichts an der Abführungspflicht bzw. Begrenzung der Abführung auf die Einkünfte über den Pfändungsfreigrenzen bzw. maximal die pfändbaren Beträge aus einer möglichen abhängigen Tätigkeit. Letztlich wird der IV in aller Regel in Verbindung mit der Freigabeerklärung die Höhe der abzuführenden Beträge meist festlegen auf seiner eigenen Einschätzung. Auch wenn das nicht rechtlich bindend ist und im Falle eines Falles ggf. bei einem Versagungsantrag geprüft wird, bildet es doch in den meisten Fällen erstmal einen grundsätzlichen Maßstab, an dem sich auch das Gericht erstmal orientieren wird.

Die Erwerbsobliegenheit im Insolvenzverfahren wird darauf hinauslaufen, dass man sich ggf. zusätzlich zu einer selbständigen Tätigkeit um eine Anstellung bemühen muss, wenn die Erträge daraus nicht reichen. Als Obliegenheit ist daran aber nur die Erteilung der RSB gekoppelt, so wie in der WVP auch. Es ist also ein Versagungsantrag eines Gläubigers zu stellen und dieser muss ggf. auch mögliche höhere Einkünfte des Schuldners glaubhaft machen - der Schuldner kann seine Bemühungen in Form von konkreten Bewerbungen dagegen halten und dann hat das Gericht im Falle des Falles zu entscheiden. (§290 i.V.m. §287b InsO)

Und auch muss hier die Rechtsprechung nicht erweitert werden oder der BGH seine Einstellung neu überdenken, da auch ihm die Neuregelung bekannt ist und in dem Urteil auch am Rande thematisiert wird.
« Letzte Änderung: 29. April 2014, 21:42:54 von tomwr »
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Sannypless

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...wird sich wohl schnell erledigt haben, wenn im kommenden Jahr nach neuem Insolvenzrecht die Erwerbsobliegenheit bereits ab Verfahrenseröffnung gilt.

Ja aber auch nur für neue Verfahren, die ab dem neuen Insolvenzrecht eröffnet werden. Für alte Verfahren gilt nach wie vor das alte Recht, so dass diese These die Schuldner noch mehrere Jahre begleiten bzw. die Klarstellung in diesem Punkt wichtig sein wird. Bei mir hat das Insolvenzverfahren immerhin 3 Jahre gedauert.

ich bin auch selbstständig zwar nur im Kleingewerbebereich , dass mir mein IV damals freigegeben hat.
Aufgrund dessen dass ich großteil meiner Inso Hausfrau war habe ich damals nur ein Kleingewerbe mit dem zuständigem Amtsgericht abgesprochen.

Seit meiner Scheidung erreichen mich derzeit noch ordentliche Nachzahlungen die ich noch abstottern darf.
Berufstätig bin ich derzeit auch als selbstständige, aber die Einnahmen beruhen sich im Rahmen von 17000 euro einnahmen im Jahr.

Hat mir jemand einen Tip wie ich diesbezüglich die "mööööglichen  :whistle: " pfändbaren Beträge abführen sollte ?
Meinen Inso wurde 2010 eröffnet und solangsam laufe ich sicher auf die Endphase zu.....noch knapp 2 Jahre  :hi:
Würde ich die Gleichstellung machen würde ich einen Bruttolohn von 2013 mit 1949,20 Euro mit Lohnsteuerklasse 1 dagegenrechnen.

Jedoch sind meine tatsächlichen Einnahmen nur ansatzweiße an die fiktiven Einnahmen, wie als wäre ich in meinem erlernten Beruf.

wer hat mir hier infos??
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Insoman

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@Sannypless

Sie sollten die vorherigen Ausführungen sehr aufmerksam durchlesen, dann wissen Sie, wie Sie sich zu verhalten haben.

Wenn Sie etwas nicht verstehen, können Sie nochmal nachfragen...
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...wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt...
 

tomwr


@Sannypless

Wie ist denn der Verfahrensstand ?
Was steht in der Freigabeerklärung ?
Hat der Insolvenzverwalter keine Ausgleichszahlungen gefordert ?
Ist es eine selbständige Nebentätigkeit oder eine Haupttätigkeit ?
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Sannypless

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Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #97 am: 11. Juni 2014, 18:40:47 »

@Sannypless

Wie ist denn der Verfahrensstand ? WFP
Was steht in der Freigabeerklärung ? Standarttext, dass die selbstständigkeit freigegeben wird , nicht zur Insolvenzmasse gezogen wird .
Hat der Insolvenzverwalter keine Ausgleichszahlungen gefordert ? Nein
Ist es eine selbständige Nebentätigkeit oder eine Haupttätigkeit ?  selbstständige Nebentätigkeit nach § 19 UST
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tomwr

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #98 am: 12. Juni 2014, 18:59:34 »

Im Grunde ist die Antwort einfach.
Die Freigabeerklärung gilt nur für das laufende Insolvenzverfahren, nicht mehr für die WVP.
Denn der Insolvenzbeschlag ist ja aufgehoben.
Im Grunde darf man jeder beliebigen Tätigkeit nachgehen auch in beliebigem Umfang, wenn sowas eingeschränkt wurde auf eine bestimmte, näher bezeichnete Tätigkeit.

In der WVP gilt nur §295 II InsO.
Man muss einer abhängigen Beschäftigung nachgehen oder wenn man selbständig ist, die Gläubiger nicht schlechter stellen als wenn man abhängig beschäftigt wäre. Sofern man am Arbeitsmarkt überhaupt keine Chancen hat, braucht man auch keine Beträge an die Gläubiger abzuführen - im Zweifel hat man das aber vor dem Insolvenzgericht bei Prüfung eines eventuellen Versagungsantrag glaubhaft zu machen.

Wenn sich kein Schwein (im Sinne von Gläubiger  :wink: ) für das Verfahren interessiert, wird wahrscheinlich auch keiner einen Versagungsantrag stellen. Das Risiko muss man aber selbst abschätzen. Im Zweifel hilft der Nachweis mit vergeblichen Bewerbungen und Absagen über einen repräsentativen Zeitraum. Die WVP durchläuft der Schuldner sozusagen wieder in Eigenverantwortung - in jeglicher Hinsicht.
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Insokalle

Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
« Antwort #99 am: 13. Juni 2014, 10:50:43 »

Zitat
Sofern man am Arbeitsmarkt überhaupt keine Chancen hat, braucht man auch keine Beträge an die Gläubiger abzuführen

In Bezug auf Selbständigkeit? Wo haben Sie denn das schon wieder her? Der BGH hat das Gegenteil entschieden. Wer selbständig ist, muss die Beträge nach § 295 Abs. 2 InsO abführen. Ausnahme s.o.

§ 19 UStG sagt nichts darüber aus, ob es eine Nebentätigkeit ist, sondern beschreibt ein Kleingewerbe im umsatzsteuerlichen Sinn, das man auch hauptberuflich machen kann. Insgesamt fehlen mir einige weitere Infos.

Es wäre sinnvoll gewesen, ein neues Thema für die Frage zu eröffnen, als dies in dieses mittlerweile unübersichtliche Chaos hier auch noch rein zu wursteln.



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