Schulden und Insolvenz Hilfe Forum

Schulden => Das (Verbraucher-) Insolvenzverfahren => Thema gestartet von: tomwr am 10. November 2010, 00:18:16

Titel: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 10. November 2010, 00:18:16
Ein paar Verständnisfragen zum Thema Freigabe der selbständigen Tätigkeit
Habe in der Suchfunktion nichts Passendes gefunden, denke aber der Beitrag wird bei einigen Membern auf Interesse stoßen.


Mein IV hat kürzlich mit mir Kontakt aufgenommen und die Möglichkeit der Freigabe meiner selbständigen Tätigkeit angesprochen. Dadurch würde er einen Abführungsbetrag mit mir vereinbaren. Er stellt sich einen Betrag von ca. 1000 EUR im Monat vor, als Annahme für ein fiktives Einkommen von 4000 EUR im Monat.  :mad2:
Ich solle mir mal Gedanken darüber machen welche Möglichkeiten ich habe und ihm das darlegen und einen Abführungsbetrag berechnen und begründen bzw. belegen.

1. Ist es richtig, dass die Freigabe der selbständigen Tätigkeit für alle Einkünfte daraus gilt (natürlich auch nicht für Verbindlichkeiten aufgekommen wird) ? In einigen Beiträgen im Internet liest man von einer strikten Zweiteilung des Verfahrens, als im laufenden Verfahren würden die vollen Einkünfte zur Insolvenzmasse gehören und ein Abführungsbetrag wäre erst in der WVP zulässig. Auf der anderen Seite scheint es eine Gesetzesänderung 2006/2007 gegeben zu haben, wonach eine komplette Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach §35 Abs.2 InsO durch den IV möglich ist. Ist das die aktuelle Regelung ???

2. Da der IV zu einer Freigabe nicht verpflichtet ist, muss man sich wohl oder übel mit ihm darüber einigen. Sehe ich das richtig ? Also muss man ihm wohl auch einen Betrag anbieten.

3. Da ich geschildert habe, dass meine Selbständigkeit bisher auf Sparflamme lief da ich auf eine klar Rechtslage gewartet habe, also Eröffnung des Verfahrens, habe ich nun natürlich das Geschäft erstmal wieder aufzubauen. D.h. ich kann derzeit nur einen Betrag von EUR 250 im Monat abführen, was einem Pfändungbetrag entspricht wenn man eine Arbeitsstelle mit EUR 2000 brutto im Monat hat.
Außerdem ist ja zu berücksichtigen, dass man am Anfang erstmal nichts hat und eben Anlaufschwierigkeiten da sind.

4. Da bei mir auch noch Lohnabtretungen durch Gläubiger vorliegen, würden die bei einer Festanstellung für die ersten 2 Jahre doch durchaus greifen. D.h. die Gläubiger sehen da erstmal nichts. Wäre ja ein weiteres Argument für die Freigabe, oder ?

5. Kann man in der Freigabeerklärung auch die abzuführenden Beträge staffeln ? Also im ersten Jahr ... und im zweiten Jahr ...

6. Muss der Zeitpunkt der Abführung zwingend monatlich sein ? Wäre es nicht besser einen Betrag festzulegen, der am Jahresende abgeführt wird ? Da Einkünfte ja durchaus unregelmäßig.

7. Beschränkt sich eine solche Freigabeerklärung und deren Wirkungen automatisch auf die Dauer des Insolvenverfahrens, also nur bis Aufhebung des Insolvenzverfahrens ? Danach greifen ja die Obliegenheiten.

8. Mein IV meinte ich müsse im eigenen Interesse einen "angemessenen" Betrag an ihn abführen da ich sonst die Restschuldbefreiung durch Versagungsanträge riskiere. Angeblich lägen ihm da auch schon Informationen von Gläubigern vor, die einen solchen Antrag stellen wollen. Da Versagensanträge wegen zu niedriger Abführung an die Gläubiger nur wegen Verstoß gegen Obliegenheiten nach §295 gestellt werden können, betreffen diese Anträge doch nur die WVP aber nicht das Insolvenzverfahren. Sehe ich das richtig ? Alles nur Bluff ?

9. Bin ich dem IV gegenüber Rechenschaftspflichtig, was ich in früheren Festanstellungen verdient habe ? Das wollte er auch noch als Vergleich haben. Ich bin ca. 6 Jaher aus einem früheren Beruf raus, habe zwischenzeitlich was Anderes gemacht (Selbständigkeit). Da ist es sowieso nicht so einfach was Neues dann zu finden da ich in der IT Branche tätig war, die einem stetigen Wandel unterliegt.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Leopold Bloom am 10. November 2010, 08:57:41
Da Versagensanträge wegen zu niedriger Abführung an die Gläubiger nur wegen Verstoß gegen Obliegenheiten nach §295 gestellt werden können, betreffen diese Anträge doch nur die WVP aber nicht das Insolvenzverfahren. Sehe ich das richtig ? Alles nur Bluff ?
vermutlich
Hast du die Unterlagen aus deine früheren Arbeitsverhältnissen überhaupt noch?
Du bis als AN nicht verpflichtet, diese Länger als 2 Jahre aufzubewahren.
Außerdem ist das sowieso belanglos, was du mal verdient hattest.
Maßgeblich ist allein, was du unter den gegenwärtigen Marktbedingungen verdienen könntest.
Das ist wohl immer ein wenig Verhandlungssache.
Auch aus diesem Grund bin ich recht glücklich über meinen gegenwärtigen Arbeitsvertrag, weil da eine genaue Summe darinsteht, was ich derzeit verdienen kann.
Tipp:
Warum setzt du nicht eine Stellenannonce und schreibst direkt deine Gehaltsvorstellungen rein. Das, was der IV meint, was du verdienen könntest.
Aus der Reaktion hast du mit Sicherheit gute Argumente für Verhandlungen mit dem IV.
9. Bin ich dem IV gegenüber Rechenschaftspflichtig, was ich in früheren Festanstellungen verdient habe ? Das wollte er auch noch als Vergleich haben. Ich bin ca. 6 Jaher aus einem früheren Beruf raus, habe zwischenzeitlich was Anderes gemacht (Selbständigkeit). Da ist es sowieso nicht so einfach was Neues dann zu finden da ich in der IT Branche tätig war, die einem stetigen Wandel unterliegt.
Warum hast du den IV in dem Gespräch nicht angeboten, freundlich und höflich,  der Einfachheit halber die 1.000 Euro mtl. direkt von der Arge einzuziehen?
Das heißt, du nimmst 1.000 Euro keineswegs in den Mund, sondern sagst ihm ganz einfach, er solle den pfändbaren Betrag deiner HzL direkt bei der Arge einziehen.
Das dürfte ihn auf den Boden der Tatsachen runterbringen.
So hab ichs gemacht.
Jeder Euro, den du dem IV bezahlst, ist freiwillig und reiner Goodwill deinerseits, so lange du Leistungen aus dem ALG II beziehst

hier ein Beitrag von @Deagle zu dem Thema Friegabe:
es gibt keinen §§ der die Freigabe eines Betriebes regelt.

schicke dem TH deine "UNSORTIERTEN" Steuerunterlagen und bitte um erledigung der Umsatzsteuervoranmeldung, bzw Einkommensteuererklärung!

Im nächsten Schreiben bittest Du nach § 100 InsO um Unterhalt aus der Masse,. diesen soll er Dir monatlich im Vorraus zu entrichten.

Im nächsten Schreiben bittest Du um Freigabe von 1.000,-- € aus der Masse, da Du wegen defekt/ausfall an alten Geräten, neue EDV Einrichtung benötigst...

in allen Schreiben erwähnen, dass dem Insolvenzgericht jeweils eine Kopie zukommt und dies auch so handhaben.

Du erreichst die schriftliche Freigabe nur wenn Du dem TH arbeit machst, zur Freigabe des TH reicht ein formloses Schreiben ans InsoG.

http://www.f-sb.de/forumneu/archive/index.php?t-38503.html

Gruß Leopold Bloom

Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 11. November 2010, 23:18:58
Danke erstmal Leopold.  :thumbup:

Schade, dass bei so einem interessanten und wichtigen Thema bislang nur eine Antwort kommt bei den vielen Experten hier. Bin auch sicher, dass es ein wichtiger Thread für viele zukünftige selbständige Schuldner werden könnte, wenn sich alle daran beteiligen würden. Aber kann ja noch werden.  :wink:

Also verhandeln kann ich mit dem IV natürlich auch selbst und mir meine Argumente zurecht basteln.
Es wäre aber durchaus konstruktiv die von mir geschilderten Punkte hier mal auszudiskutieren und natürlich hilft auch die Sichtweise anderer Betroffener. Auch wie es in der Praxis gehandhabt wird/wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich der einzige bin der eine solche Vereinbarung mit dem IV zu treffen hat.


Was mich von dem von Leopold Bloom geschilderten Fall unterscheidet, ist die Tatsache, dass ich das bestehende Gewerbe nicht weiterführen will sondern ein neues Gewerbe bzw. freiberufliche Tätigkeit aufnehmen will die jetzt mit dem bestehenden Gewerbe nicht wirklich was zu tun hat. Insofern handelt es sich nicht um eine Fortführung.

§100 InsO
Also fordern kann man den Unterhalt aus der Insolvenzmasse nicht wirklich (wenn denn überhaupt eine nennenswerte vorhanden ist), der Gläubigerausschuss kann ihn lediglich gewähren. Das macht er nur, wenn der Betrieb weitergeführt wird und durch die Mitarbeit des Schuldners ein entsprechendes positives Ergebnis erwirtschaftet werden kann oder dies erwartet wird. Nach überwiegender Meinung hat der Schuldner keinen Rechtsanspruch gegenüber der Masse:

http://lexetius.com/2006,1231
Zitat
Denn nach überwiegender Meinung hat der Schuldner selbst auf den das Existenzminimum abdeckenden Unterhalt keinen Rechtsanspruch gegen die Masse (MünchKomm-InsO/ Passauer, § 100 Rn. 20; Nerlich/ Römermann/ Wittkowski, InsO § 100 Rn. 2a; FK-InsO/ App, 4. Aufl. § 100 Rn. 2; HK-InsO/ Eickmann, 4. Aufl. § 100 Rn. 3; Kübler/ Prütting/ Lüke, InsO § 100 Rn. 2; Schmidt/ Wendler, InsO § 100 Rn. 3; Braun/ Kroth, InsO 2. Aufl. § 100 Rn. 3; a. A. Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 100 Rn. 1; Kohte, in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung 2. Aufl. S. 805 ff).

Insofern kann man mit einem solchen Antrag auf Gewährung von Unterhalt einen IV nicht wirklich beeindrucken. Entscheiden kann er selbst darüber sowieso nicht. Wohl aber über die Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Hier hat der Gläubigerausschuss zwar theoretisch ein Widerspruchsrecht. Wenn man die Gründe dafür darlegt, kann das aber für die Gläubiger (und den IV) durchaus von Vorteil sein.

Solche Argumente und Strategien für die Verhandlung über eine solche Vereinbarung zu finden, darum gings mir eigentlich in diesem Posting. Das erreicht man m.E. nicht durch massiven Druck und einer zelebrierten Anti-Haltung gegenüber dem IV.

Ich persönlich verspreche mir eigentlich mehr davon dem IV die bestehende Situation darzulegen und mit ihm über eine freiwillige Abgabe zu verhandeln. Letztlich habe ich aus der Freigabe der selbständigen Tätigkeit ja auch gewisse Vorteile. Keine Kontrolle, kann ggf. auch mehr verdienen. Natürlich kann man auch sagen ich beziehe wieder ALG II und schreibe Bewerbungen die vermutlich nicht sonderlich erfolgversprechend sind. Aber das kann m.E. nur eine Notlösung sein. Im Grunde schneidet man sich mit einer Totalverweigerung ja auch finanziell ins eigene Fleisch. So üppig und so prickelnd die nächsten 6 Jahre als Single mit etwa 1000 EUR im Monat auszukommen ist es ja schließlich auch nicht.

Daher setze ich ja auf sinnvolle Verhandlungen. Falls er wirklich auf 1000 EUR im Monat als Zahlung bestehen sollte (was ich nicht wirklich glaube) kann ich natürlich auch mit ALG II und einem katholischen Neben-Arbeitsverhältnis leben. Letzlich müssen es die Gläubiger entscheiden bzw. die Entscheidung des IV akzeptieren oder ggf. anfechten.

Nach dem BGH Beschluss vom 18.12.2008, IX ZB 249/ 07 kann ein Verstoß gegen Obliegenheiten frühestens nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Ankündigung der Restschuldbefreiung erfolgen. Insofern bräuchte man natürlich nach dieser Begründung überhaupt keinen Beitrag abführen. Sofern man aber selbständig tätig ist, kann der IV die Einnahmen jedoch zur Masse ziehen, sofern man nicht einen Antrag nach §850i ZPO stellt. Aber selbst diese Konstellation bietet keinen größeren finanziellen Spielraum als der Bezug von ALG II. Also nicht wirklich attraktiv für den Schuldner.

Ich komme daher zur Einsicht, dass es besser ist den Treuhänder um Freigabe der selbständigen Tätigkeit gegen Zahlung eines (zäh zu verhandelndem und für den Schuldner vertretbaren und zahlbaren) Betrages xy zu bitten. Ich wäre bereit einen Betrag von bis zu EUR 250,00 in der Anfangsphase dafür abzuführen (und hätte auch die Möglichkeit dazu).

Vielleicht gibts ja noch die eine oder andere Meinung oder Hinweis dazu.  :hi:
Titel: Re: Nebenkriegsschauplätze
Beitrag von: Leopold Bloom am 12. November 2010, 08:11:10
Hallo tomwr,

du musst aufpassrn, das du dich nicht in einem Nebenkriegsschauplatz verhedderst.

Der Grundgedanke aus der Inso bei Selbständigen istist, es ist völlig egal, was dein Gewerbe abwirft, du hast so viel abzuführen wie gepfändet werden könnte, wenn de ein deinen Fähigkeiten, deiner Ausbildung und deiner Lebenslage angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wärest.
lies mal das hier:
http://www.f-sb.de/download/grote295abs2.htm
Ich wäre bereit einen Betrag von bis zu EUR 250,00 in der Anfangsphase dafür abzuführen (und hätte auch die Möglichkeit dazu).
Das kannst du gerne machen. Der IV wird es auch gerne nehmen.
Nur die Arge wird das sehr interessieren.
Sie wird von dir eine Aufklärung darüber fordern, wie du es schaffst bei 359,- Regelsatz, wenn du davon großzügig mit 250 Euro den IV finanzierst, von den restlichen 109 Euro deinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Rechne mal mit einer vollständigen Sperre der Leistungen der Arge an dich.

Gruß Leopold Bloom
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 12. November 2010, 13:04:26
Natürlich ist mir klar, dass die erzielten Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit entsprechend hoch sein müssen. Eine Unterstützung durch die ARGE kommt ja dann nicht mehr in Betracht. Sollte der IV oder die Gläubiger aber der Meinung sein meine selbständige Tätigkeit nicht freizugeben werde ich diese natürlich einstellen und mich um eine abhängige Beschäftigung bemühen und während dieser Zeit ganz in den Bezug der ALG II Leistungen fallen.

Die ARGE weiß natürlich von meiner selbständigen Tätigkeit und die bisherigen Einkünft werden auch alle 6 Monate der ARGE offengelegt und mit meinen erhaltenen Leistungen verrechnet. Das läuft alles ganz sauber und easy.

Im Übrigen brauche ich der ARGE aber auch nicht nachzuweisen was ich mit meinem Regelsatz mache und ob ich Lebensmittel oder ähnliches zusätzlich von meinen Eltern erhalte oder diese z.B. Zahlungen an den Treuhänder leisten würden. Es interessiert die ja auch nicht, ob ich mehr als den Regelsatz im Monat brauche. Den Regelsatz bekommt jeder und kann ihn so aufteilen oder ausgeben wie er will. Im Übrigen sind nach Aufteilung der Bestandteile für Lebensmittel sowieso nicht mehr als 120 EUR vorgesehen. Ich kenne Alkoholiker die einen großen Batzen für Alkohol ausgeben, andere für Zigaretten obwohl im Regelsatz dafür nichts vorgesehen ist. Das interessiert wirklich keine Sau, ob und wie Du damit über die Runden kommst.  :wink:

Aber ich wäre natürlich behämmert, würde ich freiwillig Zahlungen an den IV / TH abführen wenn ich keine selbständigen Einkünft erziele und voll im Leistungsbezug stehe.  :mad2:


Ja und die Freigabe der selbständigen Tätigkeit ist für mich kein Nebenkriegsschauplatz sondern sagen wir mal eine strategisch wichtige Position. :whistle:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Leopold Bloom am 12. November 2010, 20:33:56
Sollte der IV oder die Gläubiger aber der Meinung sein meine selbständige Tätigkeit nicht freizugeben werde ich diese natürlich einstellen und mich um eine abhängige Beschäftigung bemühen und während dieser Zeit ganz in den Bezug der ALG II Leistungen fallen.
Aber warum denn?
Warum machst du es nicht so wie deagle empfohlen hat?
Liegt da vielleicht ein Missverständnis vor?
Du kannst dein Gewerbe weiterführen, egal, ob der IV das freigibt oder nicht.
Der Unterschied liegt lediglich darin, gibt der IV dein Gewerbe nicht frei, hat er sämtliche Rechnungen zu bezahlen, auf der anderen Seite gehen deine Einnahmen direkt an ihn.
Du legst ihm lediglich alle Belege vor.
Der Überschuss fließt der Masse zu.
Du brauchst dich hinfort nicht mehr darum zu kümmern, dass der IV dir aus der Masse deinen LU bezahlt, das erledigt die Arge für dich.
Die ARGE weiß natürlich von meiner selbständigen Tätigkeit und die bisherigen Einkünft werden auch alle 6 Monate der ARGE offengelegt und mit meinen erhaltenen Leistungen verrechnet. Das läuft alles ganz sauber und easy.
Du brauchst als einzigen Beleg nur noch vorlegen, was dir der IV aus der Masse ausbezahlt hat.
Der ganze Buchhaltungskrempel mit Journal und Belege sammeln und EKS liegt dann beim IV.

Aber ich wäre natürlich behämmert, würde ich freiwillig Zahlungen an den IV / TH abführen wenn ich keine selbständigen Einkünft erziele und voll im Leistungsbezug stehe.  :mad2:
Tus trotzdem.
Nur als Rat von mir, ich führe auch mtl. 20 Euro ab, obwohl ich nicht müsste.
Darauf führe ich es zurück, dass bei mir die Inso für mich relativ stressfrei verläuft und der IV bis jetzt nicht versucht hat, mir überflüssige Knüppel zwischen die Beine zu werfen
Ja und die Freigabe der selbständigen Tätigkeit ist für mich kein Nebenkriegsschauplatz sondern sagen wir mal eine strategisch wichtige Position. :whistle:
Warum?
Beispiel: Mich hat meine Hausverwaltung angeschrieben, als sie vom IV über die Inso informiert wurden, ob ich damit einverstanden wäre, dass die Arge die Miete direkt an sie überweist.
Ich weiß genau, dass ich dazu nicht verpflichtet bin.
Ich hab gerne zugestimmt.  :smoke:

Ich bin in der Vergangenheit gelegentlich mit der Miete in Verzug geraten, das lag jedoch nicht an mir, sondern weil die Arge öfter mal ewig benötigte, um meinen BWZ zu verlängern.
Jetzt darf die HV sich mit der Arge rumärgern.  :lollol:

Gruß Leopold Bloom

Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 14. November 2010, 01:57:54
Warum machst du es nicht so wie deagle empfohlen hat?
Liegt da vielleicht ein Missverständnis vor?
Du kannst dein Gewerbe weiterführen, egal, ob der IV das freigibt oder nicht.
Der Unterschied liegt lediglich darin, gibt der IV dein Gewerbe nicht frei, hat er sämtliche Rechnungen zu bezahlen, auf der anderen Seite gehen deine Einnahmen direkt an ihn.
Du legst ihm lediglich alle Belege vor.
Der Überschuss fließt der Masse zu.
Du brauchst dich hinfort nicht mehr darum zu kümmern, dass der IV dir aus der Masse deinen LU bezahlt, das erledigt die Arge für dich.

Ich kann dem dargelegten Konzept von deagle nicht folgen. So einfach wie er schreibt ist das nicht. Zunächst hat den Unterhalt aus der Insolvenzmasse der Gläubigerausschuss zu gewähren oder zu verweigern. Die Entscheidung liegt nicht mal im Ermessen der Insolvenzverwalters. Und dass man irgendwelche Rechnungen dem IV vorlegen kann, scheidet auch aus da nach §80 InsO die Verfügungsgewalt über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen ausschließlich beim IV liegt. In diesem Sinne hat m.E. der Schuldner nicht die Möglichkeit beliebige Rechnungen vorzulegen, die der IV aus der Masse bezahlen muss. Der Schuldner muss sich alle Ausgaben vorher genehmigen lassen.

Es ergibt sich aus meiner Sicht eine ganz andere Problematik. Der IV kann zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt (vor Beendigung des Verfahrens) plötzlich ankommen und die eingenommenen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit zur Masse ziehen. Parallel wurden die Einnahmen möglicherweise von der ARGE auf Auszahlungen angerechnet. Das hindert den TH m.E. nicht daran die Einnahmen zur Masse zu ziehen und bei Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit gilt ja auch die Pfändungstabelle nicht. Somit müsste ich sicherheitshalber jeden Monat einen Antrag nach §850i (Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte stellen). Da ja auch ein Drittschuldner für falsch abgeführte Beträge haftet und diese ggf. doppelt abzuführen hat wenn ihn ein Verschulden trifft, halte ich das auch in Bezug auf Verrechnung mit Leistungen der ARGE für nicht ausgeschlossen. Zumindest habe ich hier keinerlei Lust selbst ggf. einen Prozess bis zum BGH zu führen.

Also wähle ich die sichere Variante (keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit) wenn die selbständige Tätigkeit nicht freigegeben wird, schreibe meine Bewerbungen und genieße bis zur Schließung eines Arbeitsvertrages die freie Zeit.  :uneinsichtig:

Im Ürbigen bin ich mir überhaupt nicht sicher, dass deagle die empfohlenen Hinweise selbst durchexerziert hat. Das hört sich sehr theoretisch an. Wenn Du Dich zu doof stellst und alles an den IV schickst wäre auch eine Gewerbeuntersagungsantrag durch den IV nach §35 GewO möglich wegen Unzuverlässigkeit oder in diesem Sinne Unfähigkeit. Das ist alles in allem ein Spiel mit dem Feuer. Du machst es ja offenbar auch nicht so wie von deagle empfohlen. Mein erstes Schreiben vom IV betraf übrigens die Schließung des bereits eingestellten (alten Gewerbebetriebs) mit freundlichem Hinweis auf §146 GewO. Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht sei eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldstrafe von bis zu EUR 5.000,00 geahndet werden kann. Ich denke er wäre sich im Zweifel nicht zu schade eine solche Anzeige beim Ordnungsamt durch einen 3-Zeiler in die Wege zu leiten.

Du brauchst als einzigen Beleg nur noch vorlegen, was dir der IV aus der Masse ausbezahlt hat.
Der ganze Buchhaltungskrempel mit Journal und Belege sammeln und EKS liegt dann beim IV.

Was sollte er mir denn aus der Masse konkret auszahlen ???
Er wird wohl eher erwarten dass ich was zur Masse einzahle.

Nur als Rat von mir, ich führe auch mtl. 20 Euro ab, obwohl ich nicht müsste.
Darauf führe ich es zurück, dass bei mir die Inso für mich relativ stressfrei verläuft und der IV bis jetzt nicht versucht hat, mir überflüssige Knüppel zwischen die Beine zu werfen

Das o.g. Verfahren von deagle schafft ganz sicher kein stressfreies Verhältnis zum IV und die freiwillige Abführung von Beträgen an den IV steht im Widerspruch zu der von deagle empfohlenen Vorgehensweise. Ich denke eine Freigabe ohne Abführung von bestimmten Beträgen ist in der Praxis wohl kaum zu erreichen. Das Konzept erscheint mir alles sehr theoretisch.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 14. November 2010, 02:04:35
Gibts denn hier wirklich sonst Niemanden, der etwas zur Freigabe der selbständigen Tätigkeit und einer entsprechenden Vereinbarung mit dem IV beitragen kann ? Ich denke es sind so viele Selbständige hier. Oder Leute die selbständige Mandanten beraten. :gruebel:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Mephisto am 14. November 2010, 14:01:52
Hallo, ich arbeite freiberuflich als Dozentin, meinen TH habe ich damals nicht gefragt, denn eine Anstellung war nicht in Aussicht und als Freiberufler hatte ich dann wenigstens Arbeit - und das fast sofort.

Ärgerlich ist nur, dass ich mich seit letztem Jahr mit seiner Sachbearbeiterin rum ärgern muss, weil sie ausser Krankenkassenbeiträge und Arb.losenversicherung nichts anerkennt oder anrechnet. Weder versteht sie, dass mein Honorar nicht NETTO ist, noch dass ich vielleicht auch mal einen Monat mit dem anderen ausgleichen muss, wenn mal nicht ein Auftrag in d. nächsten übergeht. Sie berücksichtigt keinerlei Anschaffungen für meine kleine Firma noch sonst irgendwas.

Ich werde mich jetzt ans Gericht wenden und hoffen, dass da eine Lösung gefunden wird. Denn ich habe dieses Jahr allein schon 4000,- bezahlt - zählt aber offensichtlich alles nicht.

Ist vielleicht keine große Hilfe - aber wenigstens ne kleine Info
 :Oh_no:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 15. November 2010, 22:23:02
Ja dann werde ich morgen mal alleine in die Vollen gehen und in nächster Zeit dazu berichten.  :cheesy:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Mephisto am 16. November 2010, 06:14:17
Genau! Ärmel aufgekrempelt  - und ran an die Arbeit. Auch wenn mein IV mir ständig Steine in den Weg legt, habe ich meine Entscheidung keine Sekunde bereut. Und außerdem gibt es auch noch prima Anwälte f. Insolvenzrecht. Den werde ich jetzt aufsuchen...
 :wink:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 22. November 2010, 23:32:03
So gibt Neuigkeiten vom IV. Nach meiner Begründung ist er im Grunde meinem Vorschlag zur Höhe des abuführenden Betrages gefolgt (wenn auch der Betrag nun etwa 15% höher ist als vorgeschlagen). Aber damit könnte ich leben.

Allerdings hat er mir die Freigabe der selbständigen Tätigkeit mit Einschränkungen erklärt. Und zwar sind nur Vermögen und Ansprüche aus selbständiger Tätigkeit als (sagen wir mal Werbegrafiker) freigegeben. In einem zusätzlichen Merkblatt ist angegeben, dass sonstige Einnahmen außerhalb der "freigegebenen Selbständigkeit" oder speziell Einnahmen aus "nicht freigegebener selbständiger Tätigkeit" dem Insolvenzbeschlag unterliegen.

Mit einer solchen Einschränkung kann ich natürlich nicht leben denn wenn ich schon selbständig tätig bin, muss ich auch die Möglichkeit haben mit entsprechender Flexibilität alle sich bietenden Einkunftsmöglichkeiten wahrzunehmen, auch wenn sie nicht explizit unter die bezeichnete selbständige Tätigkeit fallen.

Insofern ist die Freigabe zwar ganz schön aber nicht wirklich hilfreich. Was hilft es denn, wenn der IV nach ein paar Jahren ankommt, sich entsprechende Unterlagen zeigen läßt und der Meinung ist, die zu Grunde liegende Tätigkeit ließe sich nicht unter der freigegebenen Tätigkeit subsumieren ? Und der IV nachträglich die Einkünfte aus der Tätigkeit voll verlangt ?

Gibt es gegen die Freigabe laut InsO bzw. gegen Erklärungen des IV eigentlich konkrete Rechtsmittel ?  :gruebel:


Desweiteren ist mit der Freigabe eine Zahlungsaufforderung zugeschickt worden mit weiteren Verpflichtungen. So ist zunächst die Grundlage der Berechnung des abzuführenden Betrages genannt. Da kann ich ja noch folgen. Weiterhin ist dann genannt, dass dieser Betrag monatlich abgeführt werden muss auf ein angegebenes Konto. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Abführung der Beträge auch nachträglich (später) geleistet werden kann, wenn der Schuldner dazu in der Lage ist, die Beträge also erwirtschaftet wurden. Das ist ja auch sinnvoll.

