Schulden und Insolvenz Hilfe Forum

Schulden => Das (Verbraucher-) Insolvenzverfahren => Thema gestartet von: armekirchenmaus am 27. Januar 2012, 16:42:55

Titel: Wohnvorteil?
Beitrag von: armekirchenmaus am 27. Januar 2012, 16:42:55
Vorab: Ich bin seit 11/2011 im Verfahren meiner Privatinsolvenz. Seit einigen Jahren lebe ich in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Ich lebe im Haus meines Lebensgefährten und werde teilweise auch von ihm unterhalten. 3 meiner 4 Kinder leben ebenfalls bei uns, der 4. studiert auswärts.
Kann man mir nun einen Wohnvorteil anrechnen, der sich dann auf die Pfändungssumme auswirken würde? Im Moment arbeite ich noch nicht, aber ich muss mich ja nun um Arbeit bemühen. Würde mir nun dieser Wohnvorteil als Einkommen angerechnet, 0der spielt es keine Rolle, dass ich mietfrei wohne?

Weiterhin wüsste ich gerne, ob der Unterhalt, den der Kindsvater zahlen muss als Einkommen der Kinder gewertet wird und sich das irgendwie auf meine Pfändungsgrenze auswirkt.
Bin wirklich für jede Antwort dankbar
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: Insoman am 27. Januar 2012, 16:52:20
Die Pfändungsgrenzen für Einkommmen und an deren Stelle tretenden laufenden Bezüge sind in den § 850 ff ZPO abschließend geregelt.
Der Gesetzgeber ist dabei bewußt von Pauschalierungen ausgegangen, bei denen die Höhe der Wohnkosten keine Rolle spielt.

Die Unterhaltszahlungen, soweit Sie sich im Bereich des Mindestunterhalts bewegen, haben keinen Einfluss auf Ihre Freigrenzen.
Wenn die Kinder bei Ihnen wohnen, gewähren Sie Naturalunterhalt, der genauso zu berücksichtigen ist wie ein Barunterhalt.
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: Der_Alte am 27. Januar 2012, 19:41:25
Der Unterhalt, den die Kinder vom Kindsvater als Barunterhalt bekommen kann als deren eigenes Einkommen berücksichtigt werden. Allerdings, wie Insoman schon schrieb, wird das erst dann interessant, wenn der Kindsvater weit über dem ALG2-Satz liegende Unterhaltszahlungen erbringt. Sollten das der Fall sein könnte der Treuhänder den Antrag stellen, dass ein oder mehrere Kinder nicht mehr bei der Berechnung des pfändbaren Gehaltsanteils berücksichtigt werden.

Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass Sie überhaupt erst einmal in solche Gehaltsregionen vorstoßen müssen. Ob das mit Ihrer Ausbildung möglich ist können Sie am besten abschätzen. Mit vier Kindern haben Sie ein unpfändbares Einkommen von mindestens 2069 € netto. Erst wenn Sie in diese Gehaltsregionen vorstoßen macht es für den Treuhänder Sinn, sich über einen möglichen Antrag Gedanken zu machen.
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: armekirchenmaus am 27. Januar 2012, 21:39:05
Danke für die Antworten  :thumbup:
Der Kindsvater wird den Mindestunterhalt wohl kaum überschreiten. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob mein ältester Sohn noch als unterhaltspflichtig Person zu berücksichtigen ist. Er studiert auswärts, bekommt Bafög, sein Kindergeld und hat einen kleinen Nebenjob. Fällt er somit bei der Unterhaltsberücksichtigung raus, oder erst nach dem Studium?
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: Der_Alte am 28. Januar 2012, 11:25:10
Da der Sohn ausserhalb wohnt und dort sich vollständig allein unterhalten muss, dürfte nach Lesart des BGH, Beschluss vom 5. 4. 2005 - VII ZB 28/05, dortige Randziffer 15 für diesen der Grundfreibetrag von aktuell 1029 € als Basis zugrunde gelegt werden müssen. Und ob Ihr Sohn diesen Betrag mit seinen Gesamteinkünften überschreitet wage ich zu bezweifeln. Es dürfte daher bei vier unterhaltsberechtigten Personen verbleiben. Sobald Ihr Sohn sein Stiudium beendet hat dürfte er mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht mehr unterhaltsberechtigt sein.
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: armekirchenmaus am 28. Januar 2012, 16:43:17
Zu diesen Einkünften zählt aber doch nicht das Kindergeld, oder doch?  :dntknw:
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: Insoman am 28. Januar 2012, 17:03:04
Doch, in diesem Fall wäre das Kindergeld beachtlich.
Wenn ein Antrag auf Nichtberücksichtigung des Sohnes gestellt würde, hätte das Gericht nach "billigem Ermessen" zu entscheiden.
Auch eine teilweise Berücksichtigung des Sohnes käme in Frage..
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: Der_Alte am 28. Januar 2012, 17:51:45
@Insoman

