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BGH IX ZR 165/12 – Endlose Schuldhaft für Selbständige ?

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Feuerwald:
BGH IX ZR 165/12 – Endlose Schuldhaft für Selbständige ?

Über die Wirksamkeit von Vorausabtretungen nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit aus dem Insolvenzbeschlag (§ 35 Abs. 2 Inso) und der sich daraus ergebenden Konsequenzen.

Hintergrund ist das BGH Urteil vom 18. April 2013, IX ZR 165/12: Tenor: Die Vorausabtretung künftiger, nach Verfahrenseröffnung entstehender Forderungen erlangt infolge Konvaleszenz ihre Wirksamkeit zurück, wenn diese aus einer durch den Insolvenzverwalter freigegebenen selbständigen Tätigkeit des Schuldners herrühren.

Mit diesem Urteil ist für viele aktive Selbständige, nicht nur für Ärzte und Zahnärzte, der Weg durch ein Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren mehr oder weniger verbaut.

Zwar verlieren gem. § 114 Abs. 1 InsO Vorausabtretungen von Forderung aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für Dienstverhältnis nach Ablauf von spätestens zwei Jahren ihre Wirksamkeit. Nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, sind davon jedoch ausgenommen. Somit werden „Globalzessionen“ gem. § 301 Abs. 2 S. 1 InsO auch nicht von der Restschuldbefreiung erfasst und können (endlos) weiter wirksam sein.

Das längst bewerte Regelungsinstrument der Freigab gem. § 35. As 2 InsO und der sich daraus ergebenen Abführungspflicht gem. § 295 Abs. 2 InsO führt im Fall einer wirksamen Globalzession zu einer Doppelpfändung, dem Abführungspflicht gem. § 295 Abs. 2 InsO bei gleichzeitiger Abpfändung durch den Abtretungsgläubiger. In der Folge kann es bei bereits freigegebenen Selbständigen zur Insolvenz in der Insolvenz oder zu einer endlosen Schuldknechtschaft kommen.

In neuen Insolvenzverfahren ist sich seitens der Insolvenzverwaltung die Frage stellen, ob eine Freigabe bei vorliegender wirksamer Globalzession überhaupt noch zu vertreten ist. Dies kann in der Konsequenz zu endlosen Insolvenzverfahren unter anhaltender Insolvenzverwaltung führen, da selbst in diesem Fall zum Zeitpunkt der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Überleitung in die Wohlverhaltensphase mit einem Auflebend der Globalzession zu rechnen ist.

Es sind bereits viele Selbständige akut betroffen. Wir arbeiten derzeit an Lösungen. Zunächst ganz individuelle, fallebezogenen Lösungen.

Es wird aber eine politische Lösung notwenigen werden.

Betroffene Selbständige können sich gerne bei uns unter www.sido.org.  melden.

Feuerwald

tomwr:

--- Zitat von: Feuerwald am 15. Dezember 2013, 00:11:43 ---Mit diesem Urteil ist für viele aktive Selbständige, nicht nur für Ärzte und Zahnärzte, der Weg durch ein Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren mehr oder weniger verbaut.

--- Ende Zitat ---

Ganz so dramatisch würde ich das jetzt nicht sehen. Forderungsabtretungen sind nur wirksam, sofern sie hinreichend bestimmt sind. Das ist z.B. bei den üblichen Forderungen gegen die kassenärztlichen Vereinigung oder kassenzahnärztliche Vereinigung der Fall. Da bereits relativ früh entschieden wurde, dass das entsprechende Honorar bei Fortführung der Praxis durch den IV insolvenzbefangen ist, verwundert es nicht, dass die Abtretungsforderung als Absonderungsberechtigter entsprechend wieder auflebt.