Womit begründet der IV die Zahlungsverpflichtung ? Ich habe ja keine Vereinbarung mit ihm geschlossen. Zu der Freigabe ist er ermächtigt nach §35 Abs.2 InsO aber diese Zahlungsaufforderung kann ich im Rahmen der InsO nicht einordnen. Die Abführung der Beträge ist ja eine "Obliegenheit". Eine Obliegenheit ist laut Definition von Wikipedia:

Zitat
Eine Obliegenheit bezeichnet im Schuldverhältnis Pflichten minderen Grades, die vom Gläubiger nicht eingeklagt werden können und bei deren Verletzung sich der Schuldner auch nicht schadensersatzpflichtig macht. Der Schuldner muss die Nachteile dergestalt hinnehmen, dass er bestehende eigene Rechte verliert, bzw. nicht mehr geltend machen kann oder dass er Rechte, die er bei Wahrnehmung der Obliegenheit erwerben würde, nicht erhält. Terminologisch zutreffend ist es statt von abgeschwächten Pflichten von bloßen Lasten zu sprechen.[1]

Bei Nichtabführung will der IV Leistungsklage erheben und die Beträge vollstrecken. Ein weiterer Hinweis ist, dass die Nichtabführung der Beträge ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten nach §290 Abs.1 Nr. 5 darstellen kann. Da sind normalerweise Auskunfts- und Mitwirkungspflichten genannt. M.E. handelt es sich aber hier nicht um eine Mitwirkungspflicht im Sinne des Gesetzes, oder ? Wie seht Ihr das ?

Darüberhinaus will er zur Überprüfung der Zahlungspflichten und der wirtschaftlichen Verhältnisse den Ertrag aus der selbständigen Tätigkeit durch Übersendung regelmäßiger BWA's, Jahresabschlüsse, etc. nachgewiesen haben. Ich denke die Freigabe ist unabhängig von dem tatsächlich erzielten Gewinn (oder Verlust). Hat er nach der Freigabe überhaupt ein Recht diese Daten anzufordern ?

Gibt es ein Rechtsmittel gegen diese "Zahlungsaufforderung" ? Gut ich könnte die Leistungsklage ggf. abwarten aber vielleicht kann man da auch früher dem IV einen Stock zwischen die Beine werfen.  :wink:

Grundsätzlich kann das Insolvenzgericht auf Antrag der Gläubigerversammlung (diese ist in einigen Wochen zum ersten Berichtstermin) die Freigabeerklärung ja auch für unwirksam erklären. Insbesondere unter diesem Hintergrund will ich natürlich vorab keine Zahlungen an den IV leisten, da ich fürchte in diesem Fall den abgeführten Betrag nicht zurückzuerhalten. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die monatliche Abführung für mich zunächst nicht tragbar.

Weiterhin soll ich eine neue Steuernummer beantragen. Da bin ich aber mal gespannt wie sich das FA dazu äußert in Verbindung mit §139a AO. Da ich eine natürliche Person bin, muss ich ja ein eindeutiges Steueridentifikationsmerkmal haben. LOL.  :whistle:


Ja ist ein etwas längerer Abschnitt geworden aber ich denke es lohnt sich hier für Jeden sich im Rahmen der Diskussion an diesem Stoff zu beteiligen. Die Informationen zu §35 Abs.2 InsO sind im Internet auch recht spärlich und ich denke der Inhalt im Thread wird für viele selbständige Schuldner mal nützlich sein.

Danke vorab.  :cheesy:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 23. November 2010, 00:35:57
In diesem Zusammenhang noch ein zweiter Gedankenanstoss.

Gesetzt den Fall, es gibt (generell) wirksame Lohnabtretungen von Insolvenzgläubigern, die als Sicherungsrechte für ihre Forderungen geltend gemacht werden. Diese wären für nach §114 Abs.1 InsO für die Dauer von 2 Jahren ab Insolvenzeröffnung wirksam.

In diesem Fall würden die Gläubiger durch die Aufnahme einer Beschäftigung (in diesem Zeitraum) keine Befriedigung erhalten. Reden wir mal zunächst nur für die Dauer des Insolvenzverfahrens bis Aufhebung. Ein Versagungsantrag wegen unzureichender Beschäftigung wäre hier nicht möglich da die Versagungsgründe nach §290 InsO abschließend genannt sind. Nach Diskussion mit "paps" könnte aber die Stundung der Verfahrenskosten aufgehoben werden nach §4c InsO.

Laut einem Urteil des BGH Beschluss vom 22. 10. 2009 - IX ZB 160/ 09 ist die Aufhebung der Stundung jedenfalls dann nicht zulässig, wenn es zu einer konkreten Beeinträchtigung der Gläubiger nicht kommt. Da die abzuführenden Beträge für die Dauer von 2 Jahren ja an den betreffenden Insolvenzgläubiger gehen, ist hier eine Beeinträchtigung der Gläubigergemeinschaft nicht ersichtlich, eine Versagung aus diesem Grund also nicht zulässig.

http://lexetius.com/2009,3164
Auszug:
Zitat
2. Die Stundung kann auch nicht wegen der Weigerung der Schuldnerin aufgehoben werden, eine Erwerbstätigkeit auszuüben bzw. sich darum zu bemühen. Zwar besteht die Erwerbsobliegenheit nach § 4c Nr. 4 InsO - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - bereits ab dem Zeitpunkt der Stundungsbewilligung (BT-Drucks. 14/ 5680, S. 23; vgl. ferner LG Berlin ZInsO 2002, 680, 681; Wenzel in Kübler/ Prütting/ Bork, InsO § 4c Rn. 36; MünchKomm-InsO/ Ganter, 2. Aufl. § 4c Rn. 11; Jaeger/ Eckardt, InsO § 4c Rn. 57; HK-InsO/ Kirchhof, 5. Aufl. § 4c Rn. 21). Eine Aufhebung der Stundung wegen einer Verletzung der Obliegenheit zu angemessener Erwerbstätigkeit setzt jedoch voraus, dass der Schuldner die Befriedigung seiner Gläubiger durch die Weigerung beeinträchtigt. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Die einzige Frage stellt sich hingegen, ob bei Abschluss eines Arbeitsvertrages die Lohnabtretung vertraglich abbedungen werden könnte. Das liegt jetzt nicht unbedingt im Ermessen des Arbeitnehmers und es ist eigentlich auch keine Obliegenheit auf einen solchen Vertragspassus bei Aufnahme einer Beschäftigung zu bestehen.

Wohlgemerkt ein Grenzfall, eine explizite Entscheidung zu dem letzten Absatz gibt es derzeit nicht.
Wie denkt ihr darüber ? Prinzipiell stehen die Gläubiger ja bei Aufnahme einer Beschäftigung (auch wenn sie gut bezahlt wird) möglicherweise aufgrund der Abtretung trotzdem mit leeren Händen da. Unter diesem Gesichtspunkt ist es natürlich lohnenswert darüber nachzudenken, den Abführungsbetrag in dieser Phase entsprechend niedrig anzusetzen.

Ich mein jetzt nur mal so.  :gruebel:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 30. November 2010, 20:42:57
So, heute mal wieder mit dem Insolvenzverwalter telefoniert.
Offenbar interpretiert der den §295 Abs.2 InsO folgendermaßen (auf den wird ja auch in §35 Abs.2 InsO Bezug genommen):

Das angemessene Dienstverhältnis stellt er auf die selbständige Tätigkeit ab. Will heißen, wenn ich selbständig als Koch arbeite, hätte ich soviel abzuführen wie bei einem Koch in einer abhängigen Beschäftigung pfändbar bzw. abzuführen wäre. Wenn ich dagegen eine selbständige Hausmeistertätigkeit übernehme, käme es auf den Verdienst eines angestellten Hausmeisters an und wenn ich eine selbständige Tätigkeit als Ingenieur ausüber müsse ich eben Beträge eines angestellten Ingenieurs abführen.

Dem kann ich nicht folgen. §295 Abs.2 InsO bezieht sich auf eine Alternative zu §295 Abs.1. Demnach kommt es auf eine angemessene Erwerbstätigkeit an bzw. sich um eine solche zu bemühen. Insofern interpretiere ich den Abs.2 auf ein angemessenes Dienstverhältnis gemessen an der Ausbildung und den persönlichen Voraussetzungen des Schuldner und nicht gemessen an dem durchschnittlichen Verdienst eines Dritten, der die selbständige Tätigkeit als Angestellter ausübt.

Denn hier sind ja Faktoren wie Alter, Ausbildung, Berufsunterbrechung usw. zu berücksichtigen. Wenn jemand z.B. jahrelang selbständig als Kaufmann tätig war und sagen wir mal der Ausbildungsberuf 10 oder mehr Jahre nicht mehr ausgeübt wurde und dieser deutlich über 50 Jahre alt ist dann kann man ja nicht das Durchschnittsgehalt eines Technikers der sich ständig fortgebildet hat und im aktuellen Berufsleben steht und zwischen 30 und 40 ist.

Ich bin daher der Meinung, dass sich §295 Abs.2 an den Chancen des Schuldners als Arbeitnehmer anknüpfen muss und nicht an die aktuell ausgeübte selbständige Tätigkeit. Es kann ja auch sein, dass ich mit einer Selbständigkeit als Ingenieur so gerade gut über die Runden komme aber nicht riesige Gewinne erwarten kann. Dennoch kann eine solche Tätigkeit gerechtfertigt sein, wenn man dadurch den Lebensunterhalt bestreiten kann und am Arbeitsmarkt keine besseren Chancen hätte zumindest nicht auf eine Anstellung mit einem durchschnittlichen Ingenieursgehalt.

Leider gibt es dazu relativ wenig Informationen im Internet, auch wenig BGH Rechtsprechung wie ich bisher festgestellt habe. Habe mir jetzt mal einen aktuellen InsO Kommentar bestellt um da weitergehend zu recherchieren.

Leider hat sich auch sonst bisher niemand hier dazu geäußert, woraus ich schließen muss, dass doch deutlich weniger Leute in der Insolvenz selbständig sind als gedacht. Oder irgendjemand hier, der seine Erkenntnisse hinterm Berg hält ???


Eigenartig.  :gruebel:

Ich meine ich kann auch ansonsten meine Selbständigkeit so gut es geht vorbereiten und die Aufhebung des Insolvenzbeschlusses abwarten und auf Nachfrage dem IV, dem Insolvenzgericht und den Gläubigern meine Bewerbungsaktivitäten nachweisen. Aber eigentlich wollte ich ja einen Beitrag leisten. Der scheint aber weniger willkommen zu sein als zunächst gedacht.  :mad2:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 06. Dezember 2010, 21:39:11
So nachdem ich mich jetzt nochmal eingehend mit der Thematik beschäftigt habe und einige juristische Fachaufsätze zu der Thematik von einem Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter sowie von einem Richter am OLG Dresden zu Gemüte geführt habe, möchte ich hier kurz zusammenfassen wie die betreffende Rechtslage zur Freigabe gemäß §35 Abs.2 InsO gesehen wird.

Die Freigabe wird juristisch auch als Enthaftungserklärung bezeichnet und soll vorwiegend die Insolvenzmasse vor möglichen Ansprüchen an die Insolvenzmasse durch Ausübung der selbständigen Tätigkeit schützen. Nach der geltenden Rechtslage ist es so, dass der IV für Ansprüche aus der selbst. Tätigkeit (kürze ich im Folgenden mal mit sT ab) haftet, wenn er die Erträge beansprucht, also zur Insolvenzmasse zieht.

Solche Haftungsansprüche können vielfältig sein in Abhängigkeit der Tätigkeit. Z.B. Schadenersatzansprüche von Auftraggebern wenn keine betriebliche Haftpflichtversicherung dafür besteht, Verpflichtungen nach dem Produkthaftungsgesetz, Wettbewerbsstreitigkeiten (Abmahnungen), Vertragsstrafen und vieles mehr ist hier denkbar. Hier entscheidet der IV nach eigenem Ermessen die Wahrscheinlichkeit von solchen Ansprüchen im Rahmen der selbständigen Tätigkeit und gibt diese dann frei, d.h. die Einkünfte daraus sind nicht mehr zur Insolvenzmasse abzuführen aber es können auch keine Ansprüche gegen die Insolvenzmasse geltend gemacht werden.

Auftraggeber können sich im Rahmen der Insolvenzbekanntmachungen über das Bestehen einer Freigabe informieren, da eine Veröffentlichungspflicht nach §35 Abs.3 existiert und so die Risiken der Auftragsvergabe (eben dass keine Haftungsmasse da ist) einkalkulieren, sind demgegenüber auch nicht rechtlich benachteiligt. Die Art der Tätigkeit kann durchaus näher beschrieben werden, wie bereits im obigen Fall ja auch geschehen. Es ist aber nicht zulässig weitere Bedingungen oder Einschränkungen für die Freigabe festzulegen was zeitliche oder örtliche Beschränkungen betrifft, erzielten Umsätzen oder Ähnliches.

Generell ist man während des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet zu arbeiten, da die Arbeitskraft nicht zur Insolvenzmasse gehört allerdings hat die Aufnahme einer Tätigkeit entsprechende Folgen wenn man es dann freiwillig macht (Beschlagnahme der Einkünfte oder Abführung eines festzulegenden Betrages zur Insolvenzmasse nach §295 Abs.2 InsO. Die Obliegenheit einer Arbeitsaufnahme gilt erst mit Beginn der WVP und in dem Sinne mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Vorher haben Gläubiger keinen Anspruch darauf.

Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass nach §4c die Stundung des Verfahrens aufgehoben werden kann, wenn der Schuldner keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt. In aller Regel wird die Stundung beantragt und gewährt, so dass eben doch eine Erwerbsobliegenheit besteht, wenn man die Stundung in Anspruch nimmt. Hier ist das Gericht auch berechtigt entsprechende Erklärungen und Nachweise vom Schuldner anzufordern über das Vorliegen einer angemessenen Beschäftigung. Angemessen ist sie in dem Sinne, wenn die Gerichtskosten und Verwaltungskosten des IV im Verfahren voraussichtlich gedeckt sind. Das wurde in den Fachaufsätzen nicht thematisiert, schlussfolgere ich aber aus der Tatsache, dass gegenüber den Gläubigern keine Erwerbsobliegenheit für die Dauer des Insolvenzverfahrens besteht. Sollte die Stundung aufgehoben werden, wird das Verfahren jedoch nicht sofort eingestellt sondern der Rechtspfleger wird einen Vorschuss für die Durchführung des Verfahrens festsetzen. Sofern dieser Vorschuss vom Antragsteller geleistet wird, wird das Verfahren dann auch fortgesetzt.

Laut helliger Meinung ist die Erwerbsobliegenheit durch §4c oder §35 Abs.2 InsO für das Insolvenzverfahren vorgezogen, gilt also auch schon im Verfahren. Weiterhin ergibt sich aus den genannten Aufsätzen, dass sich durch das Insolvenzverfahren der Charakter der Erwerbsobliegenheit ändert, er in den genannten Fällen Verfahrenskostenstundung oder Freigabe der selbständigen Tätigkeit von bloßer (freiwilliger) Obliegenheit zu einer Verpflichtung wird, die dann auch im Sinne einer Leistungsklage durch den IV durchgesetzt werden kann. Eine Vollstreckung in die Einkünfte ist dann jederzeit möglich, da es sich dann um Neuverbindlichkeiten handelt. Außerdem wird mehrheitlich ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten im Insolvenzverfahren bejaht wenn die Zahlungen nicht regelmäßig erbracht werden.

Die Höhe der Zahlungen soll sich errechnen durch den Pfändungsanteil des Einkommens, dass sich ergeben würde, wenn der Schuldner die selbständige Tätigkeit als abhängig Beschäftigter ausüben würde. Daneben wird die Ansicht vertreten, dass der Schuldner sich um eine seinen Fähigkeiten entsprechende Arbeit zu bemühen hat. Man sollte daher nicht eine unterqualifizierte Tätigkeit selbständig ausüben um den abzuführenden Betrag gering zu halten. Wobei man im Verfahren aber auch nicht mehr leisten muss, als die Verfahrenskosten zu bestreiten (Gerichtskosten und Insolvenzverwaltervergütung). Generell sind aber immer die persönlichen Voraussetzungen des Schuldners (z.B. eingeschränkte Leistungsfähigkeit wegen Berufsunterbrechung, Krankheiten, Berufsunfähigkeit u.ä.) zu berücksichtigen.

- Fortsetung folgt -
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 06. Dezember 2010, 21:58:39
Die Gerichtskosten bestimmen sich durch das GKG (3-facher Wert für das Verfahren insgesamt) und als bestimmender Wert wird die Höhe der Aktivmasse zu Grunde gelegt. In der Regel dürften sich die Gerichtskosten daher in den meisten Fällen auf einige Hundert EUR belaufen als Größenordnung. Die Kosten der Verwalters bestimmen sich ebenfalls nach der Aktivmasse und der Anzahl der Gläubiger und dürfte in aller Regel bei einigen Tausend EUR liegen. Die Kosten für ein eventuelles Gutachten dürften ebenso in der Größenordnung von etwa 500 bis 1000 EUR liegen, kann aber bei komplexen Fällen oder Fällen mit einer Vielzahl von Gläubigern auch deutlich höher liegen. Grundlage ist hier das InsVV.

Zitat
§ 2 Regelsätze
(1) Der Insolvenzverwalter erhält in der Regel

1.
    von den ersten 25.000 Euro der Insolvenzmasse 40 vom Hundert,
2.
    von dem Mehrbetrag bis zu 50.000 Euro 25 vom Hundert,
3.
    von dem Mehrbetrag bis zu 250.000 Euro 7 vom Hundert,
4.
    von dem Mehrbetrag bis zu 500.000 Euro 3 vom Hundert,
5.
    von dem Mehrbetrag bis zu 25.000.000 Euro 2 vom Hundert,
6.
    von dem Mehrbetrag bis zu 50.000.000 Euro 1 vom Hundert,
7.
    von dem darüber hinausgehenden Betrag 0,5 vom Hundert.

(2) Haben in dem Verfahren nicht mehr als 10 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet, so soll die Vergütung in der Regel mindestens 1.000 Euro betragen. Von 11 bis zu 30 Gläubigern erhöht sich die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 150 Euro. Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene 5 Gläubiger um 100 Euro.

Der Insolvenzverwalter wird daher bemüht sein im eigenen Interesse die Insolvenzmasse zu mehren und das Verfahren ggf. auch länger laufen zu lassen um eine höhere Vergütung zu erzielen. Im Grunde ist das eine gute Sache vom Gesetzgeber, damit die verfügbare Masse optimal verwertet wird. Im Prinzip kann dem Schuldner die Dauer des Verfahrens egal sein, weil die RSB 6 Jahre nach Eröffnung des Verfahrens erteilt wird. Meiner Meinung nach profitiert der Schuldner wie auch der IV von einem länger laufenden Verfahren weil die Obliegenheiten eben erst nach Aufhebung des Verfahrens beginnen, im Zweifel (bei entsprechen langen Verfahren) auch gar nicht.

Zitat
§ 14 Grundsatz
(1) Die Vergütung des Treuhänders nach § 293 der Insolvenzordnung wird nach der Summe der Beträge berechnet, die auf Grund der Abtretungserklärung des Schuldners (§ 287 Abs. 2 der Insolvenzordnung) oder auf andere Weise zur Befriedigung der Gläubiger des Schuldners beim Treuhänder eingehen.
(2) Der Treuhänder erhält

1.
    von den ersten 25.000 Euro 5 vom Hundert,
2.
    von dem Mehrbetrag bis 50.000 Euro 3 vom Hundert und
3.
    von dem darüber hinausgehenden Betrag 1 vom Hundert.

(3) Die Vergütung beträgt mindestens 100 Euro für jedes Jahr der Tätigkeit des Treuhänders. Hat er die durch Abtretung eingehenden Beträge an mehr als 5 Gläubiger verteilt, so erhöht sich diese Vergütung je 5 Gläubiger um 50 Euro.

Die Freigabe der sT ist eine Ermessensache des IV, diese steht nur ihm zu. Der Gläubigerausschuss bzw. die Vertreter bei einer Versammlung können diese Erklärung anfechten. Die Wirkungen der Erklärung (Abführungspflicht des Betrages nach §295 Abs.2 InsO) beginnt bereits mit Zustellung der Erklärung beim Schuldner, wird jedoch aufgehoben (rückwirkend) wenn die Freigabeerklärung angefechtet wird. Der IV selbst kann dagegen die Erklärung der Freigabe auch jederzeit ändern (Höhe des abzuführenden Betrags) oder auch wieder ganz aufheben, jedoch nicht rückwirkend. Gründe für die Anpassung der Freigabeerklärung können zum Beispiel in einer höheren Leistungsfähigkeit des Schuldners liegen, also deutlich höhere Erträge aus der selbständigen Tätigkeit.

Die Erklärung ist in der Regel unverzüglich abzugeben, in vielen Fällen sind die Risiken der Tätigkeit dem IV auch bereits bekannt durch Beschäftigung mit dem Einzelheiten des Verfahrens aus einer vorherigen Tätigkeit als vorläufiger IV oder als Gutachter. Der IV kann die selbständige Tätigkeit des Schuldners nicht untersagen und sich so einer Erklärungspflicht entziehen. Das gilt auch dann, wenn das Unternehmen des Schuldners offensichtlich unrentabel ist.


Nach Aufhebung des IV verliert die Freigabeerklärung ihre Wirkung und der Schuldner ist angehalten Beträge nach §295 Abs.2 in eigenem Ermessen an den TH abzuführen. Die Gläubiger können jedoch einen Versagungsantrag (RSB) stellen, wenn die Abführungspflicht nicht in angemessener Weise erfüllt wurde.

Über den Zeitpunkt der Abführung der Beträge nach §35 Abs.2 InsO herrscht allgemein Übereinstimmung, dass diese auch monatlich zu entrichten sind (analog zu einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis). Dies ergibt sich zum Einen aus dem Wandel der Obliegenheit in eine Verpflichtung, hat jedoch auch andere praktische Ansätze da der Schuldner das Geld nicht in Betriebsmittel investieren soll, das Vermögen nicht veruntreut und auch weil Neugläubiger in das Vermögen pfänden könnten. Die Aufhebung der Stundung würde ebenso ad absurdum geführt wenn erst im letzten Moment (vor Aufhebung des Verfahrens) feststeht ob die Beträge abgeführt werden. Sofern Gründe für die Aufhebung der Stundung vorliegen, soll diese alsbald erfolgen können um die Staatskasse nicht unnötig zu belasten.

- Fortsetzung folgt -
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Feuerwald am 07. Dezember 2010, 10:51:53
Der IV selbst kann dagegen die Erklärung der Freigabe auch jederzeit ändern (Höhe des abzuführenden Betrags) oder auch wieder ganz aufheben, jedoch nicht rückwirkend.

- Rechtsquellen dazu?
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: brain2nd am 12. Dezember 2010, 11:57:41
Hi tomwr!

Ich hadere auch noch mit dem Gedanken wieder eine sT aufzunehmen und finde deinen Diskussionshintergrund und deine Ausführungen sehr gut.

Leider bin ich noch nicht dazu gekommen mich eingehend damit zu beschäftigen, habe mir aber auch eine InsO mit Kommentar (Eberhard Braun) bestellt.

Ich werde mich jetzt erst einmal arbeitslos melden, da mich mein Alter Partner nun über den Tisch gezogen hat und ich nun auch noch ohne Job da stehe und dann mehr Zeit in das Ganze investieren. Ich war da ohnehin viel zu lange blauäugig.

Danke dir für diese Diskussion und ich werde mich hoffentlich bald konstruktiver einbringen können.

Ein treuer Leser :thumbup:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: brain2nd am 12. Dezember 2010, 12:30:33
Ich habe hier noch wirklich eine Menge brauchbarer Sachen gefunden die noch Fragen von dir beantworten, nur gib mir bitte noch 1-2 Tage Zeit zum abschreiben :wink:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: brain2nd am 12. Dezember 2010, 17:38:44

"Da der Zahlungszeitpunkt der abzuführenden Beträge nicht gesetzlich geregelt ist, sollte die Gläubigerversammlung im erforderlichen Zustimmungsbeschluss konkrete Angaben machen."
" Eberhard Braun, InsO Kommentar 4. Auflage zu §35 Rn89
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: brain2nd am 12. Dezember 2010, 18:24:33
Ich habe hier und da ein Zitat und ansonsten meine Einschätzung da es doch sehr viel Kommentar ist. Kannst mich gerne um Auszüge bitten.

Zu:
1. Ist es richtig, dass die Freigabe der selbständigen Tätigkeit für alle Einkünfte daraus gilt (natürlich auch nicht für Verbindlichkeiten aufgekommen wird) ? In einigen Beiträgen im Internet liest man von einer strikten Zweiteilung des Verfahrens, als im laufenden Verfahren würden die vollen Einkünfte zur Insolvenzmasse gehören und ein Abführungsbetrag wäre erst in der WVP zulässig. Auf der anderen Seite scheint es eine Gesetzesänderung 2006/2007 gegeben zu haben, wonach eine komplette Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach §35 Abs.2 InsO durch den IV möglich ist. Ist das die aktuelle Regelung ???


„Einkünfte, die der Schuldner aus selbständiger Tätigkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielt, gehören in vollem Umfang und nicht lediglich in Höhe des nach Abzug der Ausgaben verbleibenden Gewinns zur Insolvenzmasse.“ ²  §35 Rn 81

Die Freigabe ist nach dem Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (Ergänzung um Abs. 2 + 3 des §35 InsO) eine Kann-Entscheidung des IV. Hier ist der Hintergrund, dass auch deine unternehmerischen Verbindlichkeiten durch Neuerwerbe (auch Mietverträge etc.) bei keiner Freistellung in die Insolvenzmasse eingehen. Das heißt, der IV müsste sich auch um diese Dinge kümmern. Sollte sich aber der IV mit dir einigen das die Selbständigkeit nicht zur Masse dazu gehört (Massenzugehörigkeitserklärung/Freigabeerklärung des IV), dann kann immer noch die Gläubigerversammlung/-ausschuss einen Antrag bei Gericht auf Unwirksamkeit stellen. Ist alles aktuell. 

Zu:
2. Da der IV zu einer Freigabe nicht verpflichtet ist, muss man sich wohl oder übel mit ihm darüber einigen. Sehe ich das richtig ? Also muss man ihm wohl auch einen Betrag anbieten.


Betrag anbieten kann eigentlich nicht im Sinne des Gesetzes sein, da du nach dem §295 Abs.2 InsO in der Höhe Zahlungen entrichten musst, die du auch bei unselbständiger Tätigkeit an die Gläubiger abführen würdest. Hier musst du selber einmal recherchieren, was du aktuell bei deiner Situation verdienen könntest. Du musst auch aktuell nicht mehr zahlen, auch wenn du mehr Gewinne erwirtschaftest. Hierzu gab es Anträge an die Regierung, die aber aus Gründen der Verfahrensvereinfachung bisher nichts geändert haben.


Zu:
3. Da ich geschildert habe, dass meine Selbständigkeit bisher auf Sparflamme lief da ich auf eine klar Rechtslage gewartet habe, also Eröffnung des Verfahrens, habe ich nun natürlich das Geschäft erstmal wieder aufzubauen. D.h. ich kann derzeit nur einen Betrag von EUR 250 im Monat abführen, was einem Pfändungbetrag entspricht wenn man eine Arbeitsstelle mit EUR 2000 brutto im Monat hat.
Außerdem ist ja zu berücksichtigen, dass man am Anfang erstmal nichts hat und eben Anlaufschwierigkeiten da sind.


Das am Anfang nichts haben spielt insofern keine Rolle, dass du die Möglichkeit hast über die gesamte Zeit der WVP deine Zahlungen nach wirtschaftlicher Situation zu zahlen. Du solltest aber a) am Ende deiner gesamten Verpflichtung nachgekommen sein und b) den Nachweis erbringen können, warum Zahlungen später geflossen sind.

Zu:
4. Da bei mir auch noch Lohnabtretungen durch Gläubiger vorliegen, würden die bei einer Festanstellung für die ersten 2 Jahre doch durchaus greifen. D.h. die Gläubiger sehen da erstmal nichts. Wäre ja ein weiteres Argument für die Freigabe, oder ?


Inwiefern gibt es denn Lohnabtretungen die nicht mit in die Inso fallen?

Zu:
5. Kann man in der Freigabeerklärung auch die abzuführenden Beträge staffeln ? Also im ersten Jahr ... und im zweiten Jahr ...


Siehe zu 3.

Zu:
6. Muss der Zeitpunkt der Abführung zwingend monatlich sein ? Wäre es nicht besser einen Betrag festzulegen, der am Jahresende abgeführt wird ? Da Einkünfte ja durchaus unregelmäßig.


Siehe zu 3.