Dazu hätte ich gern eine Quelle, dennn nach Entscheidung des BGH ist Kindergeld nicht als Einkommen zu rechnen.

Das mit dem ERmessen ist richtig, allerdings ist das Gericht auch an die Festlegungen des BGH gebunden. Und da ist die Randnummer 15 richtungweisend.
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: Feuerwald am 28. Januar 2012, 18:09:14
Die nach § 850c Abs. 4 ZPO mögliche Ermessensentscheidung setzt voraus, dass der Unterhaltsberechtigte über berücksichtigungsfähige eigene Einkünfte verfügt. Diese Voraussetzung ist bei der Tochter des Schuldners nicht gegeben, denn das Kindergeld ist kein Einkommen in diesem Sinne (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 1984 - IVb ZR 80/82, NJW 1984, 2355, 2357). Es dient dem Ausgleich der aus dem Familienunterhalt folgenden Belastungen (Münch-KommZPO/Smid, 2. Aufl., § 850i ZPO Rdn. 45). Der Gesetzgeber hat dem Umstand, dass für Kinder des Schuldners als zweite und weitere Unterhaltsberechtigte regelmäßig Kindergeld gezahlt wird, bereits bei der Bemessung des pauschalierten pfändungsfreien Betrages in der Tabelle zu § 850c Abs. 1 ZPO Rechnung getragen (BGH, Beschluss 5. April 2005 - VII ZB 20/05, NJW-RR 2005, 1010). Das Kindergeld wird auch bei den Einkünften des Schuldners regelmäßig nicht berücksichtigt, da es nur unter den engen, hier nicht vorliegenden, Voraussetzungen des § 76 EStG pfändbar ist.
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: Der_Alte am 28. Januar 2012, 18:20:41
@ Feuerwald

Das kenn ich, aber vielleicht hat Insoman noch eine Quelle, die es anders sieht. Denn das war seine Aussage.

Schaun mer mal, wie der Kaiser so sagt.
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: Insoman am 28. Januar 2012, 18:34:01
Zitat
Es dient dem Ausgleich der aus dem Familienunterhalt folgenden Belastungen

Das ist m.E. der Punkt.
Das volljährige Kind, das seinen Lebensmittelpunkt außerhalb des Elternhauses hat, kann das Kindergeld für sich selbst beanspruchen. In diesem Fall passt das mit dem Ausgleich nicht mehr.
Außerdem sprechen wir hier davon, ob das Kind Gesamteinkünfte von € 1.000,00 +- hat.
Es stellt sich also dann nur noch die Frage, ob sich das Kind selbst unterhalten kann.
Im Rahmen der Ermittlung des Gesamteinkommens halte ich deshalb das Ki-geld in diesem Einzelfall für anrechnungsfähig.
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: Der_Alte am 28. Januar 2012, 21:30:19
Bei aller Liebe, entweder gibt es dazu ein Urteil oder es bleibt bei der Nichtanrechenbarkeit. Der BGH hat das festgelegt und nur aus dieser Richtung könnte eine Abweichung für den Spezialfall des volljährigen auswärtig Wohndenden kommen. Das Kindergeld wird ja auch nach wie vor den Eltern gezahlt; es steht zwar dem Kind zu, aber nur, solange die Eltern davon nicht das Kind unterhalten. Wenn die Eltern also z.B. die Miete zahlen können Sie das Kindergeld damit verrechnen.
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: Feuerwald am 29. Januar 2012, 01:18:07

