Ich will das mal ergänzen weil meistens 2 irrige Annahmen den Einsatz von Anwälten in solchen Fällen implizieren.
1. irrige Annahme: Das Insolvenzgericht will mich in die Pfanne hauen ...
Die Richter entscheiden hier unabhängig nach dem Gesetzt. Im Gegenteil, das Gericht hat sogar eine Fürsorgepflicht auch gegenüber dem Schuldner, so dass eine Beiordnung eines Rechtsanwalts nur in wenigen Ausnahmefällen vorgesehen ist (§4a Abs.2 InsO). Es gibt zahlreiche Belehrungspflichten gegenüber dem Schuldner und im Zweifelsfall obsiegt eben nicht die stärkere Partei. Das Verfahren ist so ausgelegt, dass weder der Schuldner noch der Gläubiger anwaltlich vertreten sein muss.
Das Insolvenzgericht hat für alle glaubhaft gemachten Sachverhalte im Verfahren eine generelle Amtsermittlungspflicht (§5 Abs.1 InsO). In dem Zusammenhang können auch von Dritten Auskünfte eingeholt und Zeugen vernommen werden, natürlich zählt auch der Schuldner dazu. Dabei ist das grundsätzliche Ziel die gleichmäßige Vermögensverteilung an die Gläubiger UND dem redlichen Schuldner die Restschuldbefreiung zu ermöglichen. Bei allen Entscheidungen sind diese Ziele des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen und die Erteilung der RSB soll daher nach dem Gesetz eher die Regel als die Ausnahme sein.
Natürlich müssen auch verständliche (teils gesetzlich, teils durch Rechtsprechung entwickelte) Regeln her, welches Verhalten redlich ist und welches nicht. Der BGH hat für die WVP geurteilt, dass die Auslegung nicht ganz kleinlich zu erfolgen hat und nicht jeder Regelverstoß automatisch zur Versagung der RSB führt. Es gibt zahlreiche Urteile pro Schuldner in dieser Sache. Konkret zum Beispiel die Heilung von Verstößen, wenn sie durch den Schuldner aufgedeckt werden bevor ein Gläubiger einen Versagungsantrag stellt und vieles mehr. Gibt sicherlich eine ganze Latte für den Schuldner entlastende Urteile, die Aufzählung würde hier den Rahmen sprengen.
Natürlich gibt es auch zum Teil fragwürdige Handlungen einzelner Schuldner, die die Redlichkeit in Frage stellen. Man sollte sich daher wie im vorliegenden Fall durchaus fragen, ob das eigene Handeln wirklich unredlich war, ob für die Gläubiger ein Schaden entstanden ist, die die Versagung der RSB rechtfertigen. Nichts anderes macht das Insolvenzgericht, wenn es den Schuldner zu einem konkret behaupteten Sachverhalt befragt und um Erklärungen bittet, um auch die Leitmotive des Schuldners zu verstehen und zu berücksichtigen. Man sollte eigentlich für die Möglichkeit der Richtigstellung vor der Entscheidung über einen Versagungsantrag dankbar sein.
2. irrige Annahme: Ein Anwalt wird schon richten ...
Die Universalantwort (wahrscheinlich hauptsächlich auch in deutschen Foren) auf viele Fragen ist der Rat: Geh zum Anwalt. Dahinter steckt die Annahme, ein Anwalt kann grundsätzlich alle Fehler die man selbst in der Vergangenheit verbockt hat wieder gerade biegen. Gerade bei einer Stellungnahme wie im obigen Fall wird ein Anwalt wenig raten können. Den tatsächlichen Sachverhalt wird man vermutlich nur minimal verdrehen oder verschleiern können und ob das bei Gericht besser ankommt als eine selbst formulierte ehrliche Erklärung des Schuldners halte ich für fraglich. Ändern kann man in dem konkreten Fall ja nun gar nichts mehr im Nachhinein. Also wird die Beratung in dem Fall vermutlich auch wenig Früchte hervorbringen.
Das zweite Problem ist, dass man erstmal einen Anwalt finden muss. Und auch noch einen guten. Das ist wie wenn man einen Handwerker oder Bauunternehmer sucht. Kann man Glück haben, kann man Pech haben. Quotenmäßig hat man bei Handwerkern deutlich mehr Pech als Glück und ich behaupte aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen mit diversen Anwälten verschiedener Rechtsgebiete zieht man eher eine Niete als einen Hauptgewinn. Selbst wenn man einen Fachanwalt für Insolvenzrecht findet, so leben die meisten wohl eher von der Durchführung von Insolvenzverfahren oder in dem sie finanzstarke Gläubiger vertreten.
Jemand der wirklich die Ausrichtung und Erfahrung mit Schuldnerinteressen hat ist sicherlich so schwierig zu finden wie eine Stecknadel im Heuhaufen. Und letztlich auch eine reine Geldfrage, rein nach Streitwert arbeitet heute kaum mehr ein renommierter Anwalt sondern hier werden kräftige Stundenhonorare vereinbart, wenn man Glück hat auch mal Fallpauschalen.
Ein Beratung wird in diesem Fall und diesem Stadium (Amtsermittlung) kaum Früchte tragen und die Kosten/Nutzen Relation für eine solche Beratung halte ich hier nicht für angemessen. Wenn man denn den richtigen Anwalt in der angemessenen Zeit (14 Tage für die Beantwortung ?) findet.
Es gibt in dem Zusammenhang auch noch einen anderen Punkt, wie man mit solchen Situationen umgeht. Nämlich sich die Frage stellt, was passiert eigentlich wenn ich die RSB nicht erhalte ? Nur ein Narr kann davon ausgehen, dass diese in jedem Verfahren zwangsläufig ergehen muss. Nur wenige Verfahren laufen sicherlich so rund durch, dass die Erteilung der RSB 100%ig sicher ist. Weiß man, ob man die Erwerbsobliegenheit wirklich erfüllt ? Wie das Gericht entscheidet ? Ob man nicht versehentlich/fahrlässig eine Obliegenheit verletzt ? Bei Selbständigen ist das Risiko mitunter noch höher. Auf der anderen Seite ist es gerade die Freiheit, die die Selbständigkeit gibt, Eigenständigkeit und auch Entfaltungsmöglichkeiten eröffnet.
Hier ist es hilfreich einen Plan B zu haben. Das heißt nicht, dass man Plan A aus dem Auge verlieren sollte, nicht erstrebenswert ist, es nicht Wert ist sich um die RSB nach Kräften zu bemühen sondern einfach nur so realistisch ist, dass man ein mögliches Scheitern prinzipiell in das Handeln einkalkuliert und entsprechend reagiert. Wenn man einen Plan B in der Tasche hat, lassen sich verschiedene Sachverhalte wie auch Versagungsanträge deutlich gelassener sehen.