Zu:
7. Beschränkt sich eine solche Freigabeerklärung und deren Wirkungen automatisch auf die Dauer des Insolvenverfahrens, also nur bis Aufhebung des Insolvenzverfahrens ? Danach greifen ja die Obliegenheiten.


Ich schaue mal was ich finde

Zu:
8. Mein IV meinte ich müsse im eigenen Interesse einen "angemessenen" Betrag an ihn abführen da ich sonst die Restschuldbefreiung durch Versagungsanträge riskiere. Angeblich lägen ihm da auch schon Informationen von Gläubigern vor, die einen solchen Antrag stellen wollen. Da Versagensanträge wegen zu niedriger Abführung an die Gläubiger nur wegen Verstoß gegen Obliegenheiten nach §295 gestellt werden können, betreffen diese Anträge doch nur die WVP aber nicht das Insolvenzverfahren. Sehe ich das richtig ? Alles nur Bluff ?


Die Versagungsanträge beziehen sich auf die WVP. Deshalb auch während am besten der gesamten Zeit deiner Selbständigkeit min. die Summe zahlen, die du auch als unselbständiger in einer Festanstellung zahlen könntest. Du bist am Ende des Verfahrens zur RSB in der Beweispflicht, wenn ein Antrag gestellt wird. Wenn also schon vorher mit dir und dem IV eine Zahlung als angemessen besprochen wird, die auch haltbar ist, dann solltest du im grünen Bereich sein.

Zu:
9. Bin ich dem IV gegenüber Rechenschaftspflichtig, was ich in früheren Festanstellungen verdient habe ? Das wollte er auch noch als Vergleich haben. Ich bin ca. 6 Jaher aus einem früheren Beruf raus, habe zwischenzeitlich was Anderes gemacht (Selbständigkeit). Da ist es sowieso nicht so einfach was Neues dann zu finden da ich in der IT Branche tätig war, die einem stetigen Wandel unterliegt.


Hier find ich die Idee mit Stellensuche ganz gut. So bekommst du ein Gefühl für deinen Marktwert und hast den auch ggf. schriftlich.

----------------------------

Ich bin mit mir auch noch nicht im Reinen wie ich meine Zukunft gestalte.

²Eberhard Braun, InsO Kommentar 4. Auflage 2009
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: brain2nd am 12. Dezember 2010, 18:30:13
Der IV selbst kann dagegen die Erklärung der Freigabe auch jederzeit ändern (Höhe des abzuführenden Betrags) oder auch wieder ganz aufheben, jedoch nicht rückwirkend.

- Rechtsquellen dazu?


Auch hier schreibt Braun das die Erklärung, die zur Beweissicherung immer schriftlich erfolgen sollte(eine Kopie sollte wegen der Anzeigepflicht zum Gericht gesandt werden), nur durch die Anordnung der Unwirksamkeit durch die Gläubigerversammlung/-ausschuss aufgehoben werden kann. Ansonsten ist sie unwiderruflich
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 02. Januar 2011, 17:40:22
Der IV selbst kann dagegen die Erklärung der Freigabe auch jederzeit ändern (Höhe des abzuführenden Betrags) oder auch wieder ganz aufheben, jedoch nicht rückwirkend.

- Rechtsquellen dazu?


Muss ich hier an der Stelle korrigieren, habe da auch ziemlich viel Text zu der Zeit gelesen. Also die einmal abgegebene Erklärung an und für sich ist nicht widerrufbar, da es sich um eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, siehe auch HambKInso, §35 Rz 67 und 255.

Nach §35 Abs.2 Satz 2 InsO i.V. mit §295 Abs.2 InsO besteht eine Abführungspflicht (keine Obliegenheit)  wenn man selbständig tätig ist. Der Abführungsbetrag sollte dem pfändbaren Betrag entsprechen, derbei einem angemessenes Dienstverhältnis anfallen würde. Die Höhe wird im Allgemeinen durch den IV festgelegt. Der Anspruch ist einklagbar, da es sich um eine Leistungspflicht des Schuldners handelt. Im Zweifel bestimmt das Gericht dann den tatsächlich abzuführenden Betrag, sofern der Schuldner keinen geringeren Betrag glaubhaft machen kann, wird es der Ansicht des IV wohl folgen.

Zur Leistungspflicht siehe auch HambKInso, §35 Rz 264

Da die Abführung der Beträge eine Leistungspflicht ist, wird hier auch gerne §290 Abs.1 Nr.5 herangezogen um die Restschuldbefreiung ggf. bei unterbleibender Mitwirkung des Schuldners zu untersagen (über den Umweg der Gläubiger, die natürlich durch den IV informiert werden). Das dürfte zumindest für Schuldner zutreffen, die Einkünfte erzielt haben und diese nicht, nicht vollständig oder nicht regelmäßig abgeführt haben.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 02. Januar 2011, 17:49:40

Zu:
3. Da ich geschildert habe, dass meine Selbständigkeit bisher auf Sparflamme lief da ich auf eine klar Rechtslage gewartet habe, also Eröffnung des Verfahrens, habe ich nun natürlich das Geschäft erstmal wieder aufzubauen. D.h. ich kann derzeit nur einen Betrag von EUR 250 im Monat abführen, was einem Pfändungbetrag entspricht wenn man eine Arbeitsstelle mit EUR 2000 brutto im Monat hat.
Außerdem ist ja zu berücksichtigen, dass man am Anfang erstmal nichts hat und eben Anlaufschwierigkeiten da sind.


Das am Anfang nichts haben spielt insofern keine Rolle, dass du die Möglichkeit hast über die gesamte Zeit der WVP deine Zahlungen nach wirtschaftlicher Situation zu zahlen. Du solltest aber a) am Ende deiner gesamten Verpflichtung nachgekommen sein und b) den Nachweis erbringen können, warum Zahlungen später geflossen sind.

Generell rede ich hier von einer Freigabe nach §35 InsO. Das ist VOR der WVP WÄHREND des laufenden Insolvenzverfahrens. Hier handelt es sich um eine Zahlungsverpflichtung und keine Obliegenheit und die Zahlungen sind nach helliger Meinung monatlich zu entrichten und nicht erst am Ende des Verfahrens. Das hängt insbesondere mit dem Umstand der Erwerbsobliegenheit bei Verfahrenskostenstundung zusammen. Hier will man nicht erst am Ende des Verfahrens wissen, ob der Schuldner der Erwerbsobliegenheit nachkommt, da ein Versagungsantrag am Ende des Verfahrens sinnlos wäre.

Es hängt aber auch damit zusammen, dass in den Neuerwerb des Selbständigen von Neugläubigern vollstreckt werden kann und man daher vermeiden muss, dass es zu Zahlungsausfällen aufgrund von möglichen Vollstreckungen in das Neuvermögen kommt. Wäre dumm wenn man das anspart und am Ende des Verfahrens der Betrag durch Vollstreckungsmassnahmen verloren ginge. Zu guter Letzt besteht natürlich auch die Gefahr, dass der Schuldner das angesparte Geld in das eigene Unternehmen steckt, dieses aber nicht ertragreicher wird bzw. die Ertragskraft verliert.

Ansonsten Danke für die ausführliche Beantwortung, den Großteil meiner Fragen vom Anfang konnte ich mir ja mittlerweile auch selbst beantworten.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: brain2nd am 03. Januar 2011, 11:33:55
Sorry, hatte bei dem Ganzen vergessen, dass es sich nicht um die WVP handelt. Du hast natürlich vollkommen recht mit deinen Ausführungen während des Insovlenzverfahrens.

Hast du denn in deinem Fall die Freigabe schon beantragt? Würd mich mal interessieren was dein IV sagt. Ich spiele ja auch wieder mit dem Gedanken und dem Antrag der Freigabe.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 03. Januar 2011, 17:00:04
Ja mein IV hat nach Rücksprache eigentlich unverzüglich die Freigabe erklärt allerdings verbunden mit einer konkreten Zahlungsaufforderung einen vereinbarten Betrag monatlich auf das Treuhandkonto zu zahlen als Ausgleichszahlung für die Gläubiger, siehe §295 Abs.2 InsO. Hat mich auch vorher gefragt was ich verdienen könne als abhängig Beschäftigter, sollte mich mal schlau machen und ihm einen Vorschlag schicken. Seine Forderung war dann EUR 40,00 höher als mein Vorschlag. Von daher recht easy.

Hängt aber eventuell auch damit zusammen, dass ich Gläubiger mit einer Lohnabtretung als Sicherung habe, siehe auch §114 Abs.1 InsO. Damit würde die Insolvenzmasse bei einer abhängigen Beschäftigung in den ersten beiden Jahren keine Zahlungen erhalten wenn ich eine abhängige Beschäftigung eingehen würde. Kommt also auch ein bischen auf die Argumentation an. Unter diesen Umständen tut sich der IV mit der Freigabe leichter weil Zahlung xxx besser ist als überhaupt keine Zahlung bzw. Pfändung in den ersten beiden Jahren.
 :hi:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: redster am 28. Januar 2011, 12:13:26
So, ich habe heute auch mal die Freigabe meiner im Februar startenden Selbständigkeit gebeten. Bei mir ist es aber relativ einfach. Ich mache das, was ich vorher fast drei Jahre als Festangestellter gemacht habe nun als Selbständiger. Deshalb macht das die Festlegung des Abführungsbetrages sehr einfach, nämlich in gleicher Höhe wie bei der letzten Festanstellung.

Das Finanzamt erteilt nach Rücksprache für die Selbständigkeit eine neue Steuernummer. Ein Firmenkonto auf Guthabenbasis habe ich sehr problemlos bei einer großen, deutschen Bank erhalten. Hatte Businessplan, Projektvertrag etc. dabei, wollten die überhaupt nicht sehen. Habe es vorher bei einer Volksbank versucht, die wollten mich nicht mal anhören, da Sie "mit mir kein Geld verdienen können". Die werden mich nie wieder sehen.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 28. Januar 2011, 22:31:16
Bei mir ist es aber relativ einfach. Ich mache das, was ich vorher fast drei Jahre als Festangestellter gemacht habe nun als Selbständiger. Deshalb macht das die Festlegung des Abführungsbetrages sehr einfach, nämlich in gleicher Höhe wie bei der letzten Festanstellung.

Das ist auf der einen Seite schön (insbesondere auch für den IV), auf der anderen Seite stellt sich natürlich auch immer die Frage ob man die verlangten Zahlungen dann auch tatsächlich regelmäßig leisten kann. Das setzt ein konkrete oder potentielle Auftragsverhältnisse voraus.
 :wink:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 28. Januar 2011, 22:47:05
Übrigens will mein IV offenbar meine zweite bei ihm angemeldete selbständige Tätigkeit nicht freigeben.  :fuchsteufelswild:

Nun bleibt eigentlich nur der Weg die daraus entstehenden Einkünfte mit Anträgen nach §850i und/oder §850f zu sichern, damit sie nicht in voller Höhe zur Insolvenzmasse gezogen werden. Ergänzend beziehe ich auch ALG II und die bewilligten ALG II Leistungen laut Bescheid sind schon mal von Haus aus höher als der Pfändungsfreibetrag und es geht natürlich auch noch um Anrechnung des privaten KV Anteils, den anteiligen Mietkosten für das Arbeitszimmer und um die anrechnungsfreien Beträge nach §30 SGB II. Hierauf werden natürlich die Einkünfte angerechnet.

Insbesondere bin ich zu den Entscheidungen des Gerichts zu §30 SGB II gespannt. Diese fallen eigentlich unter die gesetzlich festgelegte Anwendung der Vorschriften des "Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch" wie in §850f Abs.1 erwähnt.

Das ist mal wieder Neuland und ich werde hier künftig berichten wie es in der Sache weitergeht.


By the way:
Hat irgendjemand Erfahrung mit einem Antrag nach §850i (Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte) ?
Generell setzt ein Antrag eine Pfändung voraus, meiner Meinung nach ist der Anspruch des IV die erzielten Einkünfte zur Masse zu ziehen einer Pfändungsmaßnahme gleich. Oder ?
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: redster am 29. Januar 2011, 10:39:24
Das ist auf der einen Seite schön (insbesondere auch für den IV), auf der anderen Seite stellt sich natürlich auch immer die Frage ob man die verlangten Zahlungen dann auch tatsächlich regelmäßig leisten kann. Das setzt ein konkrete oder potentielle Auftragsverhältnisse voraus.
 :wink:

Da ich in den letzten Jahren auf ein hohes Bruttogehalt nicht wirklich wert gelegt habe, sondern darauf, wie mich dieser Job in Zukunft weiterbringt, ist der Pfändungsbetrag nicht sehr hoch gewesen. Ich hätte deutlich mehr verdienen können, dafür hätte ich aber pendeln müssen. Wäre dann unterm Strich günstiger. Habe die Insolvenz ausgenutzt, um erstmal meine Work-Live-Balance ins Reine zu bekommen.

Und als Freiberufler bin ich jetzt schon bis Jahresende ausgebucht, allerdings zu deutlich besseren Konditionen.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Robinhot am 18. Februar 2011, 23:02:42
Guten Tag,

ich möchte mich nun doch in diese Disskussion einbringen. Vorab aber erkläre ich, dass ich mit meinem Artikel hier keinerlei Rechtsberatung leiste und dies lediglich meine Meinung darstellt.

So nun zur Problematik des §35Abs.2InsO und des §295Abs.2 InsO.
In der Tat stellen diese Vorschriften für den Rechtssuchenden i.d.R. der Schuldner ein Problem dar.   
Der §35Abs.2InsO wurde ja erst nach Einführung des InsO-Reform integriert und sollte dem Ziele dienen, dem InsoSchuldner die Möglichkeit der selbständigen Erwerbstätigkeit zu eröffnen mithin der Massemehrung dienlich sein zu können.
Nun gibt es eine zersplitterte Meinung dahingehend, ob bei einer NICHTFREIGABE gem.$35Abs.2InsO der selbständige InsoSchuldner zulasten der Masse Verbindlichkeiten begründen könnte. Ein klassisches Beispiel wären Dauerschuldverhältnisse z.B. Leasing,Miete oder auch die etwaig geschuldete USt.. Einerseits gebührt i-lfd, InsoVerfahren bei einer NICHTFREIGABE der selbständigen Erwerbstätigkeit des InsoSchu. der komplette Neuerwerb der Masse. Andereseits könnte man schlussfolgern stünden dann ebenso die Verbindlichkeiten dieser Neuerwerbe der Masse zu, wären dieser zuzurechnen. Tja, wenn das so seitens des Gesetzgebers gewollt worden wäre könnte man eigentlich sogleich eine Verpflichtung i.S.e. "auf erstes Anforderen einer Freigabeerklärung" gesetzlich manifestieren. Dies kann also so nicht gewollt gewesen sein.
Versucht man nun andererseits das durch Gesetzseseinführung des §35Abs.2InsO Gewollte zu ergründen, muss man zwangsläufig auf eine Freigabe damit Rechtliche Trennung der Vermögenskreise InsoMasse und  (neue)Selbst.Erwerbstätigkeit kommen. Sonst würde die Einführung dieser Vorschrift kaum Sinn machen.
Somit bleibt, dass mangels einer Trennung der (Neu)selbständigen Erwerbstätigkeit des InsoSchu von der Beschlagenen InsOMasse auch die Verbindlichkeiten dieser erwerbsform der Masse gebühren. Die persönliche Haftung des IV ggü. den Gläubigren entstünde doch erst dann wenn diesem durch seine NICHTerfolgte Freigabe n.§35Abs.2InsO eben keine Massehaltung etwaig sogar Mehrung sondern ein Masseabgang der auf einer Handlung (i.S.e. Untätigkeit) des IV beruht. Denklogisch kann der selbständige InsOSchu mit seinem im laufenden InsoVerfahren beschlagenem Vermögen auch dem Neuvermögen keine seiner Verbindlichkeiten bezahlen, da ihm dies durch den Entzug seiner Verfügungsrechte untersagt ist.
Somit bleibt: In die Verhandlung mit einem sich bockig stellenden IV einer Abschlussoption eines langlaufenden Festmietvertrag über eine Gewerbefläche  gehen und den IV um VorabZeichnung dieses Dauerschuldverhältnisses bitten da ihm (also dem IV) doch der Neuerwerb und auch die Verbindlichkeit zusteht.
Ob der bockige IV dann den Mietvertrag erfüllen muss oder er sich selbst in die Reihe der deutschen IV Liste intergrieren mag wird wohl ihm selbst überlassen bleiben.
Grüsse  :juchu:

PS: zu §295Abs.2 InsO erkläre ich mich demnächst einmal. gn8 bis dahin       
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 19. Februar 2011, 22:58:36
Vielleicht vorab:
Mein IV hat meine zweite angemeldete selbständige Tätigkeit jetzt doch auch freigegeben, hat nur etwas länger gedauert. Prinzipiell stellt er sich auf den Standpunkt, dass die Tätigkeit umschrieben sein muss und nicht einfach "jedwede" Selbständigkeit freigegeben werden kann bzw. dies nicht im Sinne der Insolvenzordnung sei. Schließlich ist damit ja auch eine Zahlung an die Masse verbunden die wiederum in Abhängigkeit zur tatsächlich ausgeübten Tätigkeit steht.

Ich habe mich mal auf einen Probeaccount bei Lexis Insolvenzrechtsportal eingelinkt und etliche juristische Fachaufsätze die auch regelmäßig in der ZInsO erscheinen, zu Gemüte geführt. Die darauf durchleuchtete Rechtspraxis bildet im Grunde folgende konsensmäßige Manifeste heraus.

Die Freigabeerklärung ist im Grunde eine "Enthaftungserklärung" für die Verbindlichkeiten, die durch die Ausübung der selbständigen Tätigkeit entstehen (können). Neben einschätzbaren Verbindlichkeiten wie Steuern, Arbeitslöhne von eventuellen Mitarbeitern oder Mieten von eventuell notwendigen Geschäftsimmobilien können natürlich auch ganz andere Kaliber abgeschlossen werden, wie z.B. der Kauf einer Geschäftsimmobilie.

Weiterhin können gerade auch bei einer selbständigen Tätigkeit jede Menge Haftunsrisiken und evtl. Schadenersatzforderungen entstehen. Z.B. ausgelöste Betriebsunterbrechung bei einem Kunden, Sach- oder Personenschäden (Unfälle), Abmahnungen, Verpflichtungen durch Produkthaftungsgesetz, Umweltschutz und was weiß ich alles. Die Liste der Risiken kann auch bei überschaubaren selbständigen Tätigkeiten lang sein. Insofern ist die Freigabe der selbständigen Tätigkeit m.E. sicher der Regelfall.

Im Übrigen kehrt sich nach h.M. die Obliegenheitspflicht aus §295 Abs.2 (der als Obliegenheit nur in der WVP gilt) für die Dauer des Insolvenzverfahrens bei Ausübung einer selbständigen Tätigkeit als Zahlungsverpflichtung um. Der IV ist berechtigt und verpflichtet, eine entsprechende Zahlung zu fordern, notfalls auch zu vollstrecken und die Nichtabführung dieser Beiträge kann auch als Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten im Insolvenzverfahren gewertet werden (Versagung der RSB).
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Robinhot am 20. Februar 2011, 01:30:46
Hallo Tomwr,

[Im Übrigen kehrt sich nach h.M. die Obliegenheitspflicht aus §295 Abs.2 (der als Obliegenheit nur in der WVP gilt) für die Dauer des Insolvenzverfahrens bei Ausübung einer selbständigen Tätigkeit als Zahlungsverpflichtung um. Der IV ist berechtigt und verpflichtet, eine entsprechende Zahlung zu fordern, notfalls auch zu vollstrecken und die Nichtabführung dieser Beiträge kann auch als Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten im Insolvenzverfahren gewertet werden (Versagung der RSB).]

Nun ja dem kann ich nicht so einfach folgen. Woraus will sich den eine Anspruchsgrundlage des TH zur Forderung und ZV zu einem fiktiv abzuführenden Betrag i.S.d. §295II InsO bei einem selbständigen InsOschu ergeben. Ich kenne keine!

§295II InsO ist als reine Obliegenheit des selbständigen InsOschu ausgestaltet. Obliegenheiten sind nicht VORAB einforderbar, sondern sind i.d.R. Verhaltensregeln.

Wie ich bereits ausführte und sich ebenso aus §60ff.InsO ergibt besteht die SE-Pflicht (Haftung) des IV und zwar allen Beteiligten ggü. mithin auch den Gläubigern.
Als geeignte Haftungsgrundlagen bieten sich Dauerschuldverhältnisse aber auch die gute alte USt bzw. die Erfüllungspflichten zur simplen Abgabe von diversen Steuererklärungen an. Wie will der IV bzw. TH diese pflichtgemäß bei einer NICHTerfolgten Freigabe gem.§35II InsO erfüllen, wenn der selbständige InsOSchu i.d. WVP wo ja 97InsO eben nicht mehr greift, keinerlei Infos zur steuerlichen Situation an den TH gibt. Tja dann ... muss wohl der TH etwaige Steuerverbindlichkeiten begleichen. :lollol:

Mit vorzüglichen Grüssen    

Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 21. Februar 2011, 00:15:24
Nun ja dem kann ich nicht so einfach folgen. Woraus will sich den eine Anspruchsgrundlage des TH zur Forderung und ZV zu einem fiktiv abzuführenden Betrag i.S.d. §295II InsO bei einem selbständigen InsOschu ergeben. Ich kenne keine!

§295II InsO ist als reine Obliegenheit des selbständigen InsOschu ausgestaltet. Obliegenheiten sind nicht VORAB einforderbar, sondern sind i.d.R. Verhaltensregeln.

Ja da bist Du offenbar nicht richtig informiert und scheinbar bist Du auch nicht im Rahmen eines Insolvenzverfahrens selbständig tätig. Sonst würde der IV schon mit einer entsprechenden Forderung auf Dich zukommen. Eventuell besorgst Du Dir auch mal einen Kommentar zur Insolvenzordnung.

Es ist richtig, dass der §295 Abs.2 InsO als Obliegenheit formuliert ist, allerdings bezieht sich das nur auf die WVP. Der Hinweis auf die Abführungspflicht ergibt sich unter anderem aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Insolvenzänderungsgesetz 2006, der ggf. zur Auslegung der einzelnen Paragraphen genutzt wird (also bei Unklarheiten was die Regierung mit dem Wortlaut des jeweiligen Paragraphen eigentlich wollte.
http://www.bmj.bund.de/files/-/1270/RegE%20Vereinfachung%20Insolvenzverfahrens.pdf

Es kann einfach nicht sein, dass ein Schuldner durch Ausübung der selbständigen Tätigkeit nach der Freigabe besser gestellt ist als ein Schuldner der abhängig beschäftigt ist. Siehe unter Nr. 12 unter Hinweis zum o.g. Gesetzentwurf auf den Seiten 30-32. Auch ist klargestellt, dass die Abführung der Beträge eine Mitwirkungspflicht nach §290 Abs.1 Nr.5 ist. Siehe auch entsprechende Hinweise unter HambKInsO §35 Rz. 264 (Hamburger Insolvenzkommentar). Auch besteht gegenüber der Masse ein klagbarer Anspruch auf Zahlung (keine Obliegenheit während der Dauer des Insolvenzverfahrens).

Recht gut erläutert ist das in dem Aufsatz von Prof. Dr. Christian Berger, Universitätsprofessor in Leipzig und Richter am OLG Dresden (Fachgebiet Insolvenzrecht). Erschienen in ZInsO 2008, 1101-1108 (Zeitschrift für Insolvenzrecht, Ausgabe 20 vom 31.10.2008). "Die unternehmerische Tätigkeit des Insolvenzschuldners im Rahmen der Haftungserklärung nach §35 Abs.2 InsO."

Etwas ausführlicher mit den Rechtsfolgen der Freigabe befasst sich ein Aufsatz Dr. Markus Wischemeyer (Fachanwalt Insolvenzrecht der Sozietät Schröder Rechtsanwälte Berlin/Bochum/Dortmund/Münster) erschienen in ZInsO 2009, 2121-2131, Ausgabe 46 vom 12.11.2009. "Freigabe einer selbständigen Tätigkeit nach §35 Abs.2 InsO - Praxisfragen und Lösungswege".
Weitere Infos zu Dr. Markus Wischemeyer:
http://inso.whitecase.com/ansprechpartner/newslettersdetail.aspx?newsletter=2681

Noch ausführlicher nimmt jedoch der neu in 2010 erschiene Artikel in ZInsO 2010, 2068-2072, Ausgabe 45 vom 05.11.2010 auf die Zahlungspflicht Bezug (ebenfalls von Dr. Markus Wischemeyer). "Die Zahlungspflicht des selbständig tätigen Schuldners im eröffneten Insolvenzverfahren gem. §§ 35 Abs.2 Satz 2, 295 Abs.2 InsO" Hier wird im Wesentlich ausgeführt woher die Zahlungsverpflichtung im laufenden Insolvenzverfahren rührt und welche Unterschiede zur bloßen Obliegenheit bestehen.

Aber es kommt noch dicker. Während in der WVP der Grundsatz gilt, dass die Bemessung der Zahlung unabhängig vom tatsächlich erzieltem Einkommen ist, gilt während des laufenden Verfahrens der Grundsatz dass im Grunde die tatsächlich pfändbaren Beträge abzuführen sind, also bei besonders erfolgreicher Selbständigkeit auch entsprechend höhere Beträge als ursprünglich festgelegt. Dazu ist dem IV / TH regelmäßig über die tatsächlich erzielten Einkünfte Bericht zu erstatten. Die Nichtabführung der Beträge ist ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten nach §290 Abs.1 Nr.5 und die Zahlungspflicht kann durch eine Leistungsklage mit Vollstreckung gegen den Insolvenzschuldner erfolgen.

Noch ein anderer Hinweis: Während des Insolvenzverfahrens besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, analog dazu auch keine Verpflichtung zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit. Auf der anderen Seite hat es aber Rechtsfolgen, wenn man freiwillig einer solchen Tätigkeit nachgeht. Bei einer abhängigen Beschäftigung erfolgt ggf. Lohnpfändung, bei einer selbständigen Tätigkeit besteht eben während der Ausübung der Tätigkeit eine Zahlungspflicht des Schuldners in Höhe des ermittelten hypothetischen oder fiktivem Einkommen.

Die Artikel sind unter anderem im "Insolvenzrechtsportal" von Lexis verfügbar.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Robinhot am 21. Februar 2011, 22:46:22
Hallo Tomwr,

bisher ging ich davon aus, dass Sie eine selbständige Erwerbstätigkeit im noch laufenden Insolvenzverfahren ausführen. Dies ergibt sich aus Ihrer Fragestellung bzw. Themenbildung am Anfang.

Somit gilt, dass im laufenden Insolvenzverfahren und zwar bei nicht erfolgter Freigabe des Geschäftsbetriebes n.§35Abs.2InsO sämtliche Einkünfte des selbständig tätigen InsOSchu zur Insolvenzmasse gehören. Denn im laufenden InsOVerf. gelten gerade bei selbständigen InsOSchu die Pfändungsregeln gem. §850cZPO für Arbeitseinkommen nicht. Der selbständig tätige InsOSchu kann hingegen Unterhalt gem.§850i ZPO i.S.d. Pfändungsschutzregeln für sonstige Einkünfte beantragen.

Wenn nunmehr und dies war ja Eingangs Ihre Themenstellung, durch den InsOVerw. eine Freigabe des Geschäftsbetriebs n.§35Abs.2InsO erfolgt ist, ist das "Teilvermögen-Geschäftsbetrieb" nunmehr nicht mehr vom Insolvenz-beschlag erfasst, heisst das beschlagene Insolvenzvermögen minimiert sich um den freigegeben Vermögensteil "Geschäftsbetrieb". Die Literatur beschreibt diesen Vorgang als Trennung des rechtlichen Bandes durch die Bildung eines weiteren, des herausgelöst, freigegeben Vermögensteils, hier der Geschäfts-betrieb des InsOschu..
Soweit so gut.

Wenn nun Ihr InsOVerw. die Vorschrift des §295Abs.2InsO und zwar im laufenden Verfahren zum Anlass nimmt eine Abführungsverpflichtung! mit dem selbständig tätigen InsOSchu. zum Ausgleich etwaig des Masseabgangs zu vereinbaren so ist dies unzulässig. An keiner Stelle der InsO ist diese Berechtigung des InsOVerw. zur Ausgestaltung bzw. zur kreativen Fortbildung der InsO ausgeführt. Derzeit sind Entscheidungen des BGH zur etwaigen "Vorverlagerung" des§295Abs.2InsO in das laufende Verfahren nicht vorhanden.Die Aufgaben des InsOVerw. ergeben sich ja gerade und dies abschließend aus §80Abs1.InsO, dies sind die Verwaltung und Verfügung des in beschlggenommen InsOSchuVermögens.