Sehen wir mal die positive Seite: Die Kosten für den Fortführung der Praxis sowie dem Lebensunterhalt des Arztes ist gemäß den Pfändungsrichtlinien grundsätzlich gewährleistet. Und bei allem Ernst halte ich es auch nicht für ganz gerechtfertigt, dass sich ein Arzt oder Zahnarzt eine sündhaftteure Praxis finanzieren läßt ohne entsprechende Sicherheiten, zu denen ganz sicher auch der Vergütungsanspruch gegen die KV oder KZV gehört. Der glaubt doch nicht ernsthaft, sich mit den 200 EUR im Monat als Ausgleichszahlung für die nächsten 6 Jahre zu sanieren.  :wink:

Außerdem sind in der Regel privatärztliche Vergütungen davon nicht betroffen wegen den besonderen Verpflichtungen zur Verschwiegenheit. Ohne Zustimmung ist eine Forderung nicht übertragbar und damit auch nicht abtretungsfähig. So hat der Arzt oder Zahnarzt auch die Wahl sich auf Privatpatienten zu konzentrieren.

Das Urteil ist recht gut hier besprochen:
http://www.juris.de/jportal/portal/t/1tkj/page/homerl.psml?nid=jpr-NLIR000009313&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp

Aber siehe auch dieses Urteil aus 2006:
http://www.biehl.de/abtretung-von-anspruechen-an-die-kv-nach-verfahrenseroeffnung/

Oder:
http://www.anwalt.de/rechtstipps/arzt-zahnarzt-kieferorthopaede-abtretung-von-forderungen-gegen-kzv-kv-wirksam_018868.html

Braucht man nur mal nach "kassenärztliche Vereinigung und Abtretung" zu googeln. Die Rechtslage war auch ohne dieses Urteil m.E. absehbar.

Was wäre die Alternative ? Der Gläubiger verkauft das Inventar und der Arzt oder Zahnarzt kann seine Praxis schließen. Oder der Arzt arbeitet in einem Anstellungsverhältnis und hat auch nicht mehr als seine pfändungsfreien Einkünfte. Oder er schließt die Praxis wenn er überhaupt keine Lust mehr hat. Insofern finde ich das Urteil jetzt nicht so übertrieben ungerecht.

Maurice Garin:

--- Zitat von: tomwr am 16. Dezember 2013, 19:12:08 ---Und bei allem Ernst halte ich es auch nicht für ganz gerechtfertigt, dass sich ein Arzt oder Zahnarzt eine sündhaftteure Praxis finanzieren läßt ohne entsprechende Sicherheiten, zu denen ganz sicher auch der Vergütungsanspruch gegen die KV oder KZV gehört. Der glaubt doch nicht ernsthaft, sich mit den 200 EUR im Monat als Ausgleichszahlung für die nächsten 6 Jahre zu sanieren.  :wink:

Außerdem sind in der Regel privatärztliche Vergütungen davon nicht betroffen wegen den besonderen Verpflichtungen zur Verschwiegenheit. Ohne Zustimmung ist eine Forderung nicht übertragbar und damit auch nicht abtretungsfähig. So hat der Arzt oder Zahnarzt auch die Wahl sich auf Privatpatienten zu konzentrieren.


--- Ende Zitat ---

Manchmal schwafeln Sie aber auch ein Zeug!

Zudem haben Sie wohl auch nicht verstanden, warum dieser Beitrag hier eigentlich reingeschrieben wurde...

tomwr:
Das ist überhaupt nicht geschwafelt sondern Realität. Weil das Verhältnis von Ärzten und Patienten als besonderes Vertrauensverhältnis geschützt ist, dürfen Patientendaten und auch Behandlungsdaten nicht ohne Zustimmung des Patienten an Dritte abgegeben werden. Deshalb muss jeder Patient bei jedem Arzt mindestens einmal eine Zustimmungserklärung unterschreiben, wenn der Arzt die Rechnung nicht selbst stellen will und über eine Organisation abrechnen will. Im Grunde wird da aber einfach eine Forderung übertragen und der behandelnde Arzt bekommt halt das Geld von der Abrechnungsstelle. In der Regel gilt eine solche Erklärung dann auch für Folgebehandlungen wenn sie nicht widerrufen oder eingeschränkt wird.