Das Prob ist leider die Hörigkeit der Rechtspfleger wenn IVs/THs Anträge stellen. Ich habe es selbst erlebt, dass Rechtspfleger mit Kommentaren wie „die Meinung des BGH wird in diesem Gericht nicht vertreten“ die höchstrichterlichen Sprüche vom Tisch geweht haben. Dennoch sehe ich die Rechtslage genauso. Kindergeld bleibt außen vor. Und ich gehe noch einen Schritt weiter:

Wenn man das SGB II aus Grundlage für die Existenzsicherung nimmt, muss neben dem Regelsatz + 30 – 50% auch die anteiligen Kosten der Unterkunft sowie die Kürzungsbeträge für Einkünfte berücksichtigt werden. es wäre dann eine wirkliche Bedarfsrechnung nach dem SGB II vorzunehmen.


Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: Insoman am 29. Januar 2012, 13:17:53
OLG Naumburg (Az 3 WF 35/09, Beschluss vom 18.2.2009):
Zitat
Grundsätzlich ist Kindergeld Einkommen im Sinne des Sozialhilferechts. Ist das Kind aber volljährig, hat es einen – zivilrechtlichen – Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes in voller Höhe, wenn der Kindergeldverpflichtete keine Unterhaltszahlungen leistet, da es auch insoweit auf den Unterhalt angerechnet wird.

Genau dies ist ja hier der Fall.

Der Unterhaltsverpflichtete leistet nicht:
@armekirchenmaus
Zitat
Er studiert auswärts, bekommt Bafög, sein Kindergeld und hat einen kleinen Nebenjob.
__
grundsätzlich habt ihr natürlich Recht mit der Nichtanrechenbarkeit..
aber dann muss wohl eine Unterhaltszahlung vorliegen (Bar- und/oder Natural-), damit das Kindergeld als "Lastenausgleich" außen vor bleibt.
Also ich könnte mir schon vorstellen, dass bei entsprechendem Vortrag eine Anrechnung erfolgen könnte..
Natürlich nur im Zusammenhang mit der Frage, ob das Kind sich selbst unterhalten kann, aber darum geht's hier ja.
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: armekirchenmaus am 29. Januar 2012, 13:30:50
@ Insoman

Das was du schreibst, klingt für mich logisch. Er unterhält sich ja selbst. Er braucht von uns keine zusätzliche Unterstützung. Nun stehen wir (mein Exmann und ich) ja noch ganz am Beginn des Verfahrens. Mein Exmann hat nach der gescheiterten Selbständigkeit nun seit dem 15.1. wieder einen Job. Erst jetzt wird ja die Anrechenbarkeit der Kinder für uns relevant. Sind denn erstmal alle 4 Kinder berücksichtigt und nur auf Antrag wird über den Ältesten entschieden? Oder kann der IV ihn von Beginn an unberücksichtigt lassen?
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: armekirchenmaus am 29. Januar 2012, 13:54:46
@ Insoman

SORRY... ich meinte natürlich: "Was SIE schreiben..."  :rougi:
Titel: Re: Wohnvorteil?
Beitrag von: Insoman am 29. Januar 2012, 14:32:04
Zunächst einmal sind alle Kinder in voller Höhe berücksichtigungsfähig.
Da die Abführung der pfändbaren Anteile i.d.R. über den Arbeitgeber erfolgt, muss dieser natürlich von Ihnen über bestehende UH-verpflichtungen informiert werden.
Darüber hinaus sind Sie (und Ihr Ehegatte) sich auch noch zu gegenseitigem Unterhalt verpflichtet.
Wenn Sie also deutlich mehr verdienen als ihr Mann, können sie noch einen Berechtigten hinzurechnen.
Dies gilt solange, bis das Gericht etwas anderes entscheidet.
Der IV/TH kann einen entsprechenden Antrag stellen; von sich aus hat er keine Entscheidungsbefugnis.