Pflichtverstöße aus§290Abs.1nr.5InsO besziehen sich n.h.M und Rechtsprechung bisher nur auf die §§ 20, 97,98 und 101 InsO.
 
Der Abschluss einer Abführungsvereinbarung zum Zwecke der Kompensation der freigegeben einzelgegenständlichen Geschäftsvermögens ergibt sich nicht durch den Umkehrschluss der WVP-Obliegenheit des §295Abs.2InsO. Diese Obliegenheit gilt tatsächlich ausschließlich in der Wohlverhaltens-periode.

Wenn Sie nun der Auffassung sind das der von Ihnen angeführte RegE die dazu nötige analoge Anwendungsberechtigung zur Anwendung des§295Abs.2InsO für die laufende Insolvenzverfahrensphase liefert so irren Sie. Es handelt sich dabei lediglich um eine Empfehlung Zitat S.30ff.Nr.12 d.RegE "...es bietet sich an...". Damit steht klar, das sich der Verweis in§35Abs.2S.2InsO auf §295Abs.2InsO gerade nicht als gesetzliche Anspruchsgrundlage einer etwaigen Verpflichtung zur Sinngemäßen Abführung eines Betrages n. §295Abs.2InsO aus einem fiktiven Dienstverhältnis im Laufenden Verfahren eignet.

Für den Fall, dass Ihr InsOVerw. evtl. eine Ausübungsüberlassung des Geschäftbetriebs erklärt hat, so unterscheidet sich diese wiederum erheblich von einer klassischen Freigabeerklärung gem. §35Abs.2InsO. Solche Ausübungsüberlassungen sind mir durch diverse Berufskollegen bekannt und bieten sich durchaus an, dies auch zu vereinbarten Konditionen, den überlassenen "Masseabgang" zu kompensieren.

Aber dieses Szenario haben Sie ja so nicht gemeint... oder doch?! :neutral:

Im Übrigen" Richtig informiert werden wir jeden Tag aufs Neue".

Mit vorzüglichen Grüssen

    

    

Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 21. Februar 2011, 23:57:14
Robinhot,

also hier irrst Du. Es gibt diese Zahlungsverpflichtung sehr wohl. Die genannten Artikel kannst Du unter Lexis nachlesen, sind von kompetenten Leuten geschrieben (einem Insolvenzanwalt einer renommierten Kanzlei sowie einem in Insolvenzkreisen bekannten Richter am OLG Dresden). Die Meinungen sind nicht nur in der gesamten Insolvenzbranche konsensfähig sondern finden sich auch in allen Kommentaren der Insolvenzordnung wieder.

Mag vielleicht sein, dass Du das Insolvenzrecht umkrempeln willst und Dir sagst, das sind alles Idioten die das geschrieben haben und von der Materie haben die keine Ahnung. Der Meinung kann man sein, muss man aber auf der Hut sein. Wieviel Semester Jurastudium, wieviele kollegiale Unterstützung aus Fachkreisen der Insolvenzjuristen hast Du da entgegenzuhalten ? Einfach nur zu sagen "das glaube ich nicht solange nicht der BGH dazu geurteilt hat" ist keine weitsichtige Haltung. Und eben aus diesem Grund, weil im Internet wirklich kaum brauchbare Informationen (zumindest kostenfrei) angeboten werden, habe ich diesen Thread hier ins Leben gerufen. Nichts gegen Deine Meinung dazu, die ist in meinen Augen aber laienhaft und nicht wirklich gut begründet.

Und zum Thema meiner Frage zurück (die eigentlich eindeutig formuliert ist) - es geht hier um die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach §35 Abs.2 InsO. Das kann keinen Bezug zur WVP haben, da es dann kein Insolvenzverfahren im eigentlichen Sinne mehr gibt (Aufhebungsbeschluss). Und es geht auch nicht um Eigenverwaltung. Eigentlich ist schon alles im Titel klar definiert.

Und es gibt auch keine Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter, in dem ich eine Zahlungspflicht im Gegenzug der Freigabe anerkenne. Das war früher mal der Regelfall (bis 2006) bevor der §35 Abs.2 im Gesetz eingeführt wurde. Heute braucht der Verwalter das nicht mehr, der gibt die Tätigkeit frei und daraus ergibt sich konkludent die Verpflichtung zu einer Ausgleichszahlung analog zu §295 Abs.2 mit der Ausnahme, dass diese keine reine Obliegenheit sondern eine Zahlungspflicht ist.

Der IV hat nach allen ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnissen zu ermitteln, welcher Pfändungsbetrag sich bei einem adäquaten abhängigen Beschäftigungsverhältnis ergibt und diesen einzufordern. Hierzu ist es sinnvoll wenn der Schuldner dazu entsprechende eigene Angaben oder Recherchen macht, so kann man das ein wenig nach "unten" beeinflussen. Einzige Möglichkeit des Schuldners sich gegen eine unliebsame Erklärung des IV zu wehren, ist eine Erklärung dahingehend, dass eine Ausübung der freigegebenen selbständigen Tätigkeit nicht stattfindet. Hier darf der Schuldner dann die Tätigkeit nicht selbständig ausüben und muss sich bei Vorliegen der Verfahrenskostenstundung eben um eine abhängige Beschäftigung bemühen.

Der Fall, dass die Tätigkeit nicht freigegeben wird und die Einkünfte in vollem Umfang zu Masse gezogen werden, dürfte m.E. der Ausnahmefall sein. Die Regelung kommt aber durchaus zum Tragen für den Zeitraum vor Zustellung der Freigabeerklärung beim Schuldner. Wenn die Tätigkeit nämlich bereits ausgeübt wurde, wird für die auf den Zeitraum vor Wirksamwerden der Freigabeerklärung entfallen Einkünfte zur Insolvenzmasse gehören und vom IV eingezogen.

Wenig Informationen habe ich allerdings bisher für den Fall gefunden, dass die Beträge tatsächlich nicht vom Schuldner abgeführt werden. Nach h.M. ist eine Leistungsklage und Vollstreckung gegen den Schuldner vom IV zulässig. Das gilt sowohl für den Fall der Weigerung des Schuldners als auch für den Fall dass der Schuldner durch die freigegeben Tätigkeit zu wenig oder keine Erträge oder gar Verluste erwirtschaftet.
Sofern tatsächlich wenig oder keine Einkünfte erzielt werden, ist eine Pfändung in das nicht dem IV unterliegende Vermögen / Einkünften schwierig aber nicht unmöglich. Die Entscheidung über den abzuführenden Betrag wird in diesem Fall nicht das IG sondern das zuständige Prozessgericht (Amtsgericht) treffen. Die Zahlungsverpflichtung alleine ist noch kein vollstreckungsfähiger Titel, den müsste der IV nämlich erstreiten um dann gegen den Schuldner zu pfänden.

Da das Verfahren irgendwann (nach 6 Jahren) abgeschlossen sein muss, ist eine Verteilung danach an die Gläubiger nicht mehr möglich. Eine Vorleistung der abzuführenden bzw. einzuklagenden Beträgen kommt aber auch nicht in Betracht, durch wen auch ? Hinzu kommt, dass für diese Leistungklage / Vollstreckung die RSB nicht greift (da nach Insolvenzeröffnung entstanden). Die für mich spannende Frage wäre in diesem Zusammenhang, was eigentlich mit einem erstrittenen Titel des IV gegen den Schuldner nach Ablauf des Insolvenzverfahrens passiert. Also wer Nutzießer des Titels wäre. Eine Verteilung an die Gläubiger wäre dann nicht mehr möglich, die Staatskasse bekommt ihre Kosten über §4b der InsO und der IV / TH wurde ja bereits von der Staatskasse bezahlt.

Der wahrscheinlichste Fall dürfte daher die Versagung der RSB nach §290 Abs.1 Nr.5 sein (fehlende Mitwirkungspflichten des Schuldners). Die Versagung kann ein beliebiger Gläubiger beantragen nachdem er einen entsprechenden Bericht des IV / TH erhalten bzw. gelesen hat. Selbst wenn kein Gläubiger einen solchen Antrag stellt, so wird das IG den vorliegenden Stundungsbeschluss für die Verfahrenskosten aufheben, in der Folge hätte der Schuldner in einer kurzen Frist sämtliche (noch offene) Verfahrenskosten zu tilgen, andernfalls wird das Insolvenzverfahren ohne Erteilung der RSB aufgehoben und der Schuldner hat nun einen weiteren Gläubiger dazu, die Staatskasse.

Umgehen kann man dies m.E. lediglich durch die Erklärung des Schuldners, die freigegebene selbständige Tätigkeit nicht (mehr) auszuüben. Dann entfällt auch die Pflicht zur Ausgleichszahlung analog §295 Abs.2 InsO.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Robinhot am 22. Februar 2011, 01:34:35
Hallo Tomwr,

mehr als Ihre permanente Verweigerung sich einmal mit dem Gestz zu befassen kann ich leider nicht feststellen.
Wenn Sie der Meinung sind, das meine Antworten hier laienhaft sind dann irren Sie.
Der Unterschied zwischen Ihren und meinen Ausführungen sind doch offensichtlich. Sie verlassen sich in Ihrer Rechtsauffassung auf die Aufsätze und etwaigen Kommentare Dritter die sich zudem nirgends im Gesetz wider finden.

Fakt ist eines und dies sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen:
BGH Beschlüsse fehlen bisher dazu. Aus dem Gesetz insbesondere der InsO ergibt sich zudem gerade keinerlei Sanktion. Und Falls ich einmal in der Nähe sein sollte werde ich benannten Kollegen dazu ansprechen.

Führen Sie doch einmal einen einzig Nachweis dahin gehend. Bisher haben Sie außer bloße Links zu setzen, keinerlei Nachweis erbracht.

Und entschuldigen Sie bitte, aber wenn Sie immer zu der Meinung sind, Sie wüssten die Lösung dieser offensichtlichen Murks-Norm, warum haben Sie dann diesen Thread eröffnet. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie lediglich den RegE linken wollten?

Soweit so gut, meinen Sie was Sie wollen. :whistle:

Mit vorzüglichen Grüssen



  
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: paps am 22. Februar 2011, 19:03:47
Nur mal so, nicht um die "Diskussion" zu brechen.
Professor Dr. Hugo Grote hatte sich 2004 mal in einem Artikel damit beschäftigt.
Sein Fazit:
Zitat von: Zur Abführungspflicht des Selbstständigen gem. § 295 Abs. 2 InsO in der Wohlverhaltensperiode
von Professor Dr. Hugo Grote, Köln
  Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Regelung des § 295 Abs. 2 InsO zwar viele ungeklärte Fragen aufwirft, grds. aber als ausgewogenes System zur Einbeziehung des Einkommens des selbstständigen Schuldners angesehen werden kann, zu dem es wohl keine sinnvolle Alternative gibt. Das Verfahren belastet die Gerichte und Treuhänder denkbar wenig, durch die Hürde der Glaubhaftmachung einerseits und dem Damoklesschwert der Versagung andererseits wird es den verschiedenen Interessen der Beteiligten gerecht.

Allenfalls sollte darüber nachgedacht werden, ob de lege ferenda eine gerichtliche Feststellung des fiktiven Abführungsbetrages installiert werden sollte
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Robinhot am 22. Februar 2011, 22:38:57
Hallo paps,

den entsprechenden Aufsatz von Prof.Grote kenne ich. In diesem stellt er den Problemkreis des §295Abs.2InsO im übertragenen Sinne als "Preis für die RSB" dar.

Zu der von Tomwr thematisierten Problematik der Anwendbarkeit des§295Abs.2InsO bereits im eröffneten, laufenden InsoVerf. wird aber in diesem Aufsatz von Prof.Grote wenig Bezug genommen.

Insofern bin ich ganz bei Tomwr! In der Tat, es ist ein Problem nicht nur für den InsoSchu die "Angemessenheit" n.§295Abs.2InsO zu bestimmen. Aber auch für den etwaig Versagungsantrag stellenden Gläubiger ist die substantiierte Glaubhaftmachung einer Plichtverletzung zu §295Abs.2InsO im eröffneten InsOVerf. nicht ohne Stolpersteine.

Für die WVP geltend wurde bereits durch den BGH am 18.12.2008 - IX ZB 249/07
bestätigt, dass die Obliegenheiten des InsoSchu gem. § 295 InsO ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Ankündigung der Restschuldbefreiung somit in der WVP gelten. Zuletzt wurde dies nochmals durch den Senat bestätigt, vgl. BGH, Beschluss vom 13. 1. 2011 - IX ZB 113/ 10.

Eine analoge Anwendung dieser Obliegenheit i.S. einer Zahlungsverpflichtung und diese bereits auf das eröffnete und laufende InsOVerf. anzuwenden ist mir nicht bekannt.

Liest man den BGH Beschluss vom 18. 11. 2010 - IX ZB 137/ 08 wird man zur Erkenntnis kommen müssen, dass auch die Hürden der ein Versagungsverfahren betreibenden Gläubiger zur Glaubhaftmachung des SCHULDHAFTEN Pflichtverstoßes durch den InsOSchu keineswegs so niedrig sind. Schon gar nicht bei gut vorbereiteten beratenen zudem redlichen InsoSchu..

Mit vorzüglichen Grüssen

 
 
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 23. Februar 2011, 00:54:37
Führen Sie doch einmal einen einzig Nachweis dahin gehend. Bisher haben Sie außer bloße Links zu setzen, keinerlei Nachweis erbracht.

Und entschuldigen Sie bitte, aber wenn Sie immer zu der Meinung sind, Sie wüssten die Lösung dieser offensichtlichen Murks-Norm, warum haben Sie dann diesen Thread eröffnet. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie lediglich den RegE linken wollten?

Ich habe genügend Nachweise und Zitate genannt. Welche Nachweise bringst Du denn in dieser Sache außer bloße Behauptungen aufzustellen und sich aufgrund der m.E. immer noch laienhaften Meinung zu stützen, solange kein BGH Urteil dazu existiert wäre nix bewiesen ? Wieviel Semester Jura studiert ? Wie lange im Insolvenzverfahren, Freigabeerklärung OHNE Zahlungsverpflichtung konkret vorliegen ?

Ich weiß halt wovon ich hier rede da ich sowohl im Insolvenzverfahren selbständig tätig bin, Freigabeerklärungen konkret vorliegen habe und mich ich weiß nicht wieviele Dutztend Stunden mit den entsprechenden Themen und Recherchen dazu befaßt habe. Das sich jemand hinstellt und sämtliche Insolvenzkommentare (die konkret auf die Zahlungsverpflichtung Bezug nehmen) als "Murks" bezeichnet, selbst keine weiteren Rechtsquellen benennen kann und sich lediglich auf eine wortwörtliche Auslegung eines Paragraphen bezieht ist mit Verlaub gesagt ein wenig lächerlich.

Warum ich den Thread eröffnet habe ? Weil in der Tat zum Zeitpunkt der Eröffnung Unklarheiten bestanden. Leider konnte hier im Forum kaum jemand konkret Stellung nehmen zu den offenen Fragen so dass ich gezwungen war in diese Thematik selbst tiefer einzusteigen. Dass ich die daraus resultierenden Ergebnisse hier mitteile ist m.E. selbstverständlich.

Wenn hier jemand dann seine Meinung dazugibt, dann erwarte ich schon dass derjenige auch tatsächlich etwas weiß und nicht lediglich etwas "glaubt zu wissen". Und selbst die entsprechenden Rechtsquellen dazu benennt, die die persönliche These stützen. Alles andere ist wenig hilfreich oder glaubwürdig. Wer einen LEXIS Account hat kann auf die von mir genannten Rechtsquellen zugreifen. Nicht alle Informationen sind immer über Google zu finden und nicht alle Informationen sind immer kostenlos. Und wer nicht mal einen Insolvenzkommentar sein eigen nennen kann sollte von Behauptungen ohne Beweiskraft doch lieber Abstand nehmen.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Robinhot am 23. Februar 2011, 01:10:02
Hallo Tomwr,

jetzt halt mal die Luft an. Ich dachte Du magst Sachlich diskutieren. Statt dessen verpasst Du Jedem der Dir antwortet "Watschen".

Wenn Du meinst, Du tust das Richtige, dann mach es doch so.

Glaub mir ich bin vom Fach, obs Dir passt oder auch nicht :smoke:

Mit vorzüglichen Grüssen
 

 
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Insokalle am 23. Februar 2011, 17:51:57
also ich für meinen Teil zähle mich zu den Ungläubigen

Bisher habe ich auch nur gelesen, dass der IV die §§ 35 Abs. 2, 295 Abs. 2-Beträge einklagen kann. Wie und wonach dies nun genau geschehen soll, bleibt unklar. Allerdings macht es einen gewissen Sinn, denn die Beträge dürften zur Insolvenzmasse gehören. Die vollstreckbare Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses berechtigt zu Heraugabevollstreckungen der Insolvenzmasse. Lediglich der Betrag an sich muss noch konkretisiert werden. Dies kann im Klagewege geschehen.

Zahlt der Schuldner nicht, kommt m.E. eine Versagung der RSB über § 290 Abs. 1 Nr. 5 in Frage.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 24. Februar 2011, 00:34:19
Ich dachte Du magst Sachlich diskutieren. Statt dessen verpasst Du Jedem der Dir antwortet "Watschen".

Natürlich mag ich sachlich diskutieren, erwarte aber auch vom Diskussionspartner eine gewisse Sachlichkeit. Du bleibst bei Deinen Interpretationen jede Rechtsquelle schuldig, forderst aber von anderen sie mögen alles belegen. Das habe ich übrigens getan, die Quellen sind exakt benannt und für jeden nachprüfbar.

Du bist vom Fach und berufst Dich darauf, dass der §295 Abs.2 keine Zahlungsverpflichtung benennt sondern lediglich eine Obliegenheit. Der §295 Abs.2 ist aber nicht isoliert zu betrachten sondern im Zusammenspiel mit §35 InsO. Hier ist es notwendig den gewollten Sinnzusammenhang durch Auslegung zu ergründen, nämlich was der Gesetzgeber eigentlich erreichen wollte aber wie so oft "ungenau" definiert wurde. Das ist täglich Brot der Juristen. Und es ist normal, dass dabei häufig der Gesetzentwurf und die Kommentare dazu ergänzend hinzugezogen werden. Häufig ist nur eine gewählte Formulierung oder ein Kontext in der Umsetzung falsch gewählt.

Zitat
Auslegungsziel ist Sinn- und Inhaltsermittlung der Normen. Abstrakte Begriffe erhalten dadurch eine konkrete Bedeutung. Normen müssen interpretiert werden, sie sind weder selbstverständlich noch eindeutig. Schon die Feststellung der Eindeutigkeit ist ein Akt der Auslegung (anders im Absolutismus [In claris non fit interpretatio] oder im angloamerikanischen und französischen Rechtskreis [Sens clair- oder Acte-clair-doctrin] – hier durfte ein vermeintlich klar und eindeutig formulierter Rechtstext nicht ausgelegt werden).[23]

Ist der Inhalt bzw. der Sinn einer Norm aber zweifelhaft, ist stets Interpretation und Auslegung geboten. Dann stellt sich die Frage, ob der vom Normgeber subjektiv gewollte oder objektiv verfolgte Sinn (das „Gesagte“) ermittelt werden muss. Neben diesem sachlichen Unterschied gibt es noch einen Zeitlichen. Soll dabei auf den historischen Zeitpunkt des Normsetzung abgestellt werden oder auf den aktuellen Zeitpunkt der Normauslegung? Kombiniert man diese beiden Fragen, so ergeben sich vier Möglichkeiten, um das Ziel der Auslegung zu bestimmen:

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Auslegung_%28Recht%29



@paps

Du beziehst Dich auf eine Aussage von Prof. Grothe aus dem Jahr 2004. Ich darf hier erinnern, dass die hier diskutierte Regelung des §35 Abs.2 InsO erst durch das Insolvenzänderungsgesetz 2006 geschaffen wurde und die Stellungnahme aus 2004 daher obsolet ist.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Robinhot am 24. Februar 2011, 23:18:52
Hallo Tomwr,

Ihre haltlosen Unterstellungen schenk ich Ihnen, denn die sind weder zielführend noch glaub ich ist es das was Sie hier suchen, oder doch?

Wenn Sie aber tatsächlich sachlich diskutieren mögen, dann erklären Sie uns "Laien" doch einmal wie Sie entgegen der von mir vorstehend genannten BGH Beschlüsse vom 13. 1. 2011 - IX ZB 113/ 10 und vom 18.12.2008 - IX ZB 249/07 zu Ihrer Praktischen Erkenntnis kamen, dass §295Abs.II InsO den IV zur Leistungsklage berechtigt.

Vielicht ist es zudem der Aufklärung des Sachverhaltes dienlich, in welchem Bereich Sie beruflich tätig sind. (Produktionsbetrieb oder Dienstleister?)

Sie schrieben vorstehend, dass Ihr IV einen um € 40,- höheren Betrag als angemessen einforderte. Vieleicht wären Sie so freundlich und führen einmal aus, wie diese Vereinbarung oder auch Zahlungsforderung des IV im laufenden Verfahren begründet war?

Verstehen Sie mich nicht falsch, aber Sie haben hier einen Problemkreis zum Thema gemacht der in einigen Fachkreise eher als Haftungsdilema einer durch den Gesetzgeber "vermurksten" Norm, nämlich des§35Abs.2InsO,§295Abs.2InsO bewertet ist.

Mit vorzüglichen Grüssen

 


Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 24. Februar 2011, 23:56:27
Wenn Sie aber tatsächlich sachlich diskutieren mögen, dann erklären Sie uns "Laien" doch einmal wie Sie entgegen der von mir vorstehend genannten BGH Beschlüsse vom 13. 1. 2011 - IX ZB 113/ 10 und vom 18.12.2008 - IX ZB 249/07 zu Ihrer Praktischen Erkenntnis kamen, dass §295Abs.II InsO den IV zur Leistungsklage berechtigt.

Ich habe nicht geschrieben, dasss §295 Abs.2 an und für sich zur Leistungsklage berechtigt, sondern dass nicht abgeführte Beträge als Ausgleichszahlung für eine selbständige Tätigkeit im laufenden Insolvenzverfahren (vor WVP) zur Zahlungspflicht führen (die mit einer Leistungsklage des IV durchgesetzt werden kann und muss). Ich habe extra geschrieben §35 Abs.2 InsO in Verbindung mit §295 Abs.2 InsO. Hast Du das nicht gelesen oder nicht verstanden ? Beide genannten Urteile haben mit Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Insolvenzverfahren nichts zu tun und sind daher für diesen Anwendungsfall nicht relevant. Obwohl im ersten Fall (Urteil vom 13.01.2011) kann ichs noch nicht mal genau sagen weil überhaupt keine sachlichen Details daraus bekannt sind (warum-wieso-weshalb).

Zitat
So liegt der Fall hier. Weder dem Beschluss des Insolvenzgerichts, auf den das Beschwerdegericht sich bezieht, noch demjenigen des Beschwerdegerichts lässt sich entnehmen, welche Obliegenheitsverletzung die Gläubigerin dem Schuldner vorgeworfen und glaubhaft gemacht hat und in welchem Verfahrensstadium sich das Insolvenzverfahren im Zeitpunkt des behaupteten Pflichtverstoßes sowie im Zeitpunkt der Antragstellung befand.



Vielicht ist es zudem der Aufklärung des Sachverhaltes dienlich, in welchem Bereich Sie beruflich tätig sind. (Produktionsbetrieb oder Dienstleister?)

Das ist für die Freigabe nach §35 Abs.2 vollkommen irrelevant.



Sie schrieben vorstehend, dass Ihr IV einen um € 40,- höheren Betrag als angemessen einforderte. Vieleicht wären Sie so freundlich und führen einmal aus, wie diese Vereinbarung oder auch Zahlungsforderung des IV im laufenden Verfahren begründet war?

Ich habe um Freigabe gebeten und dargelegt, wieviel man in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis nach meinen Verhältnissen voraussichtlich verdienen kann (MEINER MEINUNG NACH).

Der IV hat daraufhin selbst recherchiert wieviel man SEINER MEINUNG NACH (nach seinen Erkenntnissen) in einem entsprechenden Beschäftigungsverhältnis verdienen kann und kommt dabei zu einem um 40 EUR höheren Pfändungsbetrag.

Ich habe nun die Auswahl aus 3 Möglichkeiten:
1. Zahlen was der IV fordert
2. Einstellen der selbständigen Tätigkeit
3. Streiten mit dem IV was voraussichtlich zu einem gerichtlichen Verfahren mit Feststellung des Prozessgerichts endet, wieviel nach den gegebenen Verhältnissen abzuführen sind

Unter Berücksichtigung aller Umstände (3. könnte auch zu einem noch höheren Betrag führen) habe ich für mich entschieden dass die 1. Option die momentan für mich günstigste und risikoärmste Variante ist. Kann natürlich jeder selbst halten wie er will.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Robinhot am 25. Februar 2011, 00:28:13
Wieso sollten diese von mir genannten Beschlüsse irrelevant auf die anwendung des 295II sein? Es ging ja gerade darum, ob 295, ihrer Behauptung nach,in das laufende Verfahren vorverlegt werden darf.
Diese Beschlüsse definiern den Zeitpunkt der Anwendung. Somit besteht Relevanz.

Sie erwähnen eine Zitat "..Ausgleichszahlung...". Ausgleich für den Masseabgang?

Naja Ihre Angabe zur Erwerbstätigkeit hätte durchaus weiter helfen können.
Es soll ja Sondernormen für Freie Berufe geben, Aber davon haben Sie ja sicher schon gehört.

Ich sehe, die Recherche und die Zahlungsaufforderung des IV zu §295Abs2InsO
als Möglichkeit aus einem etwaigen Verschulden welches ja in §296Abs.1S.1InsO zu exkulpieren. Mit Interesse lass ich daher, dass der IV den abzuführenden Betrag a)recherchiert und b)feststellt. Dann hat sich doch i.w. erledigt und steht der "Murks" mit der "Angemessenheit" perspektivisch nicht mehr f einen bockigen Gläubiger zur Verfügung.

Sie sind auch ohne Freigabe bereits selbständig tätig?

Mit vorzüglichen Grüssen
     
 
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 25. Februar 2011, 18:34:29
Wieso sollten diese von mir genannten Beschlüsse irrelevant auf die anwendung des 295II sein? Es ging ja gerade darum, ob 295, ihrer Behauptung nach,in das laufende Verfahren vorverlegt werden darf.
Diese Beschlüsse definiern den Zeitpunkt der Anwendung. Somit besteht Relevanz.

Na jetzt ist wohl der Groschen gefallen.  :wink:

Wie kann es sein, dass eine Regelung über Obliegenheiten die erst in der WVP gelten in das laufende Verfahren vorverlegt werden ? Genau mit dieser Frage haben sich die Juristen ausdauernd befasst. Hintergrung ist §35 Abs.2 InsO der Bezug nimmt auf §295 Abs.2 und diesen sozusagen explizit bereits im Insolvenzverfahren "aktiviert". Da der Gesetzgeber es sich hier einfach gemacht hat mit lediglich einem Verweis ist es eben notwendig das Gesetz an dieser Stelle auszulegen, was genau hier eigentlich beabsichtigt war und wie es in einem rechtlichen Kontext (Insolvenzbeschlag) gedeutet werden kann und muss. Und da §35 InsO unbestritten im laufenden Verfahren gilt und auf §295 Abs.2 explizit Bezug nimmt muss also auch §295 Abs.2 InsO im laufenden Verfahren gelten, jedoch nur in Bezug auf die Freigabe der selbständigen Tätigkeit.

Zitat
§ 35 Begriff der Insolvenzmasse
(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295 Abs. 2 gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

Die genannten Entscheidungen haben mit dem Fall der Freigabe nach §35 Abs.2 InsO (selbständige Tätigkeit) nichts zu tun, zumindest gibt es keinerlei Hinweis darauf. Die Regelungen zur Obliegenheit in den §§ 286-303 werden an mehreren Stellen im Insolvenzgesetz bemüht (angewendet), so auch im §4c InsO (Stundung der Verfahrenskosten) und auch hier im Eröffnungsverfahren und genau genommen sogar bereits im Antragsverfahren.

Zitat
§ 4c Aufhebung der Stundung
Das Gericht kann die Stundung aufheben, wenn

1. der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben über Umstände gemacht hat, die für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Stundung maßgebend sind, oder eine vom Gericht verlangte Erklärung über seine Verhältnisse nicht abgegeben hat;

2. die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Stundung nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind;

3. der Schuldner länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages schuldhaft in Rückstand ist;

4. der Schuldner keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich nicht um eine solche bemüht oder eine zumutbare Tätigkeit ablehnt; § 296 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend;


5. die Restschuldbefreiung versagt oder widerrufen wird.