--- Zitat ---Das Erfordernis des Einverständnisses entspricht § 4 Abs. 1 a. E. Bundesdatenschutzgesetzt (BDSG) und einer vorangegangenen Rechtsprechung, wonach es gegen die ärztliche Schweigepflicht verstößt, wenn ein Arzt ohne das ausdrückliche Einverständnis des Patienten dessen Daten an einen Dritten, sei es eine gewerbliche oder auch berufsständische Verrechnungsstelle, weitergibt (BGH NJW 1993, 2371; BGH NJW 1991, 2955; OLG Düsseldorf, NJW 1994, 2421; OLG Stuttgart, AHRS 0457/7).

--- Ende Zitat ---

http://www.anwalt.de/rechtstipps/voraussetzungen-der-wirksamen-abtretung-im-zahn-aerztlichen-bereich_019588.html

M.E. kann ein Arzt im Wege der Vorausabtretung von Forderungen nicht dazu gezwungen werden, sich das Einverständnis des/der Patienten mit Abrechnung über eine bestimmte Verrechnungsstelle einzuholen. Da die Forderung nur mit Zustimmung des Patienten übertragbar ist gilt sie zunächst als nicht übertragbar und fällt damit nicht unter die Abtretungserklärung. Sollte ein Vertrag mit einer bestimmten Abrechnungsstelle bestehen, hat der Arzt auch die Möglichkeit die Zusammenarbeit mit der Verrechnungsstelle ggf. aufzukündigen und selbst Rechnungen zu stellen.

Ansonsten bliebe dem Gläubiger doch nur die Möglichkeit, sein Praxis/Behandlungsmobiliar in gebrauchtem Zustand abzuholen. Dann kann der Arzt seine Praxis schließen. Auf der anderen Seite bietet aber auch genau das im Umkehrschluss Spielraum mit dem Gläubiger über die Höhe der Restverbindlichkeit und/oder Höhe der zu zahlenden Raten neu zu verhandeln.

Die Folgen des Urteils werden hier meiner Meinung nach übertrieben und etwas einseitig dargestellt.
Meiner Meinung nach hat da ein Arzt oder Zahnarzt einfach alles auf eine Karte gesetzt und das Spiel halt verloren. Wobei es mehr oder weniger absehbar war. Also mit Karacho ins Risiko oder halt eine schlechte Beratung im Vorfeld der Insolvenz. Sicherungsabtretungen dieser Form und Größenordnung sollte man halt vielleicht mal vorab mit einem Rechtsanwalt besprechen.

Und das Insolvenzverfahren ist ja auch nicht dazu da, jedwede Form von Selbständigkeit zu sanieren - befreien kann sich der Arzt von seinen Verbindlichkeiten im Rahmen der RSB schon. Dass er nicht genauso weiterwurschteln kann wie vorher muss man halt berücksichtigen ist aber vielleicht auch nicht immer sinnvoll. Schließlich kommt die Insolvenz ja nicht von ungefähr. Wenn die Praxis sich nicht trägt, hilft auf Dauer auch ein Insolvenzverfahren nicht.

Maurice Garin:

--- Zitat von: tomwr am 17. Dezember 2013, 16:46:49 ---M.E. kann ein Arzt im Wege der Vorausabtretung von Forderungen nicht dazu gezwungen werden, sich das Einverständnis des/der Patienten mit Abrechnung über eine bestimmte Verrechnungsstelle einzuholen.

--- Ende Zitat ---

Hier geht es aber überwiegend nicht um Privatpatienten oder -Liquidationen, sondern um Ansprüche aus der kassenärztlichen Tätigkeit. Und da hat der Arzt überhaupt keine Forderung gegen seine Patienten. Man merkt, dass Sie weder vom Gesundheitswesen an sich, noch von der Realität in vielen Arztpraxen irgendeine Ahnung haben. Aber dafür natürlich eine gefestigte Meinung. Die Sie wie üblich lang und breit daherschwafeln.

Aber betrachten Sie meine Beiträge einfach als gegenstandslos. Ich weiß eh nicht, warum ich mich mit Ihrem Zeugs immer auseinandersetze.

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