Auch hier hat es sich der Gesetzgeber "einfach" gemacht in der Formulierung. Hier wird die in §296 festgelegte Regelung angewendet, obwohl die Erfüllung der Obliegenheiten erst mit Beginn der WVP gefordert sind. Im Allgemeinen. Nicht jedoch im Fall der Verfahrenskostenstundung. Hier ist es zwar eine tatsächliche Obliegenheit geblieben, also keine einklagbare Leistung gegen den Schuldner besteht, wohl aber ein Rechtsverlust (das Recht auf Stundung der Verfahrenskosten in mittellosen Fällen) wenn keine ausreichende Beschäftigung ausgeübt wird. Durch den Bezug auf §296 Abs.2 Satz 2 und 3 ist der Schuldner verpflichtet über die Erfüllung dieser Obliegenheit Auskunft zu geben obwohl die Obliegenheiten im Allgemeinen erst nach Ankündigung der Restschuldbefreiung gelten.


Es soll ja Sondernormen für Freie Berufe geben, Aber davon haben Sie ja sicher schon gehört.

Nein, davon habe ich noch nicht gehört. Na dann schieß mal los.
Welche Berufe und welche Besonderheiten hinsichtlich der Freigabe der selbständigen Tätigkeit ?
Bitte wenn dann aber ggf. mit Quellenangaben.


Mit Interesse lass ich daher, dass der IV den abzuführenden Betrag a)recherchiert und b)feststellt. Dann hat sich doch i.w. erledigt und steht der "Murks" mit der "Angemessenheit" perspektivisch nicht mehr f einen bockigen Gläubiger zur Verfügung.

Die Recherche und die Feststellungen dazu muss er pflichtgemäß treffen, da er gegenüber den Gläubigern verpflichtet ist. Meiner Meinung nach kann er sogar den abuführenden Betrag erhöhen wenn sich aus der tatsächlichen Erwirtschaftung deutlich höhere Einkünfte ergeben. Nach h.M. steht es weder dem IV noch dem Insolvenzgericht wirklich zu, diesen Abführungsbetrag festzulegen. Solange niemand Einwendungen erhebt ist der Schuldner meiner Meinung nach schon auf der sicheren Seite.

Generell hat die Feststellung darüber ein Prozessgericht zu treffen (nicht das Insolvenzgericht) im Falle einer streitigen Auseinandersetzung über die Höhe. Sprich der IV hat gegen den Schuldner zu klagen, im Rahmen dieser Klage die Höhe der voraussichtlichen Ansprüche der Masse zu "schätzen" und das Gericht hat dann konkret dazu zu entscheiden. Dann ist man wirklich auf der sicheren Seite. Aber wo kein Kläger da kein Richter.

Bezüglich der "Kläger" ist auch die Sonderregelung in §35 Abs.2 InsO zu berücksichtigen. Den Gläubigern steht schon das Recht zu, die Freigabe des IV anzufechten, z.B. wenn diese den definierten Abführungsbetrag für zu niedrig halten.

Zitat
§35 Abs.2 InsO
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295 Abs. 2 gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Robinhot am 25. Februar 2011, 23:45:26
Hallo Tomwr,

["Und da §35 InsO unbestritten im laufenden Verfahren gilt und auf §295 Abs.2 explizit Bezug nimmt muss also auch §295 Abs.2 InsO im laufenden Verfahren gelten, jedoch nur in Bezug auf die Freigabe der selbständigen Tätigkeit."]

-->wurde auch nie bestritten, aber es bleibt dem Schu anheim gestellt 295II eigenverantwortlich und "angemessen"zu erfüllen. Eine Berechtigung des IV zur Leistungsklage, z.B. bei Nicht- oder der Höhe nach Nichrichtig abgeführter Beträge existiert nicht!

["Die Recherche und die Feststellungen dazu muss er pflichtgemäß treffen, da er gegenüber den Gläubigern verpflichtet ist. Meiner Meinung nach kann er sogar den abuführenden Betrag erhöhen wenn sich aus der tatsächlichen Erwirtschaftung deutlich höhere Einkünfte ergeben."]

-->Nein! Der IV hat nach erfolgter Freigabe keine Verpflichtung eine Feststellung hinsichtlich des "angemessenen" damit abzuführenden Betrages zu treffen. BITTE NENNE DAZU EINE RECHTSQUELLE, EINE URTEIL oder BESCHLUSS... i.ü. Wikipedia ist keine Quelle!

["Bezüglich der "Kläger" ist auch die Sonderregelung in §35 Abs.2 InsO zu berücksichtigen. Den Gläubigern steht schon das Recht zu, die Freigabe des IV anzufechten, z.B. wenn diese den definierten Abführungsbetrag für zu niedrig halten."]

-->Stimmt, ABER die Gläubiger sind nachweispflichtig, reine Behauptungen reichen nicht! Die Abweisung eines solchen Versagungsntrages ist aus meinen Augen die Berechtigung zur Strafanzeige ggü. diesen GL. Ich bin zwar kein Strafrechtler aber dies müsste evtl. §153StGB darstellen.

["Auch hier hat es sich der Gesetzgeber "einfach" gemacht in der Formulierung."]

-->Nein, das war durchaus gewollt so... ich unterstelle das Rechtsunsicherheit beabsichtigt war... wäre doch für die selbständigen Schu sonst zu erträglich.... Genormte Regelbeispiele, das wäre doch zu einfach,  der InsOschu könnte dann doch sicherer seine ihm obliegenden Verpflichtungen einschätzen. Diese Bewertung der Einschätzung des selbständigen InsOSchu wird SPÄTER in einem etwaigen Versagungsverfahren nur durch den Richter entschieden. Ausgerechnet in solch wichtigen Fragen gibt es im "deutschen Preussen" keine Regelung. Dies fällt auf!


I.Ü. macht es sehr wohl einen Unterschied ob ein InsOSchu das Risisko und die Chancen selbständiger Erwerbstätigkeit übernimmt. Dies tut der angestellte InsOSchu nicht! Die Begründung, dass dem selbständigen InsOSchu doch die den fiktiven Betrag übersteigenden Erträge verbleiben rechtfertigen NICHT das überproportionale Risiko in wirtschaftlicher und auch Insolvenzrechtlicher Konsequenzen. Um dies mal etwas plausibler darzustellen: Ein Nichtsabführender ANGESTELLTER InsOSchu erlangt die RSB weil er lediglich an §850cAbs.2aZPO gemessen wird. Übt dieser angestellte InsOSchu eine abhängige Erwerbstätigkeit aus die keine/kaum pfändbare Erträge entstehen lässt erlangt er trotz alldem die RSB. Anders ein selbständig tätiger InsOSchu, diesem obliegt 295II InsO mit allen Kosequenzen einer etwaig "unangemessenen" Abführung. Selbst im Falle einer Abführung, aber einer etwaig zu geringen Abführung, ist die RSB i.d.R zu versagen.(Einzelfalleintscheidungen ich weis)

In meiner täglichen Arbeit einer InsOKanzlei erlebe ich deswegen die eigentlich unbegründete Aufgabe von selbständigen Erwerbstätigkeiten und das bewusste in Kauf nehmen von Niedriglohn-Tätigkeiten. Und zur Bewerbungs-pflicht brauche ich hier nichts auszuführen. Bewerbungsschreiben kann man so oder auch so abfassen. Das hat mit Gleichbehandlung von selbständigen und angestellten InsOSchu nichts zu tun. Dies war Absicht! Das dies noch immer so gewollt ist zeigen Beschlüsse wie z.B. BGH IX-ZB-50-05. Es wird weiterhin nicht konkretisiert!  

Schauen Sie sich doch an, Sie recherchiren hier und machen sich als Selbständiger Nachts Gedanken ob Sie die Obliegenheiten erfüllen bzw. etwas zu otimieren und ein gleichwertiger Angestellter bekommt i.d.R. die RSB OBWOHL er u.U. kaum/Nichts abgeführt hat zudem Nachts denk ich besser schläft.

Dann sei es so...

Mit vorzüglichen Grüssen



        
    
 
 
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 26. Februar 2011, 21:14:19
Irgendwie hast Du ein Problem mit der Wirklichkeit. Daher bin ich gezwungen mal Dein Posting zu zerpflücken, was eigentlich überhaupt nicht meine Angewohnheit ist.

["Und da §35 InsO unbestritten im laufenden Verfahren gilt und auf §295 Abs.2 explizit Bezug nimmt muss also auch §295 Abs.2 InsO im laufenden Verfahren gelten, jedoch nur in Bezug auf die Freigabe der selbständigen Tätigkeit."]

-->wurde auch nie bestritten, aber es bleibt dem Schu anheim gestellt 295II eigenverantwortlich und "angemessen"zu erfüllen. Eine Berechtigung des IV zur Leistungsklage, z.B. bei Nicht- oder der Höhe nach Nichrichtig abgeführter Beträge existiert nicht!

Deine Aussage ist richtig für den Zeitraum nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Beginn der WVP. Während der Dauer des eigentlichen Insolvenzverfahrens (zwischen Eröffnung und Aufhebung) ist hier überhaupt nichts eigenverantwortlich vom Schuldner zu regeln. Dieser verliert seine Verfügungsbefugnis über sein Vermögen (sowohl was er hat als auch was er im Laufe des "laufenden" Verfahrens erlangt) nach §80 InsO an den IV. Es ist Pflicht des IV dieses Vermögen nach §§ 35,36 InsO zu verwerten andernfalls macht er sich haftbar gegenüber den Gläubigern.

Der Schuldner ist in dieser Phase nicht zur Arbeit verpflichtet weil sozusagen die Knechtschaft abgeschafft wurde. Dennoch hat es rechtliche Folgen wenn er freiwillig eine Tätigkeit (sei es abhängig beschäftigt oder selbständig) ausübt. Im Übrigen besteht aber eine generelle Erwerbsobliegenheit bei Stundung der Verfahrenskosten.


["Die Recherche und die Feststellungen dazu muss er pflichtgemäß treffen, da er gegenüber den Gläubigern verpflichtet ist. Meiner Meinung nach kann er sogar den abuführenden Betrag erhöhen wenn sich aus der tatsächlichen Erwirtschaftung deutlich höhere Einkünfte ergeben."]

-->Nein! Der IV hat nach erfolgter Freigabe keine Verpflichtung eine Feststellung hinsichtlich des "angemessenen" damit abzuführenden Betrages zu treffen. BITTE NENNE DAZU EINE RECHTSQUELLE, EINE URTEIL oder BESCHLUSS... i.ü. Wikipedia ist keine Quelle!

Wo habe ich denn hier bitteschön Wikipedia zitiert ? Bestimmt nicht in diesem Thread als rechtliche Quelle.
Mein Quellen stammen aus dem Hamburger Insolvenzkommentar, 3. Auflagen 20009. Ach ich vergaß, Robinhot ist leider nicht im Besitz eines Kommentars. Ja hast eben Pech gehabt. Wie bereits oben erläutert ist der IV verpflichtet das Vermögen des Schuldners im Interesse der Gläubiger zu verwalten und zu verwerten.

Bei einer selbständigen Tätigkeit hat der IV 3 Optionen (HambKInsO §35 Rz. 244)
a) eine Betriebsfortführung
b) selbständiges Wirtschaften des Schuldners
c) Enthaftung durch Freigabe

Eine Betriebsfortführung liegt in meinem Fall jetzt nicht vor, war auch nie beabsichtigt da der ausgeübte Geschäftsbetrieb keine ausreichenden Gewinne mehr abgeworfen hat. Sonst wäre ja auch keine Insolvenz notwendig gewesen. Zweite Option des IV ist die Duldung des selbständigen Wirtschaftens ohne Freigabe und Übernahme der massezugehörigen Erlöse und der daraus entstehenden Verpflichtungen. Das dürfte m.E. der Ausnahmefall sein da wie bereits vorher geschildert die Risiken einer selbständigen Tätigkeit kaum vorab rechtssicher abschätzbar sind. Daher bleibt es in aller Regel bei c) - wenn keine Betriebsfortführung nach a) - und hier hat der IV eine Erklärung abzugeben und eine Ausgleichszahlung für die Gläubiger zu veranschlagen nach §295 Abs.2 InsO. HambKInsO §35 Rz. 264

Bezüglich der Höhe der Abführungsbeträge kann und muss der IV Abführungsbeträge nach eigenem Ermessen im Interesse der Gläubiger veranschlagen und ist zur Durchsetzung der Ansprüche in Form einer Leistungsklage verpflichtet. Natürlich kann der Schuldner sich auf den Standpunkt stellen und behaupten, die geforderten Beiträge seien der Höhe nach nicht angemessen oder der Schuldner sei generell nicht verpflichtet zur Abführung. In diesem Fall hat das Prozessgericht, dass sich mit der Leistungsklage des IV befasst (nicht das Insolvenzgericht) diese Pflicht und die entsprechende Höhe festzustellen. Näheres zur Verfahrensweise siehe HambKInsO §35 Rz. 272-275

Im Übrigen ist die mangelnde Abführung der Beträge an die Insolvenzmasse eine Verletzung der Mitwirkungspflicht i.S.d. §290 Abs.1 Nr.5 InsO, siehe auch bereits genannte Quelle HambKInsO §35 Rz. 264


["Bezüglich der "Kläger" ist auch die Sonderregelung in §35 Abs.2 InsO zu berücksichtigen. Den Gläubigern steht schon das Recht zu, die Freigabe des IV anzufechten, z.B. wenn diese den definierten Abführungsbetrag für zu niedrig halten."]

-->Stimmt, ABER die Gläubiger sind nachweispflichtig, reine Behauptungen reichen nicht! Die Abweisung eines solchen Versagungsntrages ist aus meinen Augen die Berechtigung zur Strafanzeige ggü. diesen GL. Ich bin zwar kein Strafrechtler aber dies müsste evtl. §153StGB darstellen.

Falsch. Hier verwechselst Du einen Antrag auf Versagung der RSB nach §290 InsO mit dem Recht der Gläubiger die Erklärung des IV nach §35 Abs.2 Satz 3 anzufechten. Es ist das Recht der Gläubigerversammlung (wenn Gläubiger ihre Rechte im Verfahren geltend machen wollen) einen Antrag auf Unwirksamkeit der Erklärung des IV zu stellen und das Gericht hat diesem Willen statt zu geben. M.E. braucht noch nicht mal ein konkreter Grund für die Unwirksamkeit der Erklärung angegeben zu werden, schon gar nicht muss man irgendwas nachweisen.

Da die Gläubiger nicht immer sofort zu einem Antrag des Schuldners Stellung nehmen können, der IV aber in der Pflicht ist Risiken für die Insolvenzmasse unverzüglich zu beseitigen sofern mit den gesetzlich vorgesehenen Mitteln möglich, ist es völlig rechtskonform wenn der IV zunächst eine Erklärung abgibt und sich die Gläubigerversammlung später dagegen entscheidet. Im Falle der Einsetzung eines Gläubigerausschusses ist dieser berechtigt aber aufgrund mangelnder finanzieller Mittel bei der Verwaltung dürfte die Bestellung nur bei entsprechend "großen" Verfahren in Frage kommen. Karstadt, Quelle, etc. Schließlich erhalten die Mitglieder des Ausschusses ja dann auch eine Vergütung.

Rechtsquelle hier ist der HambKInsO §35 Rz. 266,267. Das Recht der Gläubiger zur Anfechtung der Erklärung ist analog zu den Rechten aus §157 InsO. Unklar sind sich die Juristen lediglich über die Rückwirkung der nachträglichen Anfechtung der Erklärung. Hier müsste der Schuldner die den Abführungsbeträgen übersteigenden Erlöse nach h.M. abgeführt werden sofern sie noch vorhanden sind. Das Entstehen einer neuen Verbindlichkeit gegenüber den Gläubigern wird im Allgemeinen abgelehnt, da der Erklärung des IV dem Schuldner ggü. auch eine Vertrauenswirkung nach §242 BGB zukommt.


["Auch hier hat es sich der Gesetzgeber "einfach" gemacht in der Formulierung."]

-->Nein, das war durchaus gewollt so... ich unterstelle das Rechtsunsicherheit beabsichtigt war... wäre doch für die selbständigen Schu sonst zu erträglich.... Genormte Regelbeispiele, das wäre doch zu einfach,  der InsOschu könnte dann doch sicherer seine ihm obliegenden Verpflichtungen einschätzen. Diese Bewertung der Einschätzung des selbständigen InsOSchu wird SPÄTER in einem etwaigen Versagungsverfahren nur durch den Richter entschieden. Ausgerechnet in solch wichtigen Fragen gibt es im "deutschen Preussen" keine Regelung. Dies fällt auf!

Diese Auffassung kann man vertreten hat aber einen leicht paranoiden Charakter. Wenn der Gesetzgeber Unklarheit wollte, hätte er den §35 Abs.2 InsO gar nicht erst eingeführt, er gilt ja erst sei 01.07.2007 (Insolvenzänderungsgesetz 2006). Natürlich war es sinnvoll diesen Punkt zu regeln, auch im Interesse des Schuldners. Ich kann mittlerweile auch verstehen, dass man Redundanzen im Gesetz möglichst vermeiden sollte und kann daher generell auch den vereinfacht hergestellten Bezug zu §295 Abs.2 InsO nachvollziehen. Rechtsunsicherheit besteht hier eigentlich nicht weil die Fälle geregelt und rechtlich sauber beurteilt sind. Lediglich wenn man die sich ergebenden Pflichten zur Abführung des Betrages gegen die verbreitete juristische Meinung nicht anerkennen will, hat man zugegeben eine Rechtsunsicherheit.

Ansonsten ist alles recht einfach. IV gibt die selbständige Tätigkeit gegen eine Ausgleichszahlung frei, Schuldner übt seine Tätigkeit aus und zahlt den Betrag und Ruhe ist. Was übrigens für diese Diskussion auch mal nicht schlecht wäre, gelle ?  :whistle:
Der Schuldner wird ja auch nicht verpflichtet die selbständige Tätigkeit unter den Bedingungen des IV auszuüben. Er ist nach wie vor frei in seinen Entscheidungen.


Ein Nichtsabführender ANGESTELLTER InsOSchu erlangt die RSB weil er lediglich an §850cAbs.2aZPO gemessen wird. Übt dieser angestellte InsOSchu eine abhängige Erwerbstätigkeit aus die keine/kaum pfändbare Erträge entstehen lässt erlangt er trotz alldem die RSB. Anders ein selbständig tätiger InsOSchu, diesem obliegt 295II InsO mit allen Kosequenzen einer etwaig "unangemessenen" Abführung. Selbst im Falle einer Abführung, aber einer etwaig zu geringen Abführung, ist die RSB i.d.R zu versagen.(Einzelfalleintscheidungen ich weis)

Hier machst Du aber einen Denkfehler und vermischt wieder die selbständige Tätigkeit im laufenden Insolvenzverfahren und im Falle der WVP. Eine Versagung im laufenden Verfahren nach §290 InsO ist nur möglich, wenn die vom IV geforderten (ggf. im Streitfall gerichtlich festgestellten) Beträge nicht abgeführt werden. Hier besteht eben keine Rechtsunsicherheit. Und mit den Bedingungen in der WVP befasst sich dieser Thread ausdrücklich nicht, ich muss hier nochmal auf den gewählten Titel "§35 InsO" verweisen.


In meiner täglichen Arbeit einer InsOKanzlei erlebe ich deswegen die eigentlich unbegründete Aufgabe von selbständigen Erwerbstätigkeiten und das bewusste in Kauf nehmen von Niedriglohn-Tätigkeiten. Und zur Bewerbungs-pflicht brauche ich hier nichts auszuführen. Bewerbungsschreiben kann man so oder auch so abfassen. Das hat mit Gleichbehandlung von selbständigen und angestellten InsOSchu nichts zu tun. Dies war Absicht! Das dies noch immer so gewollt ist zeigen Beschlüsse wie z.B. BGH IX-ZB-50-05. Es wird weiterhin nicht konkretisiert!  

Ich lach mich gleich schlapp. Du arbeitest in einer Insolvenzkanzlei ? Als Hausmeister ?  :whistle:
Das genannte Urteil beschäftigt sich schon wieder mit der WVP und nicht mit der selbständigen Tätigkeit im laufenden Insolvenzverfahren (zwischen Eröffnung und Aufhebung) nach §35 InsO. Kannst Du mal bitte beim Thema bleiben ? Dieser Thread befasst sich ausschließlich mit den Aspekten der selbständigen Tätigkeit im Falle der Freigabe, nicht generell. Das habe ich jetzt mindestens schon zum dritten Mal entgegnet in unserer Diskussion.

Im Übrigen wäre es mal hilfreich wenn Feuerwald oder malud mal zu der penetranten Argumenteverweigerung und Fehlinterpretation Stellung nehmen würden. Die sitzen wahrscheinlich jeden Morgen lachend im Büro. Na ich nehms halt locker. Viel Neues als Wiederholungen kann ja bald nicht mehr kommen. Obwohl man weiß es nicht.  :coffee:


Schauen Sie sich doch an, Sie recherchiren hier und machen sich als Selbständiger Nachts Gedanken ob Sie die Obliegenheiten erfüllen bzw. etwas zu otimieren und ein gleichwertiger Angestellter bekommt i.d.R. die RSB OBWOHL er u.U. kaum/Nichts abgeführt hat zudem Nachts denk ich besser schläft.

Bist Du jetzt auch noch Psychologe ? Ich beantworte die Fragen hier wenn ich Zeit und Lust dazu habe. Wie jeder andere auch. Bezeichnend ist aber doch, dass Du immer wieder kontra geben musst, meist in einem Zeitraum von 15 bis 30 Minuten nach meinem jeweiligen Posting. Das ist doch nun wirklich bezeichnend. Wahrscheinlich sitzt Du jetzt schon wieder auf heißen Kohlen um mein neues Posting kommentieren zu können. Aber irgendwann wirds langweilig, denk auch mal an die Leser die sich das hier geben müssen.  :mad2:

Aber Insolvenz ist hart drum habe ich auch kein Mitleid mit denen. Die müssen hierdurch, ob sie wollen oder nicht.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Robinhot am 26. Februar 2011, 23:26:34
Ich bin überzeugt, dass Sie es darauf anlegen, hier nicht konstruktiv zu diskutieren, sondern nur BLÖDSINN zu schreiben.

Sie behaupten Tatsachen, wider besseren Wissen, die geeignet sind Sie als Lügner zu identifizieren.

Dazu benötige ich auch keine Quellenangabe. Dies ergiebt sich aus Ihren substanzlosen Geschwaffel.

Woher nehmen Sie die Frechheit her widerholt falsche Tatsachen zu behaupten.
Wir sind in Besitz ganzer Kommentarreihen und Sie posten hier Ihren gebrauchten HK. :lollol:

Das Sie ausser dem "kleinen Kommentar" zur InsO der dazu noch veraltet erscheint nutzen wollen, ist erschreckend. Zudem Sie ihre eigenen Ausführungen ignorieren und in Abrede stellen macht Sie zudem unglaubwürdig.

Ihr fehlendes Wissen um die Praxis qualifiziert Sie. Sie meinen wiederholt und dies hartnäckig die Aufgaben und Pflichten eines IV zu kennen- dabei würden Sie nicht einmal 1 Woche der Probezeit in einer IV-Kanzlei überleben bei dem Schwachsinn den Sie hier zum Besten geben.

Du gehörst zu denen die zu Recht in der InsO feststecken.

Ich beende meine Teilnahme an diesem Thread.

   
 
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 28. Februar 2011, 22:29:50
Woher nehmen Sie die Frechheit her widerholt falsche Tatsachen zu behaupten.
Wir sind in Besitz ganzer Kommentarreihen und Sie posten hier Ihren gebrauchten HK. :lollol:

Ich habe Quellenangaben zu genüge gepostet, Du hast nicht eine einzige Aussage belegt. Du bist im Besitz ganzer Kommentarreihen ? Warum liest Du Sie dann nicht ? Es kam von Dir kein einziger gegenteiliger Beleg mit irgendeinem Bezug zu einem gegenteiligen Kommentar, Null komma Null Quellenangaben. Im Übrigen ist HK die offizielle Abkürzung für den Heidelberger Kommentar. Ich habe hier den Hamburger Kommentar zitiert. Ein weiterer Beweis, dass Du offenbar überhaupt keine Ahnung hast von dem was Du schreibst.


Das Sie ausser dem "kleinen Kommentar" zur InsO der dazu noch veraltet erscheint nutzen wollen, ist erschreckend.

Die Auflage aus 2009 ist keineswegs veraltet. Die Insolvenzordnung gibt es seit 01.01.1999 und der Kommentar beinhaltet damit 10 Jahre Rechtsprechung zu diesem Thema. Du selbst führst hier "alte" BGH Urteile aus dem Jahre 2008 an. Wie soll ich das denn in dem Kontext deuten ? Leider hast Du selbst außer Deinem Geschwafel nicht einen Beweis für Deine Kompetenz geliefert.


Du gehörst zu denen die zu Recht in der InsO feststecken.

Da hast vielleicht Probleme. Ich stecke überhaupt nicht in der InsO fest, es läuft bei mir alles bestens und nach Plan. Und fehlendes Praxiswissen kann ich in dieser Angelegenheit nur Dir unterstellen. Du meinst alles zum Thema selbständige Tätigkeit im Insolvenzverfahren zu wissen, bist aber offenbar überhaupt nicht selbständig tätig und/oder nicht in der Insolvenz. Und dass Du hier den Fachmann aus einer Insolvenzkanzlei mockierst ist schon abenteuerlich. Kein Insolvenzverwalter gibt heutzutage eine selbständige Tätigkeit ohne Ausgleichszahlung frei.


Ich beende meine Teilnahme an diesem Thread.

Endlich mal eine weise Entscheidung.  :thumbup:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 09. März 2011, 18:02:14
Hier ist aktuell die Frage aufgekommen, ob eine Selbständigkeit nebenberuflich neben einer abhängigen Teilzeitbeschäftigung ausgeübt werden kann und wie es sich da mit den Verdienstmöglichkeiten verhält, was man ggf. behalten darf. Dazu mal folgende Stellungnahme aus heutiger Sicht:

Im eröffneten Insolvenzverfahren ist es so, dass die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in voller Höhe zur Insolvenzmasse gehören, es sei denn es erfolgt eine Freigabe nach §35 Abs.2 InsO, die aber mit Abführung einer Ausgleichszahlung verbunden wird. Das macht aber keinen Sinn wenn man 300 EUR mit einer nebenberuflichen Selbständigkeit erwirtschaftet und davon 200 EUR abgeben soll.

Hier spielen jetzt ein bischen die Regelungen zu Pfändungen und zum Pfändungsschutz rein. In der Literatur wird die Meinung vertreten, dass die Ausgleichszahlung auch unterbleiben kann wenn die tatsächlichen Voraussetzungen im Rahmen der Pfändungsrichtlinien nicht gegeben sind, also Beträge erzielt werden die unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegen. Rein technisch gesehen kann der IV oder TH dann auch auf das Konto im Rahmen des Basispfändungsschutzes auch tatsächlich nicht zugreifen. Obwohl er dann zur Pfändung berechtigt wäre laufen entsprechende Pfändungen ins Leere. Der Basispfändungsschutz umfaßt Einkünfte (egal welcher Rechtsnatur, insbesondere wurde das P-Konto für eine Besserstellung des Pfändungsschutzes Selbständiger eingeführt und zur Entlastung der Justiz) von bis zu EUR 989,99 pro Monat.

Sofern in der Zukunft größere Beträge anfallen, könnte er natürlich auch bereits ausgebliebene Abführungsbeträge rückwirkend pfänden. Rein theoretisch. Zur Aufhebung der Verfahrenskostenstundung kann das fehlende Abführen der Ausgleichszahlungen eigentlich auch nicht führen, da es nicht schuldhaft unterbleibt sondern weil die Einkünfte zu niedrig sind und im Rahmen des Pfändungsschutzes geschützt sind, auch vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters oder Treuhänders. Ggf. kann der TH einen Antrag auf Änderung des unpfändbaren Betrages stellen nach §850f stellen. Da die gesamte Thematik recht neu und nicht rechtssicher eingespielt ist, bestehen hier natürlich im Zweifel auch nicht unerhebliche rechtliche Risiken die möglicherweise erst durch konkrete Urteile des BGH rechtssicher beseitigt werden können.

Im Falle einer Regelinsolvenz könnte man durchaus das Risiko eingehen, da man im Falle der Aufhebung der Stundung vor Ankündigung der RSB den Antrag auf die RSB zurücknehmen und damit ggf. kurzfristig einen erneuten Anlauf für das Insolvenzverfahren nehmen kann.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: klaus5891 am 09. März 2011, 19:08:29
Danke für den Thread,

hat mir in vielen Überlegungen in meiner Entscheidungsfindung geholfen.
Nächste Woche wird mein RI-Verfahren eröffnet.

Danke tomwr.

Werde berichten... und auf jeden Fall selbstständig bleiben...

Eine Frage habe ich. Kennt jemand die Literartur von Hern Büge?

Lohnt sich die Anschaffung?

Liebe Grüße

sorry... war mein erster Beitrag
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Sam16 am 09. März 2011, 21:56:11
Hallo tomwr, :thumbup:

finde diesen Thread sehr informativ! Hat viele Frage die ich hatte, beantwortet. Ich war auch Selbstständig und habe letzte Woche Regelinsolvenz beantragt.
Bis jetzt mehrere Bewerbungen geschrieben, jedoch ohne Erfolg :cry:

Ich hätte vielleicht die Möglichkeit neue Aufträge (Gespräche mit alten Geschäftsfreunden) zubekommen.
Verfahren ist noch nicht eröffnet, mein SB meint in ca. 6 Wochen. Ich überlege ob ich nicht eine Gewerbe nach Eröffnung beantrage. Bekommen dann Waren auf Kommission und kann auf Dienstleistungbasis Geld verdienen.
Muss also keine neuen Verbindlichkeiten eingegen. Ist einen Möglichkeit, falls ich keine Arbeit bekomme.

Werde mich jetzt mit dem Thema befassen und meinen Teil beitragen!

Vielen Dank und einen schönen Abend,
Gruß
Sam
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 10. März 2011, 11:11:18
@klaus5891,@Sam16

Danke, freut mich zu wissen, dass ich nicht ganz alleine an der Front der Selbständigen kämpfe.  :cheesy:
Ich habe es bisher nicht bereut.

Werde berichten... und auf jeden Fall selbstständig bleiben...

Eine Frage habe ich. Kennt jemand die Literartur von Hern Büge?

Lohnt sich die Anschaffung?

Kenn ich ehrlich gesagt nicht. Welche Literatur genau ?
Gibts einen Amazon Link (falls das als Buch erschienen ist) ?

Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: klaus5891 am 10. März 2011, 19:40:28
hallo tomwr,

das meinte ich

http://www.link-entfernt.com

Ich stehe momentan in dem Dilemma, dass die RI-Insolvenz in Kürze eröffnet wird und ich weiß noch nicht genau wie ich vorgehen soll.

Ich bin seit 20 Jahren selbstständig und nun insolvent. Ich habe vor in meiner bisherigen Tätigkeit weiter zu arbeiten und habe die Wahl dies im Rahmen einer angestellten Tätigkeit oder als Freiberufler zu tun.
In beiden Fällen mit hervorragenden Kundenkontakten die auch genügend Umsätze und Gewinne erbringen (in der Vergangenheit hatte ich das Problem von zu hohen Kosten und Altlasten, die sich über die Jahre angesammelt haben).

Mit meinen 52 Jahren sehe ich kaum Chancen auf dem "normalen" Arbeitsmarkt.

Ich möchte natürlich so gut wie möglich jetzt die richtigen Entscheidungen treffen. Daher die Frage "angestellt" oder im Rahmen einer "freiberuflihen Tätigkeit" weiter machen...

Der z.Zt. noch schwache InsoVerw. drängt auf eine Festanstellung... Für mich ungünstig und für ihn wahrscheinlich auch...

liebe Grüße
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 10. März 2011, 20:56:40
Ich stehe momentan in dem Dilemma, dass die RI-Insolvenz in Kürze eröffnet wird und ich weiß noch nicht genau wie ich vorgehen soll.

Der z.Zt. noch schwache InsoVerw. drängt auf eine Festanstellung... Für mich ungünstig und für ihn wahrscheinlich auch...

Also ob Du die selbständige Tätigkeit ausübst oder nicht ist DEINE alleinige Entscheidung. Weder der schwache IV noch der starke noch das IG haben da Mitspracherecht und m.E. auch keine wirkliche Kompetenz.

Das einzige was Du haben solltest ist eine Freigabe durch den IV (macht aber nicht der vorläufige). Im Rahmen der Freigabe macht es Sinn zu belegen, was man als Angestellter in dem Beruf (unter den aktuellen Voraussetzungen, mit 52 Jahren, wenn man da überhaupt eine Chance hat) verdienen kann. Der wird sich da auch so seine Gedanken machen aber es schadet nichts wenn man ihn da auf die richtig Spur bringt. Meiner wollte eine Ausgleichszahlung von knapp 1000 EUR pro Monat und aktuell sind wir bei etwas über 200 EUR. Muss halt auch entsprechend argumentieren und belegen.

Generell trifft Dich in der Insolvenzphase (vor der WVP) überhaupt keine Verpflichtung zur Arbeit, da die Arbeitskraft nicht zur Insolvenzmasse gehört und die Gläubiger erst in der WVP einen Anspruch auf angemessene Erwerbstätigkeit haben. Sofern die Verfahrenskosten gestundet werden, gibt es eine Erwerbsobliegenheit gegenüber der "Staatskasse" im Rahmen der Verfahrenskostenstundung, sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu bemühen. Angemessen ist dabei sicherlich unter Berücksichtigung der Kosten des Insolvenzverfahrens zu sehen, also wenn man soviel abführt, dass bei einer typischen Verfahrensdauer von 2 bis 3 Jahren die Verfahrenskosten weitestgehend gedeckt sind.

Sofern aber genügend Insolvenzmasse vorhanden ist, stellt sich die Frage nach der Verfahrenskostenstundung nicht. Lediglich die eigene "Not" und ggf. Druck beim Bezug von ALG II lassen die Frage nach der Erwerbstätigkeit dann aufkommen. Von irgendwas muss man ja leben. Die Bestellung eines vorläufigen IV läßt vermuten, dass Insolvenzmasse vorhanden ist. Aber neben der Not gibt es ja auch noch sowas wie eine Motivation.

Gibt es ein Insolvenzgutachten ?
By the way, vor der Freigabe würde ich die selbständige Tätigkeit wenn überhaupt nur auf Sparflamme kochen.
Sonst weckt es noch Begehrlichkeiten beim IV.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 10. März 2011, 21:05:25
hallo tomwr,

das meinte ich

link wurde entfernt

Bin ich etwas skeptisch und ist mir auch zu reißerisch aufgemacht.
Up to you.  :wink:
EUR 69,00 sind nicht die Welt.
Wer sich mit rechtlichen Themen auseinandersetzen will, ist mit einem guten Insolvenz Kommentar meiner Meinung nach besser bedient.
Und da das Thema die nächsten Jahre bestimmt ggf. auch eine sinnvolle Investition.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Insokalle am 11. März 2011, 10:46:14
Der Preis für einen angeblichen Ratgeber, der mit Sicherheit keine tiefschürfende Geheimnisse enthüllt, ist pervers. Das ist schlichtweg Abzocke der Leute, die ohnehin finanziell gebeutelt sind.

Der link sollte schnell gelöscht werden.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: paps am 11. März 2011, 17:41:38
Der Preis für einen angeblichen Ratgeber, der mit Sicherheit keine tiefschürfende Geheimnisse enthüllt, ist pervers. Das ist schlichtweg Abzocke der Leute, die ohnehin finanziell gebeutelt sind.

Der link sollte schnell gelöscht werden.
Sehe ich auch so.
Der Bitte wurde bereits nachgegangen.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: klaus5891 am 14. März 2011, 18:12:24
Es wäre sehr nett, wenn mir jemand einen auch für Nichtjuristen verständlichen  Insolvenz Komentar empfehlen könnte. Gerne auch per PN.  :thumbup:

Danke
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: klaus5891 am 19. März 2011, 17:38:19
Hallo liebe Mitstreiter/innen,
Hallo tomwr,

ich finde eine gute Literatur kann man auch öffentlich empfehlen  :thumbup:.

@tomwr
Von der Büge Literatur lass ich auch lieber die Finger. Die Euronen spende ich lieber dem Forum  :biggrin:.

Gestern habe ich den Eröffnungsbeschluss vom AG über mein RI-Verfahren
erhalten  :hi:.

Ich habe vor, Anfang nächster Woche beim IV einen Antrag auf "freigabe der selbstständigen Tätigkeit" zu stellen und denke zur Zeit darüber nach in welcher Höhe ich dem IV etwas anbieten kann und bastel gerade an meiner Argumentation.

Ich bin seit ca. 20 Jahren Selbstständig tätig und werde in meinem erlernten/studierten Beruf wohl nicht mehr unterkommen, da ich in meiner Selbstständigkeit (Werbebranche) etwas ganz anderes gemacht habe. Zudem hatte ich im vergangenen Jahr gesundheitliche Probleme (Schlaganfall), die mich ca. 8 Wochen aus meinem Unternehmen gezogen haben. Bin aber wieder weitgehend genesen. Ich denke, dass ich aufgrund meines Alters (53 Jahre) auf dem normalen Arbeitsmarkt kaum Chancen habe. Deshalb habe ich vor für bekannte/befreundete Unternehmen als freier Mitarbeiter im Bereich Kundenakquise zu arbeiten, da ich in der Branche über gute Kontake verfüge.

Ich habe über derartige Vorhaben speziell in diesem Thread schon einiges gelesen und auch verstanden. Habe aber noch eine für mich wichtige Frage.
Ist es richtig, dass wenn ich mich mit dem IV über eine Ausgleichszahlung Az einige und der die sT freigibt dieses bis zum Abschluß des Verfahrens (bis zum Beginn der WVP) unwiderufbar gilt. Muss ich dem IV auch eine BWA vorlegen und was passiert wenn die Tätigkeit in seinen Augen zu lukrativ ist und er zu der Meinung gelangt, dass die Az zu gering ist.

Für das Verfahren ansich ist genügend Masse da.

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen und wünsche euch ein

schönes Wochenende

Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 20. März 2011, 00:25:25
Ist es richtig, dass wenn ich mich mit dem IV über eine Ausgleichszahlung Az einige und der die sT freigibt dieses bis zum Abschluß des Verfahrens (bis zum Beginn der WVP) unwiderufbar gilt. Muss ich dem IV auch eine BWA vorlegen und was passiert wenn die Tätigkeit in seinen Augen zu lukrativ ist und er zu der Meinung gelangt, dass die Az zu gering ist.

Also generell muss man während des Verfahrens (ohne WVP) einer Beschäftigung nur bei Verfahrenskostenstundung nachgehen, das gilt natürlich nicht wenn die Insolvenzkosten gedeckt sind durch genügend Masse. Wenn man aber freiwillig einer Beschäftigung nachgeht, hat das rechtliche Auswirkungen.

Bei einer selbständigen Tätigkeit fallen alle Einkünfte ausnahmslos und in voller Höhe in die Insolvenzmasse, wenn man keinen Antrag auf Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte stellt. Da ist im Übrigen auch das Pfändungsschutzkonto keine große Hilfe, weil da nach dem Willen des Gesetzgebers Einkünfte egal welcher Rechtsnatur bis zu einem bestimmten Betrag im Monat unpfändbar sind. Das nützt aber alles gar nichts wenn der IV (oder außerhalb des Insolvenzverfahrens ein Gläubiger) beim Auftraggeber pfändet. Insofern ist dieser Gedankenansatz des Gesetzgebers mehr oder weniger ein Schuss in den Ofen.

Der IV kann die selbständige Tätigkeit natürlich auch freigeben und wird das in aller Regel auch tun einfach um Masseverbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Tätigkeit vermeiden. Und als Ersatz kann und muss er eine Ausgleichszahlung festlegen, die im Streitfall im Rahmen einer Klage des IV vom zuständigen Amtsgericht (nicht Vollstreckungsgericht) zu überprüfen ist.

Basis dafür bilden die Erkenntnisquellen des Insolvenzverwalters was der Schuldner mit einer vergleichbaren abhängigen Beschäftigung voraussichtlich verdienen könnte und was daraus nach seinen Verhältnissen (ggf. unterhaltsberechtigte Personen) pfändbar wäre. Natürlich sind Wahrscheinlichkeit einer Beschätfigung im höheren Alter, Arbeiten in einem ungelernten Beruf, längere Berufsunterbrechungen, persönliche Voraussetzungen wie Erkrankungen usw. gehaltsmindernd zu berücksichtigen. Aber auch regionale Gegebenheiten sind zu berücksichtigen sowie die Anzahl der freien Stellen in einem bestimmten Berufszweig.

Also bei Kundenaquise würde ich darlegen, was ein Verkäufer verdient. Wahrscheinlich wird der IV auch noch die Branche spezifiziert haben wollen weil es natürlich ein Unterschied ist, ob ich Fleisch und Wurstwaren verkaufe, Autos oder Immobilien. Um mal nur ein Beispiel zu nennen. Generell ist es wohl eher so, dass man das ggf. telefonisch mit dem IV besprechen sollte was man vorhat und da kann man mal vorfühlen auf beiden Seiten, anschließend würde ich meine Vorstellungen schriftlich konkretisieren und untermauern durch z.B. Internetrecherchen oder andere Quellen.

Bei mir ist es eigentlich so gelaufen, dass mein IV von meiner vorherigen Selbständigkeit wußte, das auch freigeben wollte und wir am Telefon kurz erörtert habe wie das von statten geht und was es bedeutet und er hat mich dann gebeten ihm mal etwas schriftlich reinzuschicken und habe dann auch meinerseits einen Vorschlag gemacht. Später habe ich noch mal eine andere Tätigkeit freigeben lassen. Generell kam der IV immer auf einen höheren Abführungsbetrag als von mir vorgeschlagen bzw. dargelegt aber das ist halt Ermessenfrage. Er lag bei mir so in etwa 10-15% über dem von mir vorgeschlagenen Abführungsbetrag. Das sollte man ggf. einkalkulieren. Außerdem ist er in einer Erklärung davon ausgegangen, dass ich im zweiten Jahr mehr verdienen könne und hat den Betrag für das zweite Jahr entsprechend höher in der Erklärung ausgewiesen.

Wenn es überhaupt keine Einigung gibt, hat man eigentlich nur 2 Optionen. Gerichtliche Klärung oder Niederlegung der freigegebenen selbständigen Tätigkeit.

Der IV hat natürlich ein Recht auf die tatsächlich erzielten Einkünfte und quartalsweise BWAs oder zumindest Vorlage der Einnahmen, ggf. Ausgaben und Kontoauszüge. Allein schon weil er für den Schuldner auch Steuererklärungen abgeben muss. Wobei durch Freigabe der Tätigkeit zumindest die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen Sache des Schuldners ist. Er wird neben dem Insolvenzgericht auch das Finanzamt informieren.

Das Insolvenzgericht hat die Freigabeerklärung des IV öffentlich bekannt zu machen jedoch nicht im gesamten Umfang (z.B. Höhe der Abschlagszahlung). In der Regel wird wohl nur veröffentlicht, dass die die selbständige Tätigkeit xy freigegeben wurde und Einkünfte daraus nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen und Verbindlichkeiten daraus nicht als Masseverbindlichkeiten geltend gemacht werden können. Weiterhin hat die Gläubigerversammlung die Möglichkeit auf Beschluss die Unwirksamkeit der Erklärung durch das Insolvenzgericht feststellen zu lassen. In diesem Fall unterfallen die gesamten Einkünfte dem Insolvenzbeschlag, in aller Regel aber nicht rückwirkend weil der Schuldner nach Treu und Glauben sich auf die Erklärung des IV verlassen durfte und rückwirkend auch keine Massnahmen wie Pfändungsschutz veranlassen könnte.

Ob der IV die Höhe der Ausgleichszahlung bei besonders ertragreicher Selbständigkeit heraufsetzen kann ist in der Literatur umstritten. Die Befürworter gehen davon aus, dass der IV im Interesse der Gläubiger die erwirtschafteten Beträge bestmöglich in Beschlag zu nehmen hat und die Freigabeerklärung im Wesentlichen der Reduzierung der Masseverbindlichkeiten dient. Prinzipiell erwirtschaftet der Schuldner ggf. übermäßiges Vermögen im Rahmen der selbständigen Tätigkeit was im Widerspruch zu §35 Abs.1 InsO steht. Die andere Seite geht davon aus, dass die Erklärung des IV zum Zeitpunkt der Abgabe rechtlich bindend ist und nicht geändert werden kann. Nach meinen Recherchen gibt es mehr Befürworter für die "Anpassung" der Ausgleichszahlungen.

Ich gehe auch mal davon aus, dass mein IV im Zweifel die Erklärung anpassen wird. Sicherlich aber nur wenn die Ertragsaussichten deutlich besser sind, nicht um nur die maximale Höhe abzuschöpfen. Aber mal abwarten. Im Moment führe ich den Betrag laut Freigabeerklärung ab und alle sind zufrieden.

Viel Erfolg mit der Freigabe wünsche ich Dir und vor allem zu vertretbaren Bedingungen. Aber wird schon schiefgehen.  :cheesy:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: klaus5891 am 20. März 2011, 10:04:57
@tomwr

Danke

wird schon schief gehen :cheesy:

Die einzige Befürchtung die ich habe ist die, dass mir der ein oder andere GL einen Stock zwischen die Beine wirft und gegen die Freigabe des IV interveniert... aus niederen Beweggründen oder einfach aus Rachegelüsten...
Da habe ich in den letzten Wochen schon einiges erlebt - aber auch viele positive Dinge

So ist das Leben :gruebel:

liebe Grüße
Klaus
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 20. März 2011, 21:44:29
Also ein Gläubiger kann das gar nicht einfach entscheiden. Sofern eine Gläubigerversammlung zu stande kommt, geht das nur mit einem Mehrheitbeschluss (§77 InsO).

Zitat
Entscheidungen der Gläubigerversammlung erfordern eine absolute Mehrheit der Summe der Ansprüche der anwesenden Gläubiger.

Das Stimmrecht bestimmt sich somit nicht nach Köpfen, sondern nach der Summe der Forderungsbeträge bzw. der Absonderungsrechte.

Meistens kommen gar keine Gläubiger zur Versammlung bei den Prüfungsterminen. Im schriftlichen Verfahren geht da nichts (außer es wird angeordnet, wäre aber bei Regelinsolvenzen ungewöhnlich), der muss da schon auftauchen. Bei mir ist kein Gläubiger aufgetaucht, nicht mal die Hauptgläubiger mit gut 5-stelligen Forderungssummen. Wenn das Verfahren erstmal eröffnet ist werden die Gläubiger meistens still, insbesondere die die am Lautesten vorher waren. Vorher kann man ja noch Druck ausüben, im Verfahren geht da eigentlich nichts mehr.

Und was hätten sie davon die Tätigkeit nicht freigeben zu lassen ? So kommt wenigstens noch ein bischen was rein.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Sam16 am 20. März 2011, 21:51:37
Hallo an alle,

ich bins nochmal. :wink:

Nach langem Überlegen hab ich mich entschlossen in die Schweiz zu ziehen und dort meine Selbstständigkeit auszuüben. Nach langen Gesprächen letzte Woche, mit ehemaligen Geschäftsfreunden (wovon einige mir helfen wollen wieder auf die Beine zukommen), wird mein Einkommen bei ca. 10.000 Euro liegen (Provision, Beratung, Verkauf etc.). Nach meiner Kalkulation bleiben mir abzüglich aller Kosten (Miete, Essen, Sprit, Versicherung usw.) ca. 5.000 Euro.
Wie bereits geschildert, würde ich nur eine Anstellung mit dem Gehalt von 1000-1200 Euro bekommen. :heulen:

Da mein Gewerbe zur Zeit abgemeldet ist und das Verfahren noch nicht eröffnet ist, stellen sich mir die Fragen:
1. Muss ich nach Eröffnung des Verfahren meine Selbstständigkeit beim IV freigeben lassen, oder kann ich in der Schweiz einfach eine neue Firma eröffnen?
2. Wie verhält sich der abzuführende Betrag, wenn ich nicht mehr in Deuschland meinen Wohnsitz habe?
3. Sollte ich nach einem Jahr genug Gewinn erzielt habe um meine Schulden zu begleichen, kann ich dass ohne weiteres auf einen Schlag machen?
4. Werde die Behörden in der Schweiz informiert?

Versteht mich nicht falsch, ich versuche alle meine Möglichkeiten durchzugehe, um für mich und die Gläubiger die beste Lösung zufinden. Einfach Aufgeben und den Kopf in den Sand zustecken ist nicht meine Art.

Vielen Dank vorab für eure Antwort und Ratschlag. :hi:

Gruß
Sam
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 20. März 2011, 22:14:50
Da mein Gewerbe zur Zeit abgemeldet ist und das Verfahren noch nicht eröffnet ist, stellen sich mir die Fragen:
1. Muss ich nach Eröffnung des Verfahren meine Selbstständigkeit beim IV freigeben lassen, oder kann ich in der Schweiz einfach eine neue Firma eröffnen?
2. Wie verhält sich der abzuführende Betrag, wenn ich nicht mehr in Deuschland meinen Wohnsitz habe?
3. Sollte ich nach einem Jahr genug Gewinn erzielt habe um meine Schulden zu begleichen, kann ich dass ohne weiteres auf einen Schlag machen?
4. Werde die Behörden in der Schweiz informiert?

Also es spricht erstmal nichts dagegen in die Schweiz zu gehen und dort zu arbeiten oder selbständig tätig zu sein. Man muss dem IV eben die Anschrift mitteilen und auch die Absicht der selbständigen Tätigkeit. Ohne Freigabe gehören die Einkünfte in der Schweiz allerdings der Insolvenzmasse und zwar in voller Höhe.

Wo man jetzt die selbständige Tätigkeit ausübt ist dann eigentlich egal. Eventuell wird er aber von besseren Verdienstmöglichkeiten in der Schweiz ausgehen. Ich würde aber auf keinen Fall das tatsächlich angestrebte Einkommen angeben. Das weckt Begehrlichkeiten. Und man kann auch im laufenden Verfahren einen Vergleich anstreben. Sofern man sich mit allen Gläubigern einigt und die Einigungssumme bezahlt hat, ist das Verfahren (nach Begleichung der Kosten !) zu schließen und RSB zu erteilen.

Ich wüßte nicht welche Behörden in der Schweiz informiert werden. Möglicherweise das dortige Finanzamt, wie das da mit den Steuern läuft weiß ich aber nicht.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Sam16 am 20. März 2011, 22:30:10
@ tomwr

vielen Dank.

Was sagt deine Erfahrung mit dem IV, ich bräucht ca 2-3 Monate bis alles gut läuft, hab auch eine Unterkuft in der Schweiz bei Bekannten, hätte in der Anfangszeit kaum Kosten bis ich im Mart etabliert bin.

Würde er mir 2 Monate Zeit geben oder will er sofort einen fest ausgehandelden Betrag?

gruß Sam
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: klaus5891 am 03. April 2011, 21:51:41
Guten Abend an alle,

habe letzte Woche meine Freigabe erhalten. Es ging sehr problemlos
(1 Schreiben) und auch zu überaus akzeptablen Konditionen.
Mein neuer Steuerbarater kümmert sich jetzt um eine neue Steuernummer
und los gehts....

Danke noch mal für die tollen Infos hier im Thread und auch an tomwr. :thumbup:

Werde weiter berichten...

Lg
Klaus

Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 03. April 2011, 22:11:42
Danke für die Rückmeldung und viel Erfolg !

Der IV informiert normalerweise das FA und die werden dann eine neue Steuernummer (für Umsatzsteuerzwecke) mitteilen. Betreffend der Einkommensteuer bleibt normalerweise die alte Steuernummer bestehen.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 21. August 2012, 23:45:23
Nachdem es kürzlich vom BGH ein entsprechendes Urteil gab, ergänze ich das Thema mal hier mit folgendem Hinweis:

http://lexetius.com/2012,3185

Zitat
Der selbständig tätige Schuldner, dem die Restschuldbefreiung angekündigt ist, hat in regelmäßigen Abständen, zumindest jährlich, Zahlungen an den Treuhänder zu erbringen.

Eigentlich betrifft das Urteil die WVP und Ausführungen zu Verletzung der Obliegenheiten nach §295 InsO durch Nichtabführung von Ausgleichszahlungen, hat jedoch auch einen interessanten Ansatz für Selbständige im laufenden Insolvenzverfahren, deren Einkünfte für regelmäßige oder vollständige Ausgleichszahlungen nicht ausreicht.

Zunächst zu dem Urteil, der Tenor besagt dass die Ausgleichszahlungen alsbald, zumindest jährlich zu entrichten sind (entsprechende Einnahmen vorausgesetzt). Ansonsten wären zurückbehaltene Erträge, die man vorübergehend in den Ausbau des Geschäfts investieren möchte, aus Sicht der Gläubiger in Gefahr, wenn später z.B. die Erträge aufgezehrt wurden oder sich gar ein Zweitinsolvenzverfahren ergeben sollte. Das Erbringen der Zahlung nur am Ende der WVP (wie bisher gemeinhin als zulässig angenommen) ist damit nicht mehr möglich, zumindest wenn vorher nennenswerte Erträge erzielt wurden.



Es gibt im Urteil einen spannenden Passus zur Begründung, der für laufende Insolvenzverfahren von Bedeutung sein könnte:

Zitat
Vermag der Schuldner hingegen - etwa aufgrund seines Alters oder seines gesundheitlichen Zustandes - nicht, durch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis pfändbare Bezüge zu erwirtschaften, so obliegen ihm jedenfalls dann keine Zahlungen an den Treuhänder gemäß § 295 Abs. 2 InsO, wenn die ausgeübte selbständige Beschäftigung ebenfalls keine solchen Erträge hervorbringt (BGH, Beschluss vom 5. April 2006 - IX ZB 50/05, WM 2006, 1158 Rn. 12 f; vom 19. Mai 2011, aaO Rn. 8).

Das stützt meine These (im Übrigen gestützt von RA Dr. Markus Wischemeyer, Bochum, diverse Artikel in der ZInsO), dass im laufenden Insolvenzverfahren nicht mehr Beiträge als Ausgleichszahlungen abgeführt werden müssen, als nach der Pfändungstabelle tatsächlich pfändbar wären. Der Gläubiger ist halt nur nicht schlechter zu stellen, als wenn man abhängig beschäftigt wäre. Ein abhängig Beschäftigter, der unter der Pfändungsfreigrenze verdient, muss ebenfalls keine Beträge an die Gläubiger abführen.

Während sich der Schuldner in der WVP aber um ein angemessenes Beschäftigungsverhältnis den Gläubigern gegenüber bemühen muss, trifft das im Insolvenzverfahren nicht zu. Die Arbeitskraft des Schuldners unterliegt nicht dem Insolvenzbeschlag. Eine Verpflichtung zur angemessenen Erwerbstätigkeit besteht nur im Falle der Verfahrenskostenstundung (§4a InsO) und m.E. auch nur, solange die Verfahrenskostenstundung notwendig ist, die Auslagen der Verfahrens also nicht gedeckt sind.

Ich bin mal gespannt, was der Rechtspfleger antwortet, wenn ich um Aufhebung der Verfahrenskostenstundung bitte gemäß §4c Abs.1 Satz 1 Nr.2, weil die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Stundung nicht vorgelegen haben, weil der Gutachter das zur Verfügung stehende Vermögen (Insolvenzmasse) falsch prognostiziert hat. (http://www.pleite-was-nun.info/modules/Forum/smf/Smileys/default/gruebel.gif)


Infos zu RA Dr. Markus Wischemeyer (Publikationen)
http://inso.whitecase.com/ansprechpartner/newslettersdetail.aspx?newsletter=2681
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 22. August 2012, 00:37:21
Ergänzend dazu folgendes Urteil:

Nach dem AG Regensburg scheidet eine Verletzung der Mitwirkungspflicht nach §290 InsO bei Aufgabe einer Arbeitsstelle aus, da eine Verpflichtung zur Arbeit erst in der WVP besteht. Demzufolge dürfte eine Verletzung der Obliegenheiten nach §4c (angemessenes Beschäftigungsverhältnis) generell ausscheiden, hier scheint die Sanktionierung über die Aufhebung der Stundung ausreichend zu sein. Das gilt aber wohl nicht für Auskünfte dem Gericht gegenüber zur Beschäftigung.

Zitat
InsO §§ 97, 289, 290, 295
Keine Versagung der Restschuldbefreiung bei Verletzung einer Vereinbarung zur Abführung des pfändbaren Einkommens
AG Regensburg, Beschl. v. 6. 7. 2004 – 2 IN 337/02 (nicht rechtskräftig)
Leitsätze der Redaktion:

1. Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, mit dem Schuldner die Abführung einer monatlichen Pauschale des pfändbaren Einkommens zu vereinbaren, um durch Nichtoffenlegung des Insolvenzbeschlags eine Kündigung des Schuldnerarbeitsverhältnisses zu vermeiden (Anschluss an BGH ZVI 2003, 170, 174).

2. Führt der Schuldner die Pauschale nicht regelmäßig ab, dann kann der Insolvenzverwalter den Insolvenzbeschlag offenlegen.

3. Die Nichterfüllung einer Vereinbarung zur Abführung des pfändbaren Einkommens an den Insolvenzverwalter verletzt keine gesetzliche Mitwirkungspflicht des Schuldners nach der Insolvenzordnung und kann daher nicht zur Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO führen.

4. Die Nichtvorlage von Gehaltsabrechnungen verletzt die Auskunftspflicht des Schuldners nach § 97 InsO. Werden die Abrechnungen aber nach der Monierung dem Insolvenzverwalter vorgelegt, dann liegt nur eine unerhebliche Verletzung der Auskunftspflicht vor, die keine Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigt.

5. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO durch Abschluss eines zum Verlust des Arbeitsplatzes führenden Auflösungsvereinbarung scheidet während des Insolvenzverfahrens aus, weil eine Arbeitsverpflichtung erst in der Wohlverhaltensperiode besteht.

6. Die Eingehung von Neuschulden während eines Insolvenzverfahrens stellt keinen Versagungsgrund gem. § 290 Abs. 1 InsO dar.

Quelle: http://zvi-online.de/987a6d2da5c9a82e5c9dbb5739d6cf21

PS: Das Urteil bezieht sich zwar auf eine Vereinbarung zwischen IV und Schuldner, also vor der Möglichkeit einer Freigabe durch §35 Abs.2 InsO (ab 01.07.2007 möglich), die Aussage dass im Verfahren das Niederlegen einer Beschäftigung keine Mitwirkungspflicht verletzt, ist aber eindeutig und unabhängig von der zu Grunde liegenden Vereinbarung.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Insokalle am 22. August 2012, 10:50:31
Zu AG Regensburg: Ja und?
Mit der Stundung der Verfahrenskosten hat das nichts zu tun. Die kann trotzdem versagt werden, wenn die Voraussetzungen des § 4c erfüllt sind. § 4c beschreibt keine Obliegenheiten, sondern eben Voraussetzungen, unter denen die Stundung der Verfahrenskosten versagt werden kann. § 4c und § 290 oder 295 sind zwei verschiedene Paar Schuhe.


Zu BGH v. 19.07.12
Hoffentlich ist dem BGH klar gewesen, was er da schrieb. Denn in dem Urteil, auf das er verweist, steht was anderes drin. Da ging es um eine selbständige Nebentätigkeit.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 23. August 2012, 00:45:23
Zu AG Regensburg: Ja und?
Mit der Stundung der Verfahrenskosten hat das nichts zu tun. Die kann trotzdem versagt werden, wenn die Voraussetzungen des § 4c erfüllt sind. § 4c beschreibt keine Obliegenheiten, sondern eben Voraussetzungen, unter denen die Stundung der Verfahrenskosten versagt werden kann. § 4c und § 290 oder 295 sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Die Aufhebung der Stundung ist mir relativ wurscht. Es geht um die Aussage, dass eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit gegenüber der Stundung nach Ansicht des Gerichts kein Grund für die Versagung der RSB nach §290 Abs.1 Nr. 5 darstellt. Oder mit anderen Worten: Die Erwerbsobliegenheit im Rahmen der Verfahrenskostenstundung ist offenbar keine Mitwirkungspflicht im Sinne des §290 Abs.1 Nr.5.

Das ist der entscheidende Punkt bei dem Urteil. Es gibt ja immer verschiedene Ansichten bei IV, was eine Verletzung der Mitwirkungspflicht darstellt. Wenn man nach den IV geht - oft so ziemlich alles was ihm nicht in den Kram paßt.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 23. August 2012, 00:51:13
Zu BGH v. 19.07.12
Hoffentlich ist dem BGH klar gewesen, was er da schrieb. Denn in dem Urteil, auf das er verweist, steht was anderes drin. Da ging es um eine selbständige Nebentätigkeit.
Welches Urteil paßt nicht ? In dem Urteil vom 19.07.2012 wird auf 3 andere Urteile verwiesen.
Und eine selbständige Tätigkeit ist eine selbständige Tätigkeit, egal ob haupt- oder nebenberuflich. Warum sollte eine nebenberufliche selbständige Tätigkeit anderen Bedingungen unterliegen als eine hauptberufliche ?

Und wo will man da überhaupt differenzieren ? Nach Umsatz, Ertrag ? Was ist wenn ein Schuldner mehrere verschiedene selbständige Tätigkeiten parallel ausübt und möglicherweise je nach Saison der Umsatz aus den Tätigkeitsfeldern wechselt. Was ist Haupt- und was Nebengewerbe, wie will man da differenzieren und vor allem warum ?
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 27. August 2012, 01:38:51
Vorsicht bei Freigabe einer Selbständigkeit mit laufenden Verträgen

Mal wieder ein Urteil zur Selbständigkeit und Freigabe nach §35 Abs.2 InsO.
Der BGH hat festgestellt, dass durch die Freigabeerklärung laufende Verträge (im konkreten Fall Mietvertrag, genauso könnten aber auch andere Verträge wie Arbeitsverträge etc. betroffen sein) in Bezug zu der Selbständigkeit durch die Freigabeerklärung auf den Schuldner übergehen. Diese müssen (und sollen nach Ansicht des BGH) nicht vom IV gekündigt werden, wenn sie für die selbständige Tätigkeit für den Schuldner von Bedeutung sind. Nach Kündigung durch den IV sei für den Schuldner ein Neuabschluss oder Fortsetzung des Vertrages zu gleichen Konditionen gefährdet. Ein Kündigungsrecht bzw. Erklärung nach §103 InsO ist deshalb nicht zwingend eine Pflicht des IV.

Konkret ging es dabei um einen gewerblichen Mietvertrag des Schuldners.

Zitat
1. InsO § 35 Abs. 2 Satz 1
Gibt der Insolvenzverwalter das Vermögen des Schuldners aus einer selbständigen Tätigkeit frei, können auf die selbständige Tätigkeit bezogene vertragliche Ansprüche von Gläubigern, die nach dem Zugang der Erklärung beim Schuldner entstehen, nur gegen den Schuldner und nicht gegen die Masse verfolgt werden.
2. InsO § 61 Abs. 1 Satz 1
Versäumt der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung die Kündigung eines von dem Schuldner begründeten Dauerschuldverhältnisses, trifft ihn eine Schadensersatzpflicht nur für solche Verbindlichkeiten, die nach dem Zeitpunkt entstehen, zu dem bei einer frühestmöglichen Kündigungserklärung der Vertrag geendet hätte.

http://www.rws-verlag.de/fileadmin/zbb-volltexte-2/9zr7511.pdf
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Feuerwald am 27. August 2012, 10:05:28
Vorsicht bei Freigabe einer Selbständigkeit mit laufenden Verträgen

- weshalb Vorischt? Es gibt viel zu viele viel zu vorsichtige IVs, die meinen alles und jedes inkl. das Gewerbe selbst im Rahmen einer Freigabe kündigen zu müssen.  Das muss jetzt nicht mehr sein.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 27. August 2012, 17:54:30
Vorsicht deshalb, weil man sich gut überlegen sollte ob man das Geschäft auf der selben Basis weiterführen möchte. Vielleicht tut es ein kleineres Büro, vielleicht braucht man keine Angestellten mehr oder nicht mehr so viele. Ich wollte das nur als Punkt zu bedenken geben. Sonst hat man möglicherweise zum Neustart gleich wieder einen Klotz am Bein.

Wenn man sich im Insolvenzverfahren unliebsame Verträge vom Hals schaffen möchte, sollte man das ggf. mit dem Insolvenzverwalter besprechen, damit der die nichtbenötigten Verträge ggf. kündigt bzw. erklärt, dass er nicht in den Vertrag eintritt. Hilfsweise könnte man vielleicht einwenden, dass man zwar wohl an einer Selbständigkeit festhalten möchte aber keine "Betriebsfortführung" oder ggf. zunächst keine Freigabe der selbständigen Tätigkeit verlangt bis die Altverträge vom Tisch sind.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Feuerwald am 27. August 2012, 20:19:33
in der Tat, hier kann es zu Problemem kommen. Mir stellt sich die Frage, wer zur Kündigung solcher Dauerschuldverhältnisse im Fall einer zeitgleichen Eröffnung/Freigabe berchtigt ist.


 
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Insokalle am 28. August 2012, 11:33:36
Ich sehe das auch so. Zeitgleich wird allerdings nicht gehen, weil die Freigabe ein eröffnetes Verfahren voraussetzt. Aber der IV könnte ja noch am selben Tag freigeben. Bis zu der BGH-Entscheidung war es für den IV durchaus ratsam, unmittelbar nach Eröffnung die Verträge über Dauerschuldverhältnisse (Miete, Arbeitnehmer usw.) zu kündigen. Ein möglicher Schadensersatzanspruch des weiter selbständigen Schuldners ist das kleinere Übel im Vergleich zu hohen Masseverbindlichkeiten oder womöglich noch persönlicher Haftung. Inzwischen gibt es einige AG-Entscheidungen, die auch die Arbeitsverhältnisse als sozusagen freigegeben ansehen. Kündigungen muss dann also der Schuldner aussprechen. Angesichts des BGH ist das nur konsequent.

Sinnvollerweise sollte sich der Schuldner vor Eröffnung, besser noch vor Antragstellung überlegen, ob er wie bisher weiterwursteln will. Da der IV relativ zügig entscheiden wird, ob er den Geschäftsbetrieb freigibt oder nicht, bleibt dem Schuldner nach Eröffnung nicht viel Zeit zum entscheiden. Will er nicht weiter selbständig tätig sein, sollte er das dem IV schnell mitteilen. Dann hat sich das mit der Freigabe erledigt und der IV muss sich um die weitere Abwicklung kümmern.

Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 28. August 2012, 17:52:26
Ggf. käme auch das Ausüben einer "anderen" selbständigen Tätigkeit in Betracht. So liegt der Fall z.B. bei mir. Dafür spricht, dass der frühere Betrieb "baden" ging, was nicht selten auch auf strukturelle Probleme am lokalen Markt zurückzuführen ist oder auf mangelndes Kapital. Viele Schuldner haben gerade als Selbständige mit Erfahrung auch diverse Optionen (bisher ausgeübte Selbständigkeiten), also das Tätigkeitsfeld zt wechseln aber die Selbständigkeit beizubehalten. Ist ja heutzutage so, dass man nicht mehr nur eine Tätigkeit von der Berufsausbildung bis zur Rente ausübt.  :wink:
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 19. Oktober 2013, 01:07:53
So, Teil I Insolvenzverfahren ist gelaufen, habe vor einigen Tagen die Ankündigung der RSB erhalten. Jetzt fehlt noch die offizielle Beendigung des Verfahrens und dann kann Teil II losgehen.  :wink:

Der Schlusstermin wurde schriftlich abgehalten und der IV hat sich in seinem Abschlussbericht darüber "beschwert", dass ich die von ihm geforderten Ausgleichszahlungen wegen Selbständigkeit nicht in immer in vollständiger Höhe erbracht habe. Genauer gesagt hat er in seinem Abschlussbericht diesen Punkt unter seiner Stellungnahme zur RSB thematisiert als möglichen Versagungsgrund. Insgesamt habe ich in Summe etwa 25% weniger gezahlt als gefordert.

Da der Schlusstermin schriftlich abgehalten wurde, habe ich im Wesentlichen entgegnet, dass ich mindestens den pfändbaren Anteil meines Einkommens an ihn überwiesen habe, bei jährlicher Betrachtung was an Einkommen pfändbar gewesen wäre, wenn die selbständige Tätigkeit nicht freigegeben wäre. Denn schließlich gibt es derzeit im laufenden Verfahren keine Verpflichtung einer (ggf. besser bezahlten) Erwerbstätigkeit nachzugehen, im Unterschied zur WVP. Wenn es sich daher im laufenden Verfahren um eine Zahlungsverpflichtung handelt (was mittlerweile auch der BGH bestätigt hat, muss mal ein recht interessantes Urteil von Juli 2013 raussuchen), dann müssen auch die Pfändungsfreibeträge gelten.

Leider konnte ich nicht feststellen, inwieweit das Insolvenzgericht hier meiner Argumentation gefolgt ist oder wäre, da offenbar keine Versagungsanträge gestellt wurden.

Und dann gabs da auch noch ein interessantes Urteil vom Brandenburgischen OLG, wo ein Insolvenzverwalter mit der Klage auf Zahlung der Ausgleichszahlungen gescheitert ist. Fand ich ganz witzig - wobei ich mir nicht sicher bin ob diese Ansicht beim BGH tatsächlich geteilt würde.

Gibt mal wieder ein paar interessante Urteile zum Thema Selbständigkeit, die ich die nächsten Tage mal raussuchen werde.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 20. Oktober 2013, 00:24:04
Wie bereits gesagt, am 13.06.2013 kam es zu einem Urteil bei dem der BGH konkret Stellung bezogen hat zu den Pflichten und Rechten bei Ausübung einer freigegebenen selbständigen Tätigkeit im Rahmen des §35 II InsO.

BGH, Beschluss vom 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - LG Stade, AG Tostedt
http://dejure.org/dienste/internet2?juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=64877&pos=0&anz=1

Im Rahmen des Urteils ist das Gericht zu 2 Leitsätzen gekommen:

Zitat
a) Der eine Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner ist bei mangelndem wirtschaftlichem Erfolg seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.

b) Der Schuldner hat umfassend über seine Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit Auskunft zu geben, wenn er geltend macht, im Hinblick auf mangelnde Erträge keine oder wesentlich niedrigere Beträge, wie nach dem fiktiven Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO geboten ist, an die Insolvenzmasse abführen zu können.

Das gibt dem Selbständigen bei Ausübung seiner Tätigkeiten im Insolvenzverfahren mehr Freiraum als in der WVP. Bei mangelndem wirtschaftlichem Erfolg ist er nicht verpflichtet sich um eine besser bezahlte abhängige Beschäftigung zu bemühen.

Weiterhin hat der BGH nochmals betont, dass der Selbständige nicht verpflichtet ist Angaben über den wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit zu machen, sofern er die Ausgleichszahlungen nach dem Maßstab der fiktiven Einkünfte einer ihm möglichen abhängigen Beschäftigung leistet.

Wobei das im Rahmen des Insolvenzverfahrens vermutlich eher theoretisch ist, da in aller Regel der Insolvenzverwalter Einblick in die Konten des Selbständigen bekommt. Inwiefern man das im Rahmen eines freigegebenen, ausschließlich geschäftlich genutzten Konto durchziehen kann erscheint fraglich und ist sicherlich auch vom Insolvenzverwalter selbst abhängig.

Im Umkehrschluss ist er verpflichtet genaue Angaben zu machen, wenn ihm das Ausbleiben des wirtschaftlichen Erfolgs nicht die regelmäßige Ausgleichszahlung bzw. nicht in voller Höhe ermöglicht.

Hierzu hat das Gericht folgende recht konkrete Aussagen im Urteil getroffen:


Zitat
(2) Liegt der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit unterhalb des pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit, besteht keine Abführungspflicht. Der Schuldner hat aber im Rahmen seiner Auskunftspflicht umfassend über seine Einnahmen Mitteilung zu geben. Insbesondere ist er gehalten, gegenüber dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht überprüfbare Angaben zur Gewinnermittlung aus seiner selbständigen Tätigkeit zu machen, damit festgestellt werden kann, ob der Schuldner tatsächlich nicht in der Lage ist, ganz oder teilweise hieraus abführungspflichtige Beträge nach § 295 Abs. 2 InsO aufzubringen.

(3) Liegt das Einkommen des Schuldners aus selbständiger Tätigkeit über dem pfändbaren Betrag aus dem von ihm erzielbaren Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit, hat er den pfändbaren Betrag aus dieser Tätigkeit an den Insolvenzverwalter abzuführen. Auskunft über etwaige Gewinne aus seiner selbständigen Tätigkeit muss er, wenn er seiner Abführungspflicht genügt, nicht erteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013, aaO Rn. 8).

Den Satz unter (3) musste ich mehrmals lesen weil er ein bischen uneindeutig formuliert ist. In der ersten Satzhälfte ist sowohl von selbständiger als auch unselbständiger Tätigkeit die Rede und in der zweiten Satzhälfte bezieht sich das Gericht auf "diese Tätigkeit" ohne genau zu spezifizieren ob sie damit den pfändbaren Betrag aus der selbständigen oder unselbständigen Tätigkeit meint.

Wenn man das Urteil als Ganzes betrachtet kommt man aber zu dem Schluss, dass hier der pfändbare Betrag aus der selbständigen Tätigkeit gemeint sein muss. Anders herum macht es wenig Sinn. Auch ist besonders, dass das Gericht sich unter (2) auf den Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit und unter (3) auf das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit bezieht.

Offensichtlich differenziert das Gericht hier nach Einkünften aus selbständiger Tätigkeit nach §850 II als Vergütung für Dienstleistung, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen und für die eben auch Pfändungsschutz nach §§850 ff gilt und dem Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit, die nicht unter §850 II fällt (z.B. eine reine Handelstätigkeit). Sorum wird dann wieder ein Schuh draus, wenn der BGH sich auf den pfändbaren Betrag aus "dieser Tätigkeit" (in dem Fall aus Selbständigkeit) bezieht.



Das Urteil bietet Selbständigen in der Insolvenz eine Möglichkeit neu durchzustarten und von vorne zu beginnen und beseitigt das Damoklesschwert der ausbleibenden Ausgleichszahlungen wenn die Selbständigkeit nicht gleich am Anfang entsprechende Gewinne abwirft. Zumindest in der Phase des Insolvenzverfahrens ist man je nach Gestaltung des Business geschützt und natürlich auch wenn der Insolvenzverwalter das mögliche pfändbare Einkommen aus einem möglichen abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu hoch bewertet.

Auf der anderen Seite kann der Selbständige durchaus auch während des Insolvenzverfahrens von höheren Einkünften profitieren, da ein übersteigendes Einkommen beim Schuldner verbleiben kann. Diese Auffassung war bisher umstritten, wurde in dem obigen Urteil durch den BGH aber letztlich so bestätigt.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 20. Oktober 2013, 00:57:17
Der Vollständigkeit halber hier noch das Urteil vom Brandenburgischen OLG.

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 17.04.2013; 7 U 77/12
http://openjur.de/u/632856.html

Ein IV hat einen Schuldner auf Zahlung der Ausgleichsbeträge nach §35 II InsO verklagt, hilfsweise zur Nachzahlung am Ende der WVP. Das Berufungsgericht hat die Klage zurückgewiesen und keinen einklagbaren Zahlungsanspruch des IV anerkannt und lediglich die Sanktionsmöglichkeiten in Form der Versagung der RSB als mögliche Rechtsfolge bei Nichtzahlung der Beträge anerkannt.

Zitat
...
§ 295 Abs. 2 InsO begründet keinen Anspruch gegen den Schuldner, sondern nach seinem Wortlaut eine Obliegenheit des Schuldners. Die entsprechende Anwendung dieser Bestimmung im Rahmen des Insolvenzverfahrens führt nicht zur Umwandlung der Obliegenheit in einen Anspruch der Insolvenzgläubiger. Sie erstreckt lediglich die Obliegenheit zur Abführung von Zahlungen auf der Grundlage eines Einkommens aus angemessenem Dienstverhältnis gegenüber dem Treuhänder im Rahmen des Verfahrens zur Restschuldbefreiung auf eine entsprechende Obliegenheit gegenüber dem Insolvenzverwalter bei fortdauerndem Insolvenzverfahren. Die auf diese Weise gegenüber dem Insolvenzverwalter vom Schuldner zu erfüllende Obliegenheit führt daher nicht zu einem einklagbaren Zahlungsanspruch des Insolvenzverwalters.
...

Die Revision gegen das Urteil wurde zugelassen, ob der BGH das genauso sieht bleibt wohl ggf. noch abzuwarten. Sofern die Zahlungen aufgrund mangelnder Erträge ausbleiben dürfte die Klage auf Zahlung ebenso nicht erfolgversprechend sein. Sollten entsprechende Erträge erwirtschaftet worden sein, ist der Verlust der RSB allerdings Anlass genug den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Insofern mutet der Rechtsstreit eher akademisch an.

Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Insokalle am 20. Oktober 2013, 12:06:51

1.
Nein, das ist nicht akademisch. Erst einmal kann nur ein Gläubiger einen Versagungsantrag stellen, nicht der IV. Die Gläubiger sind auch nicht verpflichtet, Versagungsanträge zu stellen. Hingegen muss andererseits der Schuldner an die Masse zahlen, was zur Masse gehört.

Folgendes noch zu dem OLG:
Das OLG-Urteil ist zeitlich vor dem BGH-Beschluss ergangen. Das OLG war noch der Meinung, dass wegen der Nichtzahlung der nach §§ 35, 295 InsO abzuführenden Beträge die RSB nach § 296 zu versagen wäre. Das ist falsch, weil § 296 im lfd. Verfahren keine Anwendung finden kann. Dementsprechend hat der BGH die Versagung der RSB nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO geprüft. Dies wird auch zukünftig der Ansatzpunkt sein.

Zitat aus dem BGH-Beschluss:
Hierbei handelt es sich im Gegensatz zur Wohlverhaltensphase nicht um Obliegenheiten, sondern um im Insolvenzverfahren zu beachtende Mitwirkungspflichten des Schuldners, deren grobfahrlässige oder vorsätzliche Verletzung unmittelbar den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO eröffnen (vgl. Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO Rn. 163; FK-InsO/Bornemann, 7. Aufl., § 35 Rn. 24a; D. Fischer in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO, § 290 Rn. 62; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 35 Rn. 105; HmbKomm- InsO/Lüdtke, aaO). Eine entsprechende Anwendung des andersartigen Versagungsverfahrens nach § 296 InsO scheidet daher bereits aus systematischen Gründen aus (Ahrens, NJW-Spezial 2013, 85, 86; aA Grote, ZInsO 2011, 1489, 1493 f). Zu den vom Schuldner nach § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO zu beachtenden Pflichten gehört insbesondere, die nach § 295 Abs. 2 InsO maßgeblichen Beträge an den Insolvenzverwalter abzuführen. Hierbei handelt es sich um eine eigenständige Abführungspflicht, auf deren Einhaltung der Insolvenzverwalter einen unmittelbaren Anspruch hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011, aaO Rn. 9) und die im Regelfall eine jährliche Zahlung gebietet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012, aaO Rn. 14). Im Zusammenhang mit der Abführungspflicht aus § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO ist der Schuldner gegenüber dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht auch auskunftspflichtig. Insbesondere hat der Schuldner die für die Ermittlung des fiktiven Maßstabs notwendigen Angaben gegenüber dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter zu machen, aus denen sich die ihm mögliche abhängige Tätigkeit und das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ableiten lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2009 - IX ZB 116/08, ZInsO 2009, 1268 Rn. 9; vom 26. Februar 2013, aaO Rn. 9).

Ergebnis:
Es macht keinen Sinn, dem IV einen Anspruch zuzuweisen, wenn er nicht gegen den Schuldner vollstreckt werden kann.


2.
Zitat
Wenn man das Urteil als Ganzes betrachtet kommt man aber zu dem Schluss, dass hier der pfändbare Betrag aus der selbständigen Tätigkeit gemeint sein muss. Anders herum macht es wenig Sinn. Auch ist besonders, dass das Gericht sich unter (2) auf den Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit und unter (3) auf das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit bezieht.

Eben nicht! Das kann nur falsch sein. Sowohl aus rechtlicher wie auch aus grammatikalischer Sicht. Es geht hier um die Abführungspflicht aus § 295 Abs. 2 bei freigegebener selbständiger Tätigkeit. Damit kann sich „diese Tätigkeit“ natürlich nur auf das fiktive Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit beziehen. Auf eine andere Idee kann man eigentlich nicht kommen, weil es aus der Systematik heraus nicht anders sein kann. So steht es deutlich in § 295 Abs. 2 InsO.

Liest man den Beschluss gänzlich aufmerksam durch, wird das nachvollziehbar. Denn der BGH hat an anderen Stellen erklärt:
Maßstab ist aber das nach § 295 Abs. 2 InsO zu bestimmende fiktive Nettoeinkommen.
Daher bilden die Einkünfte einer unselbständigen und nicht der tatsächlich ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit die Bemessungsgrundlage für die nach § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO zugunsten der Masse abzuführenden Zahlungen (BGH, Urteil vom 18. April 2013, aaO).

Der BGH hätte sich sonst die seitenlangen Ausführungen dazu sparen können und es wäre widersprüchlich.




Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Insokalle am 20. Oktober 2013, 14:55:13
Leitsatz a) des BGH-Beschlusses...

Der eine Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner ist bei mangelndem wirtschaftlichem Erfolg seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.

...wird sich wohl schnell erledigt haben, wenn im kommenden Jahr nach neuem Insolvenzrecht die Erwerbsobliegenheit bereits ab Verfahrenseröffnung gilt.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 20. Oktober 2013, 18:36:37

Liest man den Beschluss gänzlich aufmerksam durch, wird das nachvollziehbar. Denn der BGH hat an anderen Stellen erklärt:
Maßstab ist aber das nach § 295 Abs. 2 InsO zu bestimmende fiktive Nettoeinkommen.
Daher bilden die Einkünfte einer unselbständigen und nicht der tatsächlich ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit die Bemessungsgrundlage für die nach § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO zugunsten der Masse abzuführenden Zahlungen (BGH, Urteil vom 18. April 2013, aaO).

Das ist zwar der Maßstab, der kann aber nur gelten, wenn der Schuldner entsprechende Einkünfte hat. Denn wo soll denn das Geld herkommen ? Letztlich muss man hier auch die Pfändungsrichtlinien einhalten, die auch für Selbständige gelten. Je nach Gestaltung sind teilweise spezielle Anträge notwendig bei nicht wiederkehrenden Einkünften (§850i ZPO), wiederkehrende Einkünfte aus persönlichen Dienstleistungen sind bereits durch §850 II geschützt. Dann ist zum Einen keine schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflichten des Schuldners festzustellen und selbstverständlich kann der Insolvenzverwalter in die pfändungsfreien Einkünfte nicht vollstrecken.

Man darf halt auch nicht vergessen, dass der IV die Freigabe nach eigenem Ermessen wählt um die Insolvenzmasse zu schützen, nicht um sie zu mehren. Das mag vielleicht ein Nebeneffekt durch die Ausgleichszahlungen sein, ist aber nicht der gesetzliche Grund für die Freigabe und kann nicht das Leitmotiv des IV sein.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 20. Oktober 2013, 18:38:13
...wird sich wohl schnell erledigt haben, wenn im kommenden Jahr nach neuem Insolvenzrecht die Erwerbsobliegenheit bereits ab Verfahrenseröffnung gilt.

Ja aber auch nur für neue Verfahren, die ab dem neuen Insolvenzrecht eröffnet werden. Für alte Verfahren gilt nach wie vor das alte Recht, so dass diese These die Schuldner noch mehrere Jahre begleiten bzw. die Klarstellung in diesem Punkt wichtig sein wird. Bei mir hat das Insolvenzverfahren immerhin 3 Jahre gedauert.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 20. Oktober 2013, 19:29:38
Ergebnis:
Es macht keinen Sinn, dem IV einen Anspruch zuzuweisen, wenn er nicht gegen den Schuldner vollstreckt werden kann.

Das würde ich so nicht sagen. Im Wesentlichen hat der BGH festgelegt, dass es hier zunächst um Mitwirkungspflichten nach §290 Abs.1 Nr.5 handelt, der Schuldner zunächst mal seine RSB riskiert. Natürlich auch nur wenn er die Mitwirkungspflichten schuldhaft verletzt.

Der BGH hat in dem genannten Urteil aber genauso festgestellt, dass nur etwas abgeführt werden muss, wenn auch ein entsprechender Gewinn vorhanden ist. Also weder die Freigabe noch die Ausübung der Tätigkeit an sich führen automatisch zu einem Zahlungsanspruch:

Zitat
Rz 11)
c) Zutreffend ist eine vermittelnde Ansicht. Der Schuldner muss nur dann etwas abführen, wenn er tatsächlich Gewinn aus seiner selbständigen Tätigkeit erzielt hat. Die Abführungspflicht ist aber der Höhe nach beschränkt gemäß dem Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO.

Rz 16)
cc) Im Hinblick auf die fehlende Erwerbsverpflichtung kann zwar die Grundlage der nach § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO abzuführenden Beträge nur der von dem Schuldner aus der selbständigen Tätigkeit erzielte Gewinn sein; Maßstab ist aber das nach § 295 Abs. 2 InsO zu bestimmende fiktive Nettoeinkommen.

Hier hat der BGH auch nochmal differenziert zwischen der Grundlage einer solchen Zahlung (der erzielte Gewinn) und dem Maßstab der Zahlung (das fiktive Nettoeinkommen). Insofern liegt klar auf der Hand, ohne Grundlage kann der Maßstab nicht angewendet werden. Das heißt im Umkehrschluss, es besteht nur ein (ggf. einklagbarer) Zahlungsanspruch wenn der Schuldner aus seiner Tätigkeit Gewinn erzielt hat.

Besondere Problematik sehe ich aber bei den Ausführungen unter Rz. 21:

Zitat
(2) Liegt der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit unterhalb des pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit, besteht keine Abführungspflicht.

Warum nicht und was will uns der Gesetzgeber damit genau sagen ? Also keine Abführungspflicht heißt auch keine teilweise Abführungspflicht. Je höher die Ausgleichszahlung festgelegt wird, umso größer ist die Chance für den Schuldner auch ganz ohne Zahlung davon zu kommen.

Angenommen die Ausgleichszahlung würde auf EUR 300,00 im Monat festgesetzt, müsste der Schuldner bei einem monatlichen Gewinn unter EUR 300,00 nichts abführen. Angenommen der IV käme auf ein mögliches oder wahrscheinliches fiktives Einkommen von EUR 2.500 netto so könnte der Schuldner einen monatlichen Gewinn bis etwa EUR 1.000 im Monat behalten ohne Etwas abführen zu müssen.

Auch wurde bisher überhaupt nichts über Zusammenrechnung zwischen Ausgleichszahlung und tatsächlichen Pfändungsbeträgen bei z.B. nebenberuflicher Selbständigkeit vom BGH festgestellt. Was zum Beispiel, wenn der Schuldner zunächst eine selbständige Tätigkeit ausübt, dann den Umfang der Tätigkeit einschränkt bis zur Höhe der vorher festgelegten Ausgleichszahlung und noch eine TZ Beschäftigung eingeht, aus der er gerade mal ein unpfändbares Einkommen bezieht ? So kann der Schuldner locker auf EUR 2.000 netto als Single kommen ohne etwas abführen zu müssen.

Und die Höhe der Ausgleichszahlung soll auf Angaben des Schuldners zu einer ihm möglichen Beschäftigung beruhen - was wenn der Schuldner glaubhaft macht, er könne ein Dienstverhältnis als Geschäftsführer eingehen (weil er z.B. früher mal Geschäftsführer war) und nur keine Lust hat ein solches Dienstverhältnis einzugehen weil er nicht muss. Müsste dann die Höhe der Ausgleichszahlung nicht auf Basis der Angaben des Schuldners festgelegt werden ?

Meiner Meinung nach ist das Urteil in einigen Punkten unpräzise bis widersprüchlich bzw. läßt zu viel Interpretationsspielraum zu und wird sicher noch in den nächsten sechs bis zwölf Monaten durch weitere Urteile präziser abgefasst. Genügend Verfahren in dieser Richtung dürften wohl noch anhängig sein. Neue Gesetzgebung hin oder her.

Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Insokalle am 21. Oktober 2013, 18:49:18
Es ist nicht Aufgabe des BGH, Patentlösungen für alle erdenklichen Fallvarianten zu präsentieren. Sicherlich kann es daher in anderen Fällen zu rechtlichen Streitigkeiten kommen. Nur wird davon beim BGH nicht viel ankommen und die Entscheidungen der unteren Instanzen werden längst nicht alle veröffentlicht.
Außerdem bin ich sicher, dass einige der Entscheidungen anders ausfallen werden als einige der geäußerten Vermutungen.

Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 23. Oktober 2013, 15:10:33
Es ist nicht Aufgabe des BGH, Patentlösungen für alle erdenklichen Fallvarianten zu präsentieren.

Es müssen gar nicht alle erdenklichen Fallvarianten durchdacht werden sondern eher mal die wichtigsten.
Im Grunde gibt es 2 Standardfälle bei Ausübung der selbständigen Tätigkeit:

Die erzielten Einnahme/Gewinne übersteigen das fiktive Einkommen - hier wurde ja eine plausible Lösung festgelegt, nämlich dass nur die Pfändungsbeträge aus dem fiktiven Einkommen abzuführen sind und (oh Wunder) in diesem Fall noch nicht einmal Rechenschaft über die selbständige Tätigkeit abgelegt werden muss. Wenngleich das mit der Rechenschaft in der Praxis aufgrund der Rechte des IV schwierig zu handhaben sein dürfte. Nur sollte man nicht vergessen, dass diese Lösung keineswegs selbstverständlich sondern eine höchst umstrittene Fragestellung unter Insolvenzexperten war. Aus diesem Grund hat das Gericht ja auch zum Ausdruck gebracht, dass weder die eine noch die andere Rechtsposition gänzlich richtig oder falsch ist und eine "vermittelnde Ansicht" formuliert.

Der andere Fall, das Einkommen aus der Selbständigkeit liegt unter dem fiktiven Einkommen wurde etwas kryptisch beantwortet. Meiner Meinung nach war da in den Köpfen der Richter mehr als dann tatsächlich ins Urteil geflossen ist. Dass die Richter die Pfändungsrichtlinien bei der Urteilsfindung im Kopf hatten, findet sich in einem Satz unter Rz. 17 des Urteils:

Zitat
Rz. 17
(1) Die Vorschrift des § 295 Abs. 2 InsO löst die zu berücksichtigenden Erträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit des Schuldners. Das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ist dabei aus ei-nem angemessenen Dienstverhältnis zu berechnen. Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 5. April 2006 - IX ZB 50/05, NZI 2006, 413 Rn. 13; vom 19. Mai 2011, aaO Rn. 6; vom 17. Januar 2013 - IX ZB 98/11, WM 2013, 380 Rn. 10; vom 26. Februar 2013 - IX ZB 165/11, WM 2013, 579 Rn. 7; vgl. auch Urteil vom 18. April 2013 - IX ZR 165/12, WM 2013, 1129 Rn. 14). Zur inhaltlichen Bestimmung der vom Gesetzgeber ausdrücklich als Abführungspflicht (BT-Drucks. 16/3227 S. 17; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011 - IX ZB 175/10, ZVI 2011, 448 Rn. 9) be-zeichneten Zahlungsverbindlichkeit des Schuldners während des vorausgehen-den Insolvenzverfahrens kann deshalb auch nicht auf dessen tatsächlich erzieltes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit abgestellt werden. Müsste der Schuldner das gesamte pfändbare Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit an den Insolvenzverwalter abführen, könnten die mit der Freigaberegelung des § 35 Abs. 2 InsO verbundenen Ziele nicht wirksam erreicht werden.

Im letzten Satz wird ausdrücklich auf das "pfändbare Einkommen" aus der selbständigen Tätigkeit Bezug genommen. Insofern lehne ich mich sicher nicht zu weit aus dem Fenster wenn ich behaupte, dass bei den Abführungspflichten die Pfändungsfreigrenzen zu berücksichtigen sind auch wenn das in den Leitsätzen nicht so detailliert zum Ausdruck gekommen ist.

Warten wir daher mal weitere Urteile ab, im Übrigen gibt es dazu sicherlich genügend anhängige Verfahren. Man darf halt nicht vergessen, dass §35 II erst Mitte 2007 Rechtskraft erlangt hat und typische Insolvenzverfahren von Selbständigen aufgrund komplexer Vermögenssituationen in der Regel länger laufen (zwei, drei oder auch mehr Jahre) und es auch um die 2 bis 3 Jahre dauert, bis ein entsprechendes Verfahren beim BGH verhandelt wird. Somit sind wir hier in 2013 meiner Meinung nach noch ziemlich am Anfang der Rechtsprechung zu §35 II InsO. Sicherlich ist es schwieriger nach Abschaffung der "allgemeinen Rechtsbeschwerde nach §7 InsO" die Zulassung beim BGH künftig zu erreichen, auf der anderen Seite kann natürlich jeder Richter die Rechtsbeschwerde in seinem Urteil zulassen. Und nicht alle Richter sind auf der "Mollath"-Spur und durchaus bereit entsprechende Fragen ggf. auch höchstrichterlich klären zu lassen.

Also abwarten - ich sage da kommt noch was.



Bei der Gelegenheit hier noch eine einigermaßen aktuelle Zusammenfassung der Rechtslage zu §290 InsO (Versagung der RSB im Insolvenzverfahren) mit Anführung von Referenzurteilen für Interessierte:

Vortrag am 18.04.2012, Institut für Insolvenzrecht e.V.
RA/ FA InsR Jens Wilhelm, Hannover
http://www.institut-insolvenzrecht.de/pdf/20120418.pdf
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 26. April 2014, 01:39:24
Eben nicht! Das kann nur falsch sein. Sowohl aus rechtlicher wie auch aus grammatikalischer Sicht. Es geht hier um die Abführungspflicht aus § 295 Abs. 2 bei freigegebener selbständiger Tätigkeit. Damit kann sich „diese Tätigkeit“ natürlich nur auf das fiktive Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit beziehen. Auf eine andere Idee kann man eigentlich nicht kommen, weil es aus der Systematik heraus nicht anders sein kann. So steht es deutlich in § 295 Abs. 2 InsO.

Liest man den Beschluss gänzlich aufmerksam durch, wird das nachvollziehbar. Denn der BGH hat an anderen Stellen erklärt:
Maßstab ist aber das nach § 295 Abs. 2 InsO zu bestimmende fiktive Nettoeinkommen.
Daher bilden die Einkünfte einer unselbständigen und nicht der tatsächlich ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit die Bemessungsgrundlage für die nach § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO zugunsten der Masse abzuführenden Zahlungen (BGH, Urteil vom 18. April 2013, aaO).

Der BGH hätte sich sonst die seitenlangen Ausführungen dazu sparen können und es wäre widersprüchlich.

Ich habe ja im Posting oben angedeutet, dass da noch was kommt.  :whistle:

Na habe ich doch Recht behalten mit der Ansicht, dass bei Freigabe der selbständigen Tätigkeit zwar im Rahmen des fiktiven Einkommens nach §295 Abs.2 abzuführen ist, jedoch nur wenn auch ein tatsächlicher Gewinn erzielt worden ist. Liegt der Gewinn unterhalb der Pfändungsfreigrenzen einer möglichen abhängigen Beschäftigung des Schuldners, braucht dieser nichts abzuführen. Die Pfändungsfreigrenzen gelten also freilich und nochmals vom BGH klargestellt auch für selbständige Schuldner !

Also de facto gilt:

Wurde die selbständige Tätigkeit nach §35 Abs.2 InsO freigegeben gibt es 2 Fallunterscheidungen.

I - Führt der Schuldner die geforderten Ausgleichszahlungen an den IV ab, ist die Abführung der Höhe nach auf diese Summe begrenzt. Ein etwaiger höherer Gewinn kann der Schuldner behalten und er ist aufgrund der Freigabe weder verpflichtet den Überschuss an die Insolvenzmasse abzuführen noch Auskünfte über die Höhe des Gewinns zu erteilen.

II - Erzielt der Schuldner einen geringeren Gewinn, so ist die Abführung auch bei einem höher festgelegten fiktiven Einkommen auf den tatsächlichen Gewinn unter Einhaltung des Pfändungsfreibetrages laut Pfändungstabelle begrenzt. Denn natürlich kann sich der Schuldner das Geld weder schnitzen noch können aus der "Abführungspflicht" Zahlungsverpflichtungen unter Umgehung der Pfändungsschutzregeln entstehen. Freilich ist in diesen Fällen der Schuldner Auskunfts- und Darlegungspflichtig.

III - Besteht Streit über die Höhe des fiktiven Nettoeinkommens so hat der IV das ordentlich Prozessgericht anzurufen. Das Insolvenzgericht ist in diesen Fällen nicht zuständig.



BGH, Urteil vom 13. März 2014 - IX ZR 43/12 - OLG Koblenz - LG Koblenz
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=67427

Zitat
Auszug:
Rz 21
1. Der Schuldner ist nur dann verpflichtet, nach § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO etwas an die Insolvenzmasse abzuführen, wenn er tatsächlich ei-nen Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit erzielt hat, der den unpfändbaren Betrag bei unselbständiger Tätigkeit übersteigt. Die Abführungspflicht ist zudem nach dem Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO der Höhe nach beschränkt auf den pfändbaren Betrag, den er bei unselbständiger Tätigkeit erzielen würde.
...
Rz 25
3. Liegt der tatsächliche Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit im frag-lichen Zeitraum unterhalb des pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit, besteht, wie dargelegt, keine Abführungspflicht. Außerhalb des Rechtsstreits ist der Schuldner in diesem Falle hinsichtlich seiner Gewinnermittlung dem Verwal-ter umfassend auskunftspflichtig (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2013, aaO Rn. 21). Im Streitverfahren trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast, dass sein Gewinn unterhalb des ermittelten pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit bleibt und er deshalb von der Abführungspflicht entsprechend § 295 Abs. 2 In-sO befreit ist.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: eidechse am 29. April 2014, 12:07:57
Ein kleiner Hinweis zur zukünftigen Rechtslage. Da für ab dem 01.07.2014 beantragte Insolvenzverfahren (nachfolgend Neufälle) auch im Insolvenzverfahren die Verpflichtung zur Ausübung einer angemessenen Erwerbsttägtigkeit gelten wird, dürfte fraglich sein, ob der BGH für Neufälle, diese Rechtsprechung aufrecht erhält.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 29. April 2014, 21:41:07
Ja das ist schon richtig, dass ab 01.07.2014 die Erwerbsobliegenheit auch schon im Insolvenzverfahren gilt. Aber nur für neue Insolvenzen und da Insolvenzverfahren mitunter recht lange laufen, werden durchaus noch viele Schuldner lange Zeit nach altem Recht ihr Verfahren bestreiten - mitunter laufen Regelinsolvenzverfahren in Einzelfällen auch länger als 6 Jahre so dass der Schuldner gezwungen ist, die vorzeitige Erteilung der RSB zu beantragen nach Ablauf der Abtretungserklärung.

Das ändert aber zunächst mal nichts an der Abführungspflicht bzw. Begrenzung der Abführung auf die Einkünfte über den Pfändungsfreigrenzen bzw. maximal die pfändbaren Beträge aus einer möglichen abhängigen Tätigkeit. Letztlich wird der IV in aller Regel in Verbindung mit der Freigabeerklärung die Höhe der abzuführenden Beträge meist festlegen auf seiner eigenen Einschätzung. Auch wenn das nicht rechtlich bindend ist und im Falle eines Falles ggf. bei einem Versagungsantrag geprüft wird, bildet es doch in den meisten Fällen erstmal einen grundsätzlichen Maßstab, an dem sich auch das Gericht erstmal orientieren wird.

Die Erwerbsobliegenheit im Insolvenzverfahren wird darauf hinauslaufen, dass man sich ggf. zusätzlich zu einer selbständigen Tätigkeit um eine Anstellung bemühen muss, wenn die Erträge daraus nicht reichen. Als Obliegenheit ist daran aber nur die Erteilung der RSB gekoppelt, so wie in der WVP auch. Es ist also ein Versagungsantrag eines Gläubigers zu stellen und dieser muss ggf. auch mögliche höhere Einkünfte des Schuldners glaubhaft machen - der Schuldner kann seine Bemühungen in Form von konkreten Bewerbungen dagegen halten und dann hat das Gericht im Falle des Falles zu entscheiden. (§290 i.V.m. §287b InsO)

Und auch muss hier die Rechtsprechung nicht erweitert werden oder der BGH seine Einstellung neu überdenken, da auch ihm die Neuregelung bekannt ist und in dem Urteil auch am Rande thematisiert wird.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Sannypless am 06. Mai 2014, 15:46:18
...wird sich wohl schnell erledigt haben, wenn im kommenden Jahr nach neuem Insolvenzrecht die Erwerbsobliegenheit bereits ab Verfahrenseröffnung gilt.

Ja aber auch nur für neue Verfahren, die ab dem neuen Insolvenzrecht eröffnet werden. Für alte Verfahren gilt nach wie vor das alte Recht, so dass diese These die Schuldner noch mehrere Jahre begleiten bzw. die Klarstellung in diesem Punkt wichtig sein wird. Bei mir hat das Insolvenzverfahren immerhin 3 Jahre gedauert.

ich bin auch selbstständig zwar nur im Kleingewerbebereich , dass mir mein IV damals freigegeben hat.
Aufgrund dessen dass ich großteil meiner Inso Hausfrau war habe ich damals nur ein Kleingewerbe mit dem zuständigem Amtsgericht abgesprochen.

Seit meiner Scheidung erreichen mich derzeit noch ordentliche Nachzahlungen die ich noch abstottern darf.
Berufstätig bin ich derzeit auch als selbstständige, aber die Einnahmen beruhen sich im Rahmen von 17000 euro einnahmen im Jahr.

Hat mir jemand einen Tip wie ich diesbezüglich die "mööööglichen  :whistle: " pfändbaren Beträge abführen sollte ?
Meinen Inso wurde 2010 eröffnet und solangsam laufe ich sicher auf die Endphase zu.....noch knapp 2 Jahre  :hi:
Würde ich die Gleichstellung machen würde ich einen Bruttolohn von 2013 mit 1949,20 Euro mit Lohnsteuerklasse 1 dagegenrechnen.

Jedoch sind meine tatsächlichen Einnahmen nur ansatzweiße an die fiktiven Einnahmen, wie als wäre ich in meinem erlernten Beruf.

wer hat mir hier infos??
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Insoman am 06. Mai 2014, 16:21:05
@Sannypless

Sie sollten die vorherigen Ausführungen sehr aufmerksam durchlesen, dann wissen Sie, wie Sie sich zu verhalten haben.

Wenn Sie etwas nicht verstehen, können Sie nochmal nachfragen...
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 06. Mai 2014, 19:45:16
@Sannypless

Wie ist denn der Verfahrensstand ?
Was steht in der Freigabeerklärung ?
Hat der Insolvenzverwalter keine Ausgleichszahlungen gefordert ?
Ist es eine selbständige Nebentätigkeit oder eine Haupttätigkeit ?
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Sannypless am 11. Juni 2014, 18:40:47
@Sannypless

Wie ist denn der Verfahrensstand ? WFP
Was steht in der Freigabeerklärung ? Standarttext, dass die selbstständigkeit freigegeben wird , nicht zur Insolvenzmasse gezogen wird .
Hat der Insolvenzverwalter keine Ausgleichszahlungen gefordert ? Nein
Ist es eine selbständige Nebentätigkeit oder eine Haupttätigkeit ?  selbstständige Nebentätigkeit nach § 19 UST
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 12. Juni 2014, 18:59:34
Im Grunde ist die Antwort einfach.
Die Freigabeerklärung gilt nur für das laufende Insolvenzverfahren, nicht mehr für die WVP.
Denn der Insolvenzbeschlag ist ja aufgehoben.
Im Grunde darf man jeder beliebigen Tätigkeit nachgehen auch in beliebigem Umfang, wenn sowas eingeschränkt wurde auf eine bestimmte, näher bezeichnete Tätigkeit.

In der WVP gilt nur §295 II InsO.
Man muss einer abhängigen Beschäftigung nachgehen oder wenn man selbständig ist, die Gläubiger nicht schlechter stellen als wenn man abhängig beschäftigt wäre. Sofern man am Arbeitsmarkt überhaupt keine Chancen hat, braucht man auch keine Beträge an die Gläubiger abzuführen - im Zweifel hat man das aber vor dem Insolvenzgericht bei Prüfung eines eventuellen Versagungsantrag glaubhaft zu machen.

Wenn sich kein Schwein (im Sinne von Gläubiger  :wink: ) für das Verfahren interessiert, wird wahrscheinlich auch keiner einen Versagungsantrag stellen. Das Risiko muss man aber selbst abschätzen. Im Zweifel hilft der Nachweis mit vergeblichen Bewerbungen und Absagen über einen repräsentativen Zeitraum. Die WVP durchläuft der Schuldner sozusagen wieder in Eigenverantwortung - in jeglicher Hinsicht.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: Insokalle am 13. Juni 2014, 10:50:43
Zitat
Sofern man am Arbeitsmarkt überhaupt keine Chancen hat, braucht man auch keine Beträge an die Gläubiger abzuführen

In Bezug auf Selbständigkeit? Wo haben Sie denn das schon wieder her? Der BGH hat das Gegenteil entschieden. Wer selbständig ist, muss die Beträge nach § 295 Abs. 2 InsO abführen. Ausnahme s.o.

§ 19 UStG sagt nichts darüber aus, ob es eine Nebentätigkeit ist, sondern beschreibt ein Kleingewerbe im umsatzsteuerlichen Sinn, das man auch hauptberuflich machen kann. Insgesamt fehlen mir einige weitere Infos.

Es wäre sinnvoll gewesen, ein neues Thema für die Frage zu eröffnen, als dies in dieses mittlerweile unübersichtliche Chaos hier auch noch rein zu wursteln.



Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: tomwr am 13. Juni 2014, 13:32:53
Zitat
Sofern man am Arbeitsmarkt überhaupt keine Chancen hat, braucht man auch keine Beträge an die Gläubiger abzuführen

In Bezug auf Selbständigkeit? Wo haben Sie denn das schon wieder her? Der BGH hat das Gegenteil entschieden. Wer selbständig ist, muss die Beträge nach § 295 Abs. 2 InsO abführen. Ausnahme s.o.

Nein das hat er nicht entschieden. Was sind denn überhaupt DIE Beträge nach §295 II ? §295 II legt überhaupt gar keine Beträge fest sondern nur, dass ein Schuldner auch einer selbständigen Tätigkeit anstelle einer abhängigen Tätigkeit nachgehen darf, sofern die Gläubiger (in diesem Sinne wirtschaftlich) nicht schlechter gestellt werden. Punkt. Im Übrigen gelten die angesprochenen Ausnahmen (s.o.) in diesem Fall nicht, weil sich die Sache in der WVP völlig anders darstellt als im eröffneten Insolvenzverfahren, wie das von mir gewählte Thema eigentlich vorgibt.

Im Übrigen zeigt doch die Fragestellung eigentlich nur, dass das Thema Selbständigkeit in der Insolvenz sich für die meisten Schuldner komplexer darstellt als gedacht. Unübersichtlich ist das Themengebiet Insolvenz für Selbständige im Besonderen, weil da sicher nur wenig kompetente Forenteilnehmer antworten können und noch viel weniger aus eigener Erfahrung. Haupt- oder Nebentätigkeit spielt ebensowenig eine Rolle wie die Frage nach dem Gewinn aus der Tätigkeit.

Ein selbständiger Schuldner muss nur die Beträge abführen, die er auch in einer abhängigen Tätigkeit verdienen könnte resp. die daraus pfändbaren Beträge. Wenn ein Schuldner keine Chancen am Arbeitsmarkt hat oder das daraus resultierende Einkommen keine pfändbaren Beträge unter Berücksichtigung der persönlichen Situation (unterhaltspflichtige Kinder/Frau) abwirft, erhalten die Gläubiger nichts. Ergo braucht man auch nichts abzuführen aus einer selbständigen Tätigkeit, selbst dann nicht wenn die Erträge aus der selbständigen Tätigkeit überproportional hoch sind. Zum Beispiel wenn es recht unwahrscheinlich ist, dass jemand dieselbe Tätigkeit auch mit gleichem Erfolg in einem abhängigen Verhältnis ausüben könnte.

Ganz einfaches Beispiel dazu, jeder Selbständig ist automatisch Geschäftsführer (seiner eigenen Tätigkeit). Dennoch kann man das typische Gehalt eines Geschäftsführers als Abrechnungsgrundlage nach §295 II sicher kaum anführen, wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass dem Schuldner ausgehend von seiner Qualifikation ein solcher Posten ernsthaft angeboten würde. Mal völlig abgesehen davon, dass die meisten Inhaber kleiner Handwerksbetriebe kaum soviel abwerfen, dass daraus ein Geschäftsführerposten eines mittelständischen Unternehmens jenseits der 100.000 EUR Jahresgehalt finanziert werden könnte.

Aber es gibt auch genügend andere Bereiche, in denen man als Unternehmer sehr erfolgreich sein kann, der Erfolg sich aber nicht in einem Angestelltenverhältnis erzielen ließe. Das könnte die eigene Vermarktung einer Erfindung eines Tüftlers sein, ein Programm oder eine erfolgreiche App eines Software Entwicklers o.ä. die im Zweifel (wenn überhaupt) von ihren Arbeitgeber maximal eine einmalige Prämie erhalten würden wenn überhaupt etwas. Aber auch ein arbeitsloser Koch, der ein eigenes Restaurant eröffnet wird sicherlich nicht danach beurteilt, was ein Manager in der Spitzengastronomie verdienen könnte.

Die dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit ist völlig losgelöst von der tatsächlich ausgeübten selbständigen Tätigkeit zu sehen. Hier muss die Ausbildung und persönliche Situation berücksichtigt werden. Freilich hat der Schuldner im Zweifel zu belegen, dass er am Arbeitsmarkt als abhängig Beschäftigter keine Chancen hat. Und das wird er dann wohl über Darlegung seiner Bewerbungsbemühungen zu machen haben. Der BGH hat dafür bereits genügend Anhaltspunkte definiert. So gilt die Regel mit 10-12 Bewerbungen pro Monat, sofern entsprechende Angebote zur Verfügung stehen. Und bewerben braucht man sich auch nur auf Stellen, die entsprechende pfändbare Beträge abwerfen.

Und um zu belegen, dass die ganze Rechtsprechnung noch aktuell ist, führen wir mal die Ansicht des BGH aus dem Oktober 2013 dazu an:

BGH · Beschluss vom 10. Oktober 2013 · Az. IX ZB 119/12
Zitat
...
Rz. 18
Voraussetzung für die Berechnung des anzunehmenden fiktiven Nettoeinkommens aus einem angemessenen Dienstverhältnis ist, dass es sich um eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit handelt (BGH, Beschluss vom 5. April 2006 - IX ZB 50/05, ZInsO 2006, 547 Rn. 13; vom 19. Mai 2011, aaO Rn. 6; Graf-Schlicker/Kexel, InsO, 3. Aufl., § 295 Rn. 20; Pape in Pape/Uhländer, InsO, § 295 Rn. 30). Neben einer schlechten Lage am Arbeitsmarkt, die es verhindert, dass der Schuldner eine angemessene abhängige Beschäftigung findet, kann sich die Unangemessenheit auch daraus ergeben, dass der Schuldner aufgrund seines Alters oder aus Krankheitsgründen nicht in der Lage ist, die vergleichbare Tätigkeit auszuüben (vgl. Weinland in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 295 Rn. 43; Wischemeyer, ZInsO 2010, 2068, 2069).
http://openjur.de/u/662873.html


Ich möchte abschließend anführen, dass ich persönlich durchaus Beträge im Rahmen des Möglichen an die Gläubiger abführen würde, soweit möglich. Natürlich muss man als Selbständiger auch investieren und eine solide Basis aufbauen. Insofern muss ein Teil der hoffentlich erzielten Gewinne auch immer reinvestiert werden. Sonst ist die Selbständigkeit der Anfang vom Ende.

Es liest sich hier immer wieder so, dass gegenüber Selbständigen seitens einiger Forenteilnehmer hier Vorurteile bestehen bis hin zu Ungerechtigkeitsempfinden gegenüber den abhängig Beschäftigten, die nach festen Regeln abführen müssen. Man darf dabei nie außer Acht lassen, dass Selbständige immer auch ein höheres Risiko tragen und dass der Tag des Selbständigen in aller Regel in der Zeitausübung den des normalen Arbeiters oder Angestellten in den Schatten stellt. Der kann nach 40 Wochenstunden meistens seinen Beruf völlig ausblenden, muss nebenbei nicht noch am WE Buchhaltung machen, den Einkauf erledigen, die Webseite aktualisieren, Steuererklärungen einreichen und sich Gedanken um die weitere Zukunft machen. Von Sorgen über mangelnde Liquidität oder Auftragseinbrüchen mal völlig abgesehen.

Diese Tragweite versteht aber nur jemand, der wirklich selbständig ist.
Titel: Re: Freigabe der selbständigen Tätigkeit §35 InsO, fiktives Einkommen
Beitrag von: ThoFa am 16. Juni 2014, 21:58:32
 :thumbup:

Sehr guter Beitrag und auch in der Sache vollkommen richtig. Wobei ich, soweit es die Umstände ergeben, den Abführungsbetrag meiner Klienten zum Teil auch nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit berechne. Das ist aber eher eine zusätzliche Absicherung meinerseits, zumal die Kosten des Verfahrens damit dann nicht selten komplett am Ende bezahlt sind und man sich nicht mehr (schlimmstenfalls) weitere vier Jahre damit rumschlagen